Montag, März 31, 2008

Untraceable - Todesstoß per Mausklick


USA 2007

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Mit der technischen Revolution, die das Internet in den 90er Jahren losgetreten hat, nahm sich auch Hollywood des WWW-Themas an. Vor allem Tech-Thriller wie Hackers und Das Netz definierten den Blick der Traumfabrik auf das neue Medium, das nur wenige Jahre später selber zu einer veritablen kommerziellen Gefahr für das Filmgeschäft werden sollte. Heute lässt sich praktisch jeder Film bereits bei seinem Kinostart in mehr oder weniger guten Qualität downloaden, wozu also noch ins Kino gehen?

Das Internet teilte die Gesellschaft nicht nur auf einmal in die ein, die „schon drin waren“ und die, die bei all dem außen vor blieben, wie jedes neue Medium produzierte auch das World Wide Web moralische wie geschmackliche Auswüchse. Neben Online-Foren, in denen Perverse jeglicher Couleur ihre verqueren Ansichten austauschen, bedient das Internet zugleich uralte menschliche Bedürfnisse. So lässt sich in der vermeintlichen Anonymität des Netzes, ganz bequem von zu Hause aus, die eigene Sensationslust und voyeuristische Neugier befriedigen. Auf genau dieser Beobachtung baut die Story von Untraceable auf.

Die FBI-Agentin Jennifer Marsh (Diane Lane) und ihre Kollegen haben sich auf Internet-Straftaten spezialisiert. Sie arbeiten als virtuelle Fährtenleser, die das suchen, was andere bei ihren digitalen Raubzügen an Spuren zurückgelassen haben. Ein anonymer Hinweis macht die Ermittler auf die Website killwithme.com aufmerksam. Diese können zunächst nicht glauben, was sie da sehen. Der Betreiber der makaberen Seite lässt ein kleines Kätzchen vor laufender Kamera qualvoll sterben. Doch damit nicht genug. Nur wenige Tage später wird ein Mann gekidnappt, der kurz darauf auf der gleichen Seite gefesselt und geknebelt den Besuchern vorgeführt wird. Das Perfide: Je mehr Menschen killwithme.com anklicken, desto schneller wird dem Opfer ein letztlich tödliches Blutgerinnungsmittel injiziert.

Für Jennifer und ihre Kollegen liegt das Problem anfangs darin, den Ort des Verbrechens zu lokalisieren. Da die Website von Server zu Server springt, ist das leichter gesagt als getan. Wie schon in der bereits legendären, von Quentin Tarantino inszenierten CSI-Folge „Grave Danger“ zieht Untraceable zunächst aus dem Wettlauf gegen die Zeit einen Großteil seiner Spannung. Dass die Ermittler dem Opfer über einen simplen Mausklick ganz nahe sein können und auf diese Weise zugleich dazu beitragen, dass das tödliche Medikament nur noch schneller in dessen Venen gepumpt wird, ist Teil eines großen moralischen Dilemmas.

Allerdings scheint sich Regisseur Gregory Hoblit nicht wirklich für diese Zwickmühle zu interessieren. Dafür findet die Episode einfach viel zu schnell ihr Ende. Stattdessen schnappt sich der Unbekannte, dessen Identität bereits zur Mitte des Films gelüftet wird, einfach sein nächstes Opfer. Und wieder tickt die Uhr gegen ein Leben herunter. Da das Publikum in Zeiten von Torture Porn-Streifen wie Saw in Sachen sadistischer Foltermethoden deutlich anspruchsvoller geworden ist, muss sich der Psychopath natürlich etwas Neues einfallen lassen. Ein weiteres Mal auf die Medikamenten-Nummer zu vertrauen, würde beim Zuschauer vermutlich nicht auf allzu viel Gegenliebe stoßen.

So „charmant“ die Grundidee von Untraceable auch sein mag und so stark Diane Lane in der Hauptrolle auch agiert, sein nicht gerade üppiges Suspense-Pulver verschießt der Film viel zu überhastet. Die zweite Hälfte, in der in einem guten Thriller die Spannungsschraube eigentlich weiter angezogen werden sollte, verwendet Hoblit für ein ermüdendes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem letztlich – wenig überraschend – die couragierte FBI-Agentin selbst zur Zielscheibe wird und als Frischfleisch vor der Webcam endet. Manches, wie die Reaktion von Jennifers Kollegen auf die Bilder ihrer Gefangenschaft, ihre entsetzten „Ohs!“ und „Ahs!“, ist dabei sogar unfreiwillig komisch, was der Spannung ebenfalls nicht zum Vorteil gereicht.

Natürlich bekommt Mr. Psycho am Ende ausreichend Zeit, um die Motivation für sein Handeln in allen Einzelheiten zu erklären. Dabei stellt sich heraus, dass man ihm und seiner Familie einst ähnlich übel mitgespielt hatte. Ja, wir alle sind irgendwie Schuld an dem, was hier aufgeführt wird. Diese Erkenntnis will einem Untraceable mit aller Macht immer und immer wieder unter die Nase reiben. Die Dämonisierung von Sensationslust und Voyeurismus zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film. Wenn Jennifer im Stau steht, liegt das wiederum an ekelhaften Unfall-Gaffern, die nichts Besseres zu tun haben, als sich am Unglück anderer zu delektieren. Ergo: Der Mensch braucht kein Internet, um sich daneben zu benehmen.

Für BlairWitch.de.

Mittwoch, März 26, 2008

Jumper - Sprung ins Leere


USA 2007

+1/2

Glaubt man dem Verleih, so setzt Regisseur Doug Liman (Die Bourne Identität) mit diesem Science-Fiction-Crossover erneut zum großen Sprung an. Dummerweise ist davon im fertigen Film kaum etwas zu spüren. Gerade in Sachen Besetzung und Dramaturgie offenbaren sich deutliche Defizite. Weiter geht's auf evolver.

Montag, März 24, 2008

Schmetterling und Taucherglocke - Liebeserklärung an das Leben


USA/F 2007

+++1/2

Die Geschichte des früheren „Elle“-Chefredakteurs Jean-Dominique Bauby, der nach einem plötzlichen Schlaganfall nur noch das linke Augenlid bewegen konnte, schien für eine Verfilmung denkbar ungeeignet. Dennoch wagte sich Multitalent Julian Schnabel an die Umsetzung. Zusammen mit Kameramann Janusz Kaminski entwarf er ein bahnbrechendes visuelles Konzept, das Baubys Krankheit – so weit es das Medium überhaupt zulässt – für den Zuschauer erfahrbar macht. Trotz seines schweren Sujets ist Schmetterling und Taucherglocke vor allem eines: Eine Liebeserklärung an das Leben.

Filmkritik:

Für Jean-Dominique Bauby ändert sich sein gesamtes Leben von einer Sekunde zur nächsten. Eben noch fährt der Chefredakteur des Modemagazins „Elle“ unbeschwert in seinem neuen, schicken Cabriolet umher, als er plötzlich einen massiven Schlaganfall erleidet. Erst zwei Wochen später wacht er aus dem Koma im Krankenhaus Berck-sur-Mer wieder auf. Schnell steht er fest, dass er nicht nur stumm sondern auch von Kopf bis Fuß gelähmt ist. Nur sein linkes Augenlid kann er noch bewegen und auf diesem Weg zu seiner Umwelt Kontakt aufnehmen. Nachdem der erste Schock allmählich verflogen ist, fasst er einen ungewöhnlichen Entschluss: Er will seine Autobiographie verfassen, nur mit der Kraft seines Augenlids und einem speziell für ihn entwickelten Alphabet, auf das er lediglich mit einem Blinzeln antwortet. Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Seite für Seite lässt er sein Leben Revue passieren.

Nur wenige Tage, nachdem die Memoiren unter dem Titel Schmetterling und Taucherglocke – die Bedeutung erschließt sich nach Ansicht des Films – erschienen, starb Bauby im März 1997 an Herzversagen. Der renommierte New Yorker Künstler Julian Schnabel, der zuvor mit Basquiat und Bevor es Nacht wird bereits zwei Filme über äußerst schwierige Charaktere inszeniert hatte, nahm sich der Herausforderung an, Baubys Erinnerungen in eine filmische Form zu gießen. Basierend auf dem Drehbuch von Ron Harwood entwickelte er mit Spielbergs Hauskameramann Janusz Kaminski (Schindlers Liste, München) ein außergewöhnliches visuelles wie inhaltliches Konzept.

Anfangs nehmen wir die Welt nur aus Baubys Blickwinkel wahr. Wir sehen, was auch Bauby sah, als er aus dem Koma erwachte. Gleißendes Licht, unterschiedliche Farbpunkte, unscharfe Konturen, hallende Stimmen und Geräusche, die Mal lauter und Mal leiser zu hören sind. Dazu ein mehr als eingeschränkter Blickwinkel aus dem Krankenbett heraus. Wir müssen uns in dieser unwirklichen Situation erst zurechtfinden und uns an die subjektive Kameraperspektive gewöhnen. Erst mit der Zeit will das gelingen. Schnabel und Kaminski testen und experimentieren, wie weit sie dabei gehen können. Sogar als Bauby das rechte Auge zugenäht wird, was eine Infektion verhindern soll, verharrt der Film in der Ich-Perspektive. Hierbei stellt sich recht schnell ein klaustrophobisches Gefühl ein, ganz so, als sei man lebendig begraben. Konterkariert wird diese Enge von Baubys Kommentaren und Gedankengängen, die nicht selten neben aller Tragik auch ungemein komisch und absurd sind. So wecken die akrobatischen Zungenübungen seiner überaus attraktiven Logopädin (Marie-Josée Croze) in ihm ungewollt ein sexuelles Verlangen.

Im weiteren Verlauf ändert Schmetterling und Taucherglocke dann jedoch immer öfter den Blickwinkel. In Rückblenden erinnert sich Bauby an die Höhen und Tiefen seines bewegten, rastlosen Lebens. An Aktivitäten mit den Kindern, verflossene Beziehungen und Gespräche mit seinem Vater (Max von Sydow), zu dem er ein besonders inniges Verhältnis hatte. Nachdem wir die Welt zunächst durch seine Augen wahrgenommen haben, blicken wir in diesen Momenten tief in seine Seele und sehen, was ihm wichtig war. Schnabel, der für seine couragierte Vision bereits mit dem Regie-Preis in Cannes und unlängst auch mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurde, baut eine Brücke zwischen Bauby und uns Zuschauern. Ohne auf weinerliche Taschentuch-Melodramatik zu setzen, nähert er sich Baubys mutige Rebellion gegen den eigenen körperlichen Verfall. Der Film – wie schon die Vorlage – wird so zu einer im Angesicht des Todes verfassten Liebeserklärung an das Leben.

Für Programmkino.de.

Donnerstag, März 20, 2008

Das jüngste Gewitter - Life in Pictures


Schweden 2007

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Das Leben mag mitunter langweilig, trivial, deprimierend und absurd sein. Ebenso wie es Momente großer Freude, überschwänglichen Glücks und emphatischer Liebe beinhaltet, lässt es uns zweifeln und nicht selten einfach ratlos zurück. Nach Songs from the Second Floor beschäftigte sich der schwedische Filmemacher Roy Andersson in seiner dieses Jahr in Cannes uraufgeführten schwarzen Komödie Das jüngste Gewitter einmal mehr mit den Höhen und Tiefen der menschlichen Existenz. Darin treffen Momente schmerzhafter Melancholie auf Szenen voller Lakonie und skurriler Leichtigkeit.

Filmkritik:

Eine Frau beklagt sich über ihre Situation, über ihr Leben und darüber, dass sie sich kein Motorrad leisten kann. Am liebsten würde sie alles einfach hinter sich lassen. Doch dazu fehlt ihr das nötige Kleingeld und – viel wichtiger – der Mut. So unvermittelt die Szene begann, so unvermittelt endet sie. Ein Umschnitt und schon beobachten wir einen Mann beim Tuba spielen und einen Zweiten, der mit dieser Art von Musik nicht unbedingt viel anfangen kann. Im weiteren Verlauf führt Filmemacher Roy Andersson ein immer größeres Figurenarsenal ein. Einige Charaktere treten mehrmals auf, andere wiederum verschwinden nach bereits einer Szene ohne dass klar wird, welche Systematik Andersson dabei befolgt.

Da gibt es zum Beispiel die junge Frau, die einen Rockmusiker anhimmelt und sich mit ihm in ihrer Fantasie eine Traumhochzeit in Weiß ausmalt. Oder den Handwerker, der an einem Tischtuchtrick scheitert und ein 200 Jahre altes Essgeschirr zertrümmert, wofür ihn ein Gericht zum Tode auf dem elektrischen Stuhl verurteilt. Oder einen arroganten Geschäftsmann, dem entgeht, dass er in aller Öffentlichkeit beklaut wird. Insgesamt über 50 solcher Episoden reiht Andersson aneinander, wobei die einzelnen Übergänge mal mehr, mal weniger elegant ausfallen und sich ein roter Faden nicht immer auf Anhieb erkennen lässt.

Gemein ist allen Fragmenten ihre strenge Bildkomposition. Nahezu jede Einstellung wurde von Andersson mit einer statischen Kamera und ohne Zwischenschnitt abgedreht. Dadurch besitzt Das jüngste Gewitter über weite Strecken mehr Ähnlichkeit mit einem Stillleben, als dass es einem herkömmlichen Film gleichen würde. Hinzu kommt, dass sich die Darsteller im Schneckentempo zu bewegen scheinen – wenn sie sich denn überhaupt bewegen –, was nur den Eindruck verstärkt, hier sei die ursprüngliche Handlung kurzerhand eingefroren und auf Zelluloid konserviert worden. Andersson hat aus seiner lakonischen Betrachtung der menschlichen Natur konsequent jede überflüssige Aktion, jedes überflüssige Wort und sogar jeden auffälligen Farbton verbannt. Passend zur oftmals melancholischen Stimmung reduziert sich die Farbgebung auf eine Reihe von deprimierenden Grau- und Brauntönen.

Inmitten dieser optischen Tristesse gedeiht ein alberner, schwarzer, manchmal auch mehr als absurder Humor. Kein Einfall scheint zu abwegig, als dass Andersson nicht wüsste, ihn auf irgendeine Weise in sein existenzialistisches Mosaik einzubauen. Pointen wie die skurrile Gerichtsverhandlung samt Bierausschank oder die Momentaufnahme aus dem Alltag eines Fensterputzers entstammen einem typisch nordischen Humorverständnis, das schon Filmemacher wie Aki Kaurismäki und Bent Hamer (Kitchen Stories) für ihre lakonischen Geschichten nutzten. Neben aller Komik blickt Andersson aber auch mit großem Ernst auf sein Ensemble. Dabei deckt er Hoffnungen und Sehnsüchte auf, die ungelebt und unausgesprochen bis zuletzt auf ihre Erfüllung warten.

Für Programmkino.de.

Sonntag, März 16, 2008

Die Geheimnisse der Spiderwicks - Troll Dich!


USA 2008

++1/2

Die fünf Bestseller-Romane der vor allem in den USA populären Spiderwick-Serie von Tony DiTerlizzi und Holly Black haben es dank des Erfolgs vorangegangener Fantasy-Verfilmungen nun auch auf die große Leinwand geschafft. Anders als bei Narnia & Co. wurde die Kinderbuchreihe aber gleich komplett in nur einen rund 90minütigen Kinofilm überführt. Dementsprechend mussten die drei Drehbuchautoren (darunter John Sayles) einige Kürzungen und Änderungen vornehmen, was dem Film aber nicht zum Nachteil gereicht. Lediglich zum Ende hin führt die starke Actionfixierung der Geschichte zu einigen doch arg monotonen Szenenabfolgen.

Filmkritik:

Zusammen mit ihrer Mutter Helen (Mary-Louise Parker) ziehen die Grace-Kinder Jared, sein Zwillingsbruder Simon (Kinderstar Freddie Highmore in seiner ersten Doppelrolle) und die ältere Schwester Mallory (Sarah Bolger) in das verlassene und über die Jahre baufällig gewordene Anwesen ihres Ur-Großonkels Arthur Spiderwick (David Strathairn). Während die Kinder für den Umzug nur wenig Begeisterung aufbringen können und nach der Trennung ihrer Eltern ihren Vater vermissen, hofft Helen auf einen Neuanfang. Schon bald bemerkt Jared, dass in diesem Haus manches anders ist. In einem geheimen Raum, der früher einmal das Arbeitszimmer seines Onkels gewesen sein muss, entdeckt er ein geheimnisvolles Buch. „Handbuch für die fantastische Welt um dich herum“ prangt in großen Lettern auf dem Einband.

Obwohl ein Zettel ihn ausdrücklich davor warnt, das Buch zu öffnen, beginnt Jared, darin zu lesen. Er kann zunächst nicht glauben, was sein Onkel an Erkenntnissen über das für die meisten Menschen unsichtbare Reich der Kobolde, Feen, Elfen und Luftgeister zusammengetragen hat. Das ändert sich erst, als er die Bekanntschaft des cholerischen Wichtelmännchens Thimbletack (im Original gesprochen von Martin Short) macht. Dieses führt Jared in seine Welt ein, wo neben all den zauberhaften Geschöpfen auch ein finsteres Ungeheuer namens Mulgarath (Nick Nolte unter dicker Schminke) haust, dessen Schergen Angst und Schrecken verbreiten. Fielen die Geheimnisse des Buches in Mulgaraths Hände, würde das ihm eine unvorstellbare Macht verleihen. Es liegt nun an Jared, das Erbe seines Uronkels vor dem Bösen zu bewahren.

Wie in vielen anderen Fantasy-Geschichten – Pans Labyrinth wäre hier beispielhaft zu nennen – sind auch in den Spiderwick-Abenteuer Kinder das Bindeglied zwischen unserer und der vermeintlich irrealen Welt der Feen und Kobolde. Kindliche Imagination und Fantasie fungieren gewissermaßen als Türöffner, machen das Unsichtbare erst sichtbar. Die Stärken von Mark Waters (Mean Girls, Solange du da bist) erstem Ausflug ins Fantasy-Genre liegen vorwiegend in der ersten Filmhälfte, wenn die Geschwister ihr neues Zuhause erkunden und dabei auf seltsame, fantastische Kreaturen wie den gefräßigen Kobold Hogsqueal (Seth Rogen) stoßen. Das hat Charme, ist reich an Atmosphäre und regt den Entdeckergeist des eher jüngeren Zielpublikums – der Film empfiehlt sich für Kinder ab 8 Jahren – an. Auch sind die Effekte auf einem beachtlichen Niveau.

Dass keine Langeweile aufkommt, dafür sorgen nicht nur die zahlreichen Fabelwesen. Die gesamte Familienkonstellation ist darauf abgestimmt, dass sich Kinder in ihr wiederfinden und mit Jared, Simon und Mallory identifizieren können. Was es beispielsweise bedeutet, ohne ein Elternteil aufwachsen zu müssen, dürften nicht wenige aus eigener schmerzhafter Erfahrung wissen. In diesem Fall leidet vor allem der sensible Jared unter der Trennung seiner Eltern. Das Versinken in die fantastische Welt des Ur-Großonkels ist auch eine Reaktion auf die ungeliebte Realität, ein Fluchtreflex. Leider übertreibt es Waters während der letzten halben Stunde mit der Action. Dann wird aus der angenehm geradlinigen Fantasy-Erzählung ein hektisches Gerenne, das im Effektgewitter seine jugendlichen Protagonisten zuweilen aus den Augen verliert. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen.

Für Programmkino.de.

Mittwoch, März 12, 2008

Lars und die Frauen - Studie in Einsamkeit


USA 2007

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Lars hat eine Freundin. Soweit nichts Ungewöhnliches. Doch Bianca ist nicht aus Fleisch und Blut. Die feurige Halb-Brasilianerin kam per Post, nachdem Lars im Internet seine Traumfrau als lebensgroße Gummipuppe zusammengestellt hatte. Craig Gillespies Tragikomödie Lars und die Frauen nähert sich unverkrampft und mit den Mitteln der Komödie der Einsamkeit eines jungen Mannes. In der Hauptrolle brilliert Ryan Gosling. Weiterlesen auf Critic.de.

Montag, März 10, 2008

Juno - Volltreffer


USA 2007

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Gute Laune garantiert: Juno, der neue Film von Thank You for Smoking-Regisseur Jason Reitman, nähert sich dem schwierigen Thema Teenager- Schwangerschaften mit den Mitteln der Komödie. Das in den USA zum Überraschungshit avancierte Coming of Age-Porträt setzt auf feine Ironie, liebenswerte Charaktere und smarte Dialoge. Für Hauptdarstellerin Ellen Page erweist sich Juno zudem als schauspielerischer Durchmarsch.

Filmkritik:

Wenn zwei Menschen miteinander schlafen, kann das Folgen haben, die erst neun Monate später das Licht der Welt erblicken. Waren es in Judd Apatows letztjähriger Sommer-Komödie Beim ersten Mal zwei Erwachsene, die enthemmt vom Alkohol ihrer Lust nach Sex nachgingen, dreht sich in Juno, dem neuen Film von Jason Reitman (Thank You for Smoking), alles um das Liebesleben eines Teenagers. Die 16jährige Juno (Ellen Page) will nicht glauben, was ihr der Schwangerschaftstest da anzeigt. Deshalb macht sie gleich drei. Doch alle kommen sie zu demselben Ergebnis: Sie ist schwanger.

