Rocky Balboa - Still Fightin'
USA 2006
Mit dem sechsten Teil der legendären Rocky-Filmreihe meldet sich einer der großen Helden des modernen amerikanischen Kinos zurück aus der Frühverrentung. Sylvester Stallone, obwohl mittlerweile 60 Jahre alt, will als Rocky Balboa seine Fangemeinde und deren Kaufkraft an der Kinokasse reaktivieren.
Comebacks sind per se eine diffizile Angelegenheit, besonders im Boxsport. Das musste erst kürzlich ein bekannter deutscher Schwergewichtler am eigenen Leib erfahren. Die filmische Wiederauferstehung eines wenn auch nur fiktiven Box-Idols dürfte jedoch ein ungleich schwierigeres Unterfangen werden. Am besten fragt man Sylvester Stallone, denn der muss es wissen. Rund drei Jahrzehnte nachdem Rocky (1976) ein Kapitel Kinogeschichte schrieb – der Film gewann drei Oscars und spielte weltweit über 220 Mio. US-Dollar ein - tritt er als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in der prägendsten Rolle seiner Karriere noch ein sechstes Mal an.
Als die Handlung von Rocky Balboa einsetzt, geht der Ausnahmeathlet früherer Tage auf die 60 zu. Er betreibt ein kleines italienisches Restaurant, das davon lebt, dass die Gäste seine Anekdoten aus glorreichen Box-Zeiten hören wollen. Während sein Sohn Robert (Milo Ventimiglia) versucht, aus dem langen Schatten des Vaters herauszutreten und ein eigenständiges Leben zu führen, trauert dieser um seine verstorbene Frau Adrian (Talia Shire). Rocky lebt in der Vergangenheit. Er zehrt von den Erinnerungen, die ihn auch mit seinem Schwager und Weggefährten Paulie (Burt Young) verbinden. Erst nachdem der „virtuelle“ Rocky in einem computersimulierten Kampf den amtierenden Schwergewichts-Weltmeister Mason „The Line“ Dixon (Antonio Tarver) per Knockout besiegt, spürt er, dass die Box-Leidenschaft, die nie wirklich erloschen war, mit aller Macht zurückgekehrt ist. Rocky will es noch einmal wissen.
Stallone vertraut voll und ganz dem Mythos seines Titelhelden und der schon aus dem ersten Rocky-Film bekannten Konstellation „hart arbeitender weißer Working Class-Kämpfer vs. siegessicherer, überheblicher schwarzer Champ“. Diese simplifizierende Rollenverteilung konnte seinerzeit mit dem Amtsantritt Ronald Reagans als Ausdruck eines politischen wie sozialen Klimawandels interpretiert werden. Produktionen wie Rambo (First Blood, 1982) und Conan – Der Barbar (Conan the Barbarian, 1982) spiegelten den Stimmungsumschwung in der Gesellschaft und auf der Kinoleinwand wider. Leichte, eskapistische Kost war gefragt.
Ging es in den früheren Rocky-Filmen teilweise auch um einen Wettstreit der Systeme – das Duell mit dem von Dolph Lundgren verkörperten russischen Boxer Ivan Drago aus Rocky 4 (1985) machte dies offenkundig – so steht wie schon in Teil 5 die Generationenfrage im Zentrum der Neuauflage. Sowohl im direkten Duell mit Dixon als auch in der Nebenhandlung um die vorsichtige Wiederannäherung zwischen Vater und Sohn, rekurriert Stallone auf das Altersmotiv. Daneben beherrscht das Streben nach Selbstachtung, nach Selbstakzeptanz den Subtext des Films. Alt und nutzlos, so will Rocky von niemandem gesehen werden. Schon gar nicht von sich selbst.
Zwar können sich Rocky-Anhänger auf ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern wie Burt Young und Tony Burton freuen und auch Bill Contis legendärer Score untermalt erneut die typische Montage, die das schweißtreibende Training vor dem großen Kampf zusammenfasst, ansonsten ist dieses Mal aber vieles anders. Stallone nimmt mit Teil 6 der Boxsaga eine deutliche Akzentverschiebung vor. Die eigentliche Action im Boxring beschränkt sich auf einen einzigen Kampf während der letzten zwanzig Minuten. Bis dahin ist Rocky Balboa vor allem ein ruhiges, oftmals aufdringlich sentimentales Charakterdrama.
Nostalgische Gefühle evoziert Stallone mit kurzen Einsprengseln und Zitaten aus den Vorgängern. Beides stellt den Film nicht nur in den Zusammenhang der Serie, es dokumentiert auch die lange, dreißig Jahre zurück reichende Historie der Rocky-Figur, die das Prinzip des „Nicht-aufgeben-Wollens“ wie kaum eine andere im amerikanischen Kino repräsentiert. Passend dazu mangelt es nicht an Pathos, wenn Menschen voller Bewunderung den Blick auf die Bilder der TV-Übertragung richten oder Rocky beim Gang durch das Viertel um ein Autogramm bitten. In solchen Augenblicken verschwimmen die Grenzen zwischen dem Filmