Donnerstag, November 03, 2011

Hotel Lux - Rotes Gruselkabinett


D 2011

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Mit Witz und Satire will der neue Film von Leander Haußmann (Sonnenallee, NVA) gleich zwei verbrecherische Regime des letzten Jahrhunderts, ihre Ideologien und versteckten Gemeinsamkeiten enttarnen und der Lächerlichkeit preisgeben. Schauplatz ist das Moskauer Hotel Lux, das Mitte der 1930er Jahre verfolgte Kommunisten aus der ganzen Welt beherbergt. Unter der strengen Aufsicht durch Joseph Stalin und dessen Kader entstand dort ein merkwürdiges Paralleluniversum. Ein eigentlich unpolitischer Komiker – dargestellt von Michael „Bully“ Herbig – gerät auf der Flucht vor den Nazis in jenes kommunistische Panoptikum und zugleich in eine für ihn folgenschwere Verwechslung.

Filmkritik:

Für Komödianten und Entertainer waren die 1930er Jahre in Deutschland eine mitunter lebensgefährliche Zeit. Nur eine Pointe auf Kosten der Mächtigen zog nicht selten ein Berufsverbot und weitere Repressalien nach sich. Auch der Parodist Hans Zeisig (Michael Herbig), dessen Figur sich augenscheinlich an legendären Komikern und Kabarettisten wie Karl Valentin und Werner Fink orientiert, bekommt den Unmut des Hitler-Regimes zu spüren. Seine Auftritte in einem Berliner Varieté fallen nach anfänglicher Tolerierung in Ungnade, und so ist er gezwungen, überstürzt aus Deutschland zu fliehen. Statt in Hollywood landet der eigentlich vollkommen unpolitische Zeisig in Moskau, genauer im dortigen Exilantenhotel „Lux“. Es ist ein seltsamer, unwirklicher Ort, an dem Stalin jeden Schritt überwachen lässt und der vorrangig als Zufluchtsort für verfolgte Kommunisten und Funktionäre aus aller Welt dienen soll.

Unter den Gästen dieses etwas anderen Hotels, das bezeichnenderweise keine Gästeliste führte, fanden sich mit Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und Ho Tschi Minh gleichsam bekannte wie gefürchtete Akteure der späteren Weltpolitik. Zeisig, der anders als sein alter Freund Siggi Meyer (Jürgen Vogel) weder den Kommunisten noch den Nazis geistig nahe steht, betrachtet das skurrile Treiben in den Zimmern und Fluren des „Lux“ mit einiger Befremdung. Da ihn die Kommunisten zu seiner Verwunderung mit dem geflohenen Leibastrologen Adolf Hitlers verwechseln, wird ihm schließlich die zweifelhafte Ehre zuteil, Josef Stalin in einem – mehr oder weniger – privaten Vier-Augen-Gespräch zu begegnen. Zwischen dem Komiker mit Hollywood-Ambitionen und dem gefürchteten Diktator entwickelt sich ein seltsames, am Ende recht einseitiges Vertrauensverhältnis.

Regisseur und Komödien-Fachmann Leander Haußmann hat die ziemlich humorlose Diktatur des Proletariats als Bürger der DDR lange Jahre selbst erlebt. Nachdem er bereits in Filmen wie Sonnenallee und NVA den Irr- und Starrsinn des angeblich besseren Deutschlands mit Witz und Komik aufdeckte und darin vor allem den biederen Partei-Apparat zur Zielscheibe seines Humors machte, verlagert er nun dieses Prinzip auf einen ungleich düsteren Ausschnitt Zeitgeschichte. Dabei gibt sich Hotel Lux deutlich ernsthafter als seine doch eher komödiantischen Vorgänger. Lachen ist auch hier erlaubt, aber nur – so scheint es – wenn einem zugleich der ernste Hintergrund der Ereignisse bewusst ist. Dass unter Stalin mehr kommunistische Funktionäre als unter Hitler ermordet wurden, soll schließlich bei allem Verwechslungs-Klamauk als Mahnung nicht vergessen werden. Damit ist zugleich eine große Schwäche des Films umschrieben, der gerne so leichtfüßig wie Chaplins Der große Diktator oder Lubitschs Sein oder Nichtsein daherkäme, letztlich aber zutiefst deutsch anmutet.

Es ist zugegeben kein Leichtes, Witz mit Drama zu vereinen. Roberto Beniginis Oscar-Gewinner Das Leben ist schön gelang dieses Kunststück. Bei Hotel Lux wollen beide Teile jedoch nur selten wirklich zusammenpassen. Haußmann vertraut abgesehen von einigen entlarvenden Kommentaren zur Ähnlichkeit linker und rechter Ideologien zu sehr auf flache Pointen. So muss beispielsweise ein übertrieben sächselnder Walter Ulbricht eine Mauer aus Zuckerwürfel nachbauen, was humoristisch mehr einem Schlag mit dem Holzhammer als einem Wink mit dem Zaunpfahl entspricht. Man merkt, dass Haußmann versuchte, die angeblich zu ernsten, ersten Drehbuchentwürfe von Uwe Timm und Volker Einrauch mit aller Gewalt in seine Richtung umzubiegen. Im Presseheft heißt es dazu, dass Haußmanns Geschichte auf „Motiven“ der anderen Autoren basiere. Mit der Besetzung von Michael „Bully“ Herbig, der mit den tragischen Facetten seiner Figur nie wirklich eins zu werden scheint, setzen die Verantwortlichen schließlich auf einen massenkompatiblen Zuschnitt ihres kommunistischen Skurrilitätenkabinetts.

Für Programmkino.de.