Nachdem zunächst die beste Freundin (Olivia Thirlby) und Paulie (Michael Cera), der werdende Vater, die Neuigkeit erstaunt zur Kenntnis nehmen müssen, entschließt sie sich, auch ihrem Vater (J.K. Simmons) und ihrer Stiefmutter (Allison Janney) reinen Wein einzuschenken. Die reagieren auf die Beichte gelassener, als Juno es erwartet hatte „Ich wusste gar nicht, dass Du schon sexuell aktiv bist!“ kommentiert ihre Stiefmutter die Schwangerschaft. Juno will das Kind unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freizugeben. Eine Abtreibung kommt für sie nach dem Besuch einer Klinik nicht mehr in Frage. Im Kleinanzeigenteil der örtlichen Zeitung entdeckt sie das Foto eines jungen Paares. Vanessa (Jennifer Garner) und Mark (Jason Bateman) sind erfolgreich und führen – so scheint es – eine Vorzeige-Ehe. Nur Vanessa unerfüllter Kinderwunsch steht bislang dem perfekten Glück im Weg.

Juno bietet klassisches Feel Good-Kino. Reitmans Teenager-Komödie kommt dabei ohne die für dieses Genre üblichen Fäkalscherze und platten Schenkelklopfer aus. Stattdessen präsentiert sich sein Film als stimmiger Mix aus unbeschwerter Coming-of-Age-Story und liebevoller Außenseiter-Studie. Zuweilen fühlt man sich gar an Terry Zwigoffs Ghost World erinnert. Obgleich manche Dialoge allzu smart klingen – kaum zu glauben, aber mit Juno gibt die 29jährige Diablo Cody ihren Einstand als Drehbuchautorin –, verliert der Film nie seine realistische Erdung. Untermalt von melancholischem Songwriter-Pop begleitet man für anderthalb Stunden einen scheinbar ganz normalen Teenager durch die Höhen und Tiefen einer ungeplanten Schwangerschaft.

Es stimmt, dass Reitman und Cody Junos Sorgen nicht ausblenden und dennoch ist es weniger das Drama, als vielmehr der warme, mitunter absurde Humor, der hier im Vordergrund steht und für den man Juno am liebsten ganz fest drücken möchte. Getragen von einer fast beispiellosen Mundpropaganda und euphorischen Besprechungen gelang dem Film nach ersten Vorführungen auf Festivals wie Telluride und Toronto der Sprung auf einen Spitzenplatz der amerikanischen Kinocharts, den er seit Wochen hartnäckig verteidigt. Juno tritt damit gewissermaßen die Nachfolge des letztjährigen Überraschungs-Hits Little Miss Sunshine an.

Über Juno zu schreiben ohne dabei Ellen Page zu erwähnen, ist schlichtweg nicht vorstellbar. Page nimmt wie schon in Hard Candy mit einer für ihr Alter unglaublichen Lässigkeit jeden Millimeter der Leinwand in Beschlag. Bereits während der animierten Eingangssequenz lässt sie keinerlei Zweifel aufkommen, wessen Film das hier ist. Unterstützung erfährt sie von Newcomer Michael Cera (Superbad), J.K. Simmons und Ex-Alias-Star Jennifer Garner. Letztere darf als Übermutti in spe auch einmal ihr komisches Talent unter Beweis stellen.

Juno folgt über seine gesamte Laufzeit einem simplen aber dennoch wirkungsvollen Rezept: Man nehme einige liebenswerte Charaktere, konfrontiere sie mit einem (vermeintlichen) Problem und lasse sie daran wachsen.

Für Programmkino.de.

Donnerstag, März 06, 2008

10.000 BC - In einem Land vor unserer Zeit


USA 2008

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Hilfe, die Mammuts sind los! Und nicht nur die: Roland Emmerichs Steinzeit-Epos schickt einen jungen Krieger auf eine beschwerliche Odyssee. Der schwäbische Regisseur war ja noch nie ein großer Erzähler - aber hiermit unterbietet er seine letzten Arbeiten mit Leichtigkeit. Auf evolver lässt sich alles weitere zu 10.000 BC nachlesen.