Mittwoch, September 08, 2010

Black Death - Geschichte wiederholt sich


GB 2010

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Willkommen in der Zeit der Kreuzzüge, von Aberglauben, Bigotterie, Fanatismus und Intoleranz. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Wer nicht an Gott glaubt, der ist des Teufels. Das Mittelalter kannte noch eine klare Verteilung von Gut und Böse, über die der Klerus mit Argusaugen wachte. Für alles gab es eine religiöse Deutung und so sahen viele Geistliche in der Pest, die fast die Hälfte der europäischen Bevölkerung kostete, Gottes gerechte Strafe für die Sünden seiner Schäfchen.

So weit die historische Wahrheit. Nun folgt der Wechsel ins Fiktive, den Christopher Smiths Mittelalter-Thriller Black Death recht überzeugend und geräuschlos vollführt. Der Schauplatz liegt dabei im Nirgendwo. Ein kleines, entlegenes Dorf bleibt wie durch ein Wunder von der Epidemie verschont. Dieser Umstand wird für die Kirche allmählich zu einem ernstzunehmenden Problem. Denn es kursieren Gerüchte von heidnischen Ritualen, mit denen sich die Bewohner vor dem dunklen Mantel der Pest schützen. Um der Sache auf den Grund zu gehen, soll der glaubensfeste Ritter Ulric (stark in einer vertrauten Rolle: Sean Bean) im Auftrag des Bischofs das Dorf aufsuchen und dem heidnischen Spuk wenn möglich ein geräuschloses Ende bereiten.

Begleitet wird er auf dieser nicht ganz ungefährlichen Mission von seinen treuen Männern und dem Mönchsnovizen Osmund (eine echte Entdeckung: Eddie Redmayne). Der will den engen Klostermauern entfliehen – aus einem durchaus weltlichen Grund. Er hat sich verliebt. Die Frau seines Herzens musste er zuvor wegschicken, aus Sorge, sie könnte sich andernfalls auch infizieren und an der Pest sterben. Es dauert eine Weile bis Ulric und Osmund am Ziel ihrer Reise angelangt sind. Dort erwartet sie eine trügerische Idylle. Diese ist ebenso wie die ihnen entgegen gebrachte Gastfreundschaft jedoch nur von kurzer Dauer. In Wahrheit verfolgt die geheimnisvolle Heilerin Langiva (Carice van Houten) einen überaus gerissenen Plan.

Es ist zunächst einmal schon erstaunlich, warum nicht mehr Genre-Produktionen die dunkle, mysteriöse Kulisse des Mittelalters für ihre Geschichten um Okkultismus und Aberglauben nutzen. Immerhin bietet die Epoche von all dem mehr als reichlich – ein Großteil noch dazu historisch verbürgt. Für Regisseur Christopher Smith war Black Death der erste Ausflug in Europas finsteres Zeitalter und er filmt ihn so, als habe er bis dahin nichts anderes gemacht. Mit einer Handkamera, die stets ganz nah an den Darstellern und mittendrin im Geschehen ist, auf 16mm und einem beeindruckenden Gespür für atmosphärische Bilder. Die alten Burgen des Harzes und die Wälder Brandenburgs boten die passende Bühne für diesen dreckigen, mittelalterlichen Road Trip, der sich dank der Grobkörnigkeit des Filmmaterials jederzeit ungemein real und plastisch anfühlt.

Vor allem die erste Dreiviertelstunde wirkt durchzogen von einer kalten, fast schon nihilistischen Düsternis. Bis Ulric und seine Männer das kleine Dorf erreichen ist schon reichlich Blut vergossen worden. Dabei werden nicht zuletzt dem jungen Osmund irreversible Entscheidungen abverlangt, die in ihrer Radikalität und Tragweite Black Death als von Grund auf ernsthaften Horrorbeitrag charakterisieren. Nicht nur weil einer von Ulrics Getreuen glatt als Kinski-Doppelgänger durchgehen könnte – Aguirre lässt grüßen –, gelingt es Smith, den Wahnsinn der damaligen Zeit äußerst kraftvoll und direkt zu transportieren. Anders als bei Herzog ist jedoch nicht die Natur, sondern der Mensch der größte Feind des Menschen. Und der versteht keinen Spaß, wenn sein Refugium auf einmal bedroht wird.

In der Siedlung entspinnt Black Death dann eine mittelalterliche Wicker Man-Variante, deren Suspense-Potenzial allerdings nicht ganz ausgeschöpft wird. Das liegt in erster Linie an der (zu) frühen Aufdeckung des okkulten Treibens, bei dem leider wenig Raum für Interpretationen bleibt. Auch verlässt sich die schöne Carice van Houten in ihrer Darstellung der resoluten Anführerin zu sehr auf bekannte Sektenguru-Klischees. Wirklichen Schaden können aber selbst diese Schönheitsfehler nicht anrichten. Dafür hat Smith bis zur finalen Terrorlektion samt blutigem Folterritual einfach viel zu viel richtig gemacht. Mit zwei herausragenden Hauptdarstellern erzählt er kompromisslos von Aberglauben, Bigotterie, Fanatismus und Intoleranz. Dabei wird deutlich: Das hier ist kein Film nur über das Mittelalter, das ist auch ein Film über die Gegenwart. Es ist eine schmerzhafte, unbequeme Wahrheit, an die uns Black Death mit jedem Opfer gemahnt.

Für BlairWitch.de.