Mittwoch, Juli 20, 2011

Insidous - Oldschool in die Twilight-Zone


USA 2011

++1/2

„Vom Regisseur von „Saw“ und den Produzenten von „Paranormal Activity““ lautet eine Werbezeile, mit der Insidious hierzulande vermarktet wird. Dabei führt der Verweis auf Saw in die Irre, denn mit Jigsaws perfiden Puzzle- und Folterspielchen hat der neueste Streich des Tandems James Wan (Regie) und Leigh Whanell (Drehbuch) wahrlich kaum etwas gemein. Eher schon liegt eine gewisse inhaltliche Verwandtschaft zu Oren Pelis Ultra-Low-Budget-Erfolg vor. Kurz und knapp könnte es auch diesmal heißen: Willkommen in der Twilight Zone!

Denn in dem schönen Zuhause der Familie Lambert ereignen sich immer merkwürdigere Dinge. Es sind Vorfälle, die vor allem Mutter Renai (Rose Byrne) ängstigen und die sie sich kaum logisch erklären kann. Mal dringen seltsame Geräusche aus dem Babyphone, mal steht nachts plötzlich die Haustüre wie von Geisterhand auf oder es zeichnen sich die Umrisse einer unbekannten Person im Halbdunkeln ab. Als der älteste Sohn (Ty Simpkins) der Lamberts nach einem mysteriösen Vorfall auf dem Speicher in ein Koma fällt, das sich selbst die behandelnden Ärzte nicht erklären können, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Auf Drängen seiner Frau kommt Familienvater Josh (Patrick Wilson) schließlich dem Wunsch nach, in ein anderes Haus zu ziehen. Doch auch in der neuen Bleibe setzen sich die unheimlichen Zwischenfälle fort.

Spätestens ab diesem Moment wird klar, dass nicht das Haus das eigentliche Problem ist. Wer den Trailer gesehen hat, wird sich vermutlich an die Punchline „It’s not the house that’s haunted“ erinnern und tatsächlich nutzen James Wan und Leigh Whanell die Kulisse der bekannten Geistermärchen nur für einen ungleich furchteinflößenderen Budenzauber. Hier spielt sich das eigentliche Grauen nicht zwischen vier Wänden ab. Der Horror, den Insidious zumindest über weite Strecken sehr geschickt heraufbeschwört, hat seinen Ursprung in der Familie und in deren Gedanken und verdrängten Erinnerungen. Was tatsächlich geschah, lässt Insidious bis zum Ende bewusst offen und so kann man in die zunehmend paranormale Geisterbahnfahrt viele (vielleicht sogar endlose?) Deutungen hineinlesen.

So vielschichtig sich die psychologische Ebene des Films präsentiert, so handfest und altmodisch geben sich Wan und Whanell bei der Auswahl ihrer Horrorinstrumente. Insidious lässt die ganze Welle des Torture Porn oder der harten Remakes alter Klassiker mal eben links liegen und würdigt sie dabei kaum eines Blickes. Stattdessen sucht ihr Film den Anknüpfungspunkt bei einflussreichen Genrevorbildern wie Poltergeist und Der Exorzist. Es dürfte kaum Zufall sein, dass beide Filme Wans und Whanells persönliche Lieblinge sind. Gerade die erste Dreiviertelstunde versteht es meisterlich, mit vagen Andeutungen, Schatten und kleinen, leicht zu übersehenden Merkwürdigkeiten zu spielen und so in uns eine Grundangst und permanente Verunsicherung zu schüren. In diesen Augenblicken ist die Geschichte ganz nah bei Oren Pelis Paranormal Activity, wobei hier filmisch doch einiges mehr geboten wird.

Bereits die fahlen, aschgrauen Bilder üben eine ungemein verstörende Anziehungskraft aus. Man ahnt, dass hinter der staubigen Oberfläche ein Albtraum wartet und doch ist man erstaunt, gefesselt und zutiefst erschrocken, wenn Wan und Whanell immer mal wieder für wenige Sekunden den grauen Mantel anheben und uns hinter die Geisterhaus-Fassade schauen lassen. Die atonale Musik mit ihren schrecklich-schrägen Streicherarrangements verstärkt dieses Gefühl einer ständigen, zunächst nicht genau lokalisierbaren Bedrohung zusätzlich. Wenn die scheinbar schwerelose Kamera das Zuhause der Lamberts erkundet und Mutter Renai bei ihrer Hausarbeit beobachtet, kann man sich nie sicher fühlen. Natürlich dürfen auch die etwas mechanischeren Schockeffekte nicht fehlen, wobei das laute Aufheulen der Tonspur in diesem Fall seine volle Berechtigung hat. Einen falschen Alarm kennt Insidious nämlich nicht.

Nach knapp einer Stunde nimmt die Geschichte dann eine Wendung, die immer deutlicher das Paranormale betont und daher nicht jedem Zuschauer gefallen wird. Als Joshs Mutter Lorraine (Barbara Hershey) eine alte Freundin (Lin Shaye) zu Rate zieht, die in einer Seance den Kontakt zur Seele des im Koma befindlichen Sohnes herzustellen versucht, setzt der Film alles auf eine Karte. Plötzlich haben wir es mit Begriffen wie „astraler Projektion“ und einer Parallelwelt der Geister zu tun, die sich vielsagend „Die Weite“ nennt. Mehr noch als die reine Anhäufung übersinnlicher Zitate, hinterlässt die filmische Ausgestaltung dieses Seelenreichs einen zwiespältigen Eindruck. Wan und Whanell reizen ihren Dämonenspuk über Gebühr aus. Nichts bleibt schlussendlich im Ungefähren, alles muss gezeigt und mit großen Gesten vor unseren Augen ausgebreitet werden. Weil der Horror der ersten Stunde allerdings derart intensiv war, bleibt es trotz dieses Qualitätsabfalls bei einer Empfehlung. Insidious ist insgesamt ein erfreulicher Old-School-Schocker und so etwas wie die weitgehend spaßfreie Fortsetzung zu Sam Raimis Drag me to Hell.

Für BlairWitch.de.