Donnerstag, Juli 07, 2011

Alles koscher! - Back to the Roots


GB 2010

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Mahmud ist ein weltoffener Moslem, der es mit den Regeln des Koran nicht so ernst nimmt. Als er jedoch erfährt, dass er adoptiert wurde und seine leiblichen Eltern Juden waren, stürzt ihn das in eine folgenschwere Identitätskrise. Mit britischem Humor und angenehm unverkrampft nähert sich Alles koscher! einem brisanten Sujet. Wie schon in der Islamisten-Satire Four Lions werden religiöse Fanatiker als Brandstifter und Heuchler enttarnt. Eine Ethno-Komödie mit ernstem Hintergrund und viel Menschlichkeit.

Filmkritik:

Ein Unglück kommt selten allein. Das wird auch Familienvater Mahmud (Omid Djalili) aus eigener Erfahrung nur zu gerne bestätigen. Eigentlich war er immer ein stolzer Moslem, auch wenn er nicht zu denjenigen gehörte, die sich stets an die Regeln des Koran hielten. Mahmud nahm es weder mit der Fastenzeit, den täglichen fünf Gebeten noch dem strikten Verzicht auf Alkohol so genau und doch war der Islam ein unumstößlicher Teil seiner Identität. Umso tiefer sitzt der Schock, als er nach dem Tode seiner Mutter in deren Habseligkeiten alte Dokumente findet, die belegen, dass er im Alter von zwei Wochen adoptiert wurde. Seine leiblichen Eltern waren – und das ist das eigentlich Unglaubliche für ihn – Juden. Ja genau, Mahmud ist ein Jude und sein Geburtsname war Solly Shimshillewitz. Jüdischer geht es kaum.

Als wäre die plötzliche Identitätskrise für ihn schon verwirrend genug, da platzt in diese erste Katastrophe gleich eine zweite. Sein Sohn Rashid (Amit Shah) möchte heiraten, doch der Schwiegervater-in-spe (Igal Naor) entpuppt sich zu allem Überfluss als islamischer Fanatiker und Hassprediger, der seine Zustimmung von Mahmuds religiöser Standfestigkeit und Überzeugung abhängig macht. Nur wenn dieser ihm glaubhaft beweisen kann, dass er ein Vorzeigemoslem ist, will der resolute Extremist in Rashid und Uzmas (Soraya Radford) Hochzeit einwilligen.

Die britische Culture-Clash-Komödie Alles koscher! nimmt sich eines ausgesprochen heiklen Themas an. Religiöse Empfindungen sind bekanntlich ein hochexplosives Minenfeld, insbesondere wenn es um den Islam und einer kritischen Auseinandersetzung mit Fanatismus und Doppelmoral geht. Doch wenn überhaupt jemand diesen Balanceakt mit scharfer Ironie und bissigem Humor erfolgreich meistern kann, dann sind es wohl die Briten. Four Lions hat es jüngst vorgemacht wie sich mit den Mitteln der Komödie auch kontroverse Themen durchdringen lassen. Ähnlich unverkrampft, dabei aber im Ton nicht ganz so radikal und schrill ähnelt das Konzept von Autor und Komiker David Baddiel dem der auch hierzulande in den Programmkinos äußerst erfolgreichen Islamisten-Satire. Baddiel schrieb seinem Hauptdarsteller Omid Djalili die Rolle praktisch auf den Leib. Der britisch-iranische Schauspieler und Stand-up-Comedian, dessen eigene, von der BBC produzierte TV-Serie auch schon im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, verkörpert bravourös den eigentlich bemitleidenswerten Mahmud, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Als etwas tollpatschiger Riese mit einem (viel zu) großen Herz kämpf er sich durch jeden nur erdenklichen Fettnapf.

Der deutsche Verleih weckt bereits mit dem Titel gewisse Assoziationen zu Dani Levys Erfolgskomödie Alles auf Zucker und in der Tat scheint diese Analogie berechtigt. Nicht nur spielt Alles koscher! zu einem wesentlichen Teil ebenfalls im jüdischen Milieu, in das sich Mahmud alias Sonny plötzlich neu einfinden muss, auch Mahmuds verzweifelte Anstrengungen wahlweise besonders jüdisch oder muslimisch zu erscheinen, sind mit denen Jacky Zuckers durchaus vergleichbar. Dahinter steht immer die Frage, wer man ist und welche kulturelle Identität man in sich trägt. Es fällt auf, dass Baddiels Skript die wenigen, besonders bösen Pointen recht einseitig verteilt. Diese zielen meist auf den Holocaust und wie dieser bis heute das Selbstverständnis der jüdische Community prägte. Gegenüber dem Islam gibt sich der Film hingegen deutlich zahmer. Zusammen mit dem etwas zu sehr auf Konsens bedachten Finale ist es der einzig echte Kritikpunkt, den man dieser insgesamt gelungenen, erfrischenden Ethno-Comedy unterbreiten kann.

Für Programmkino.de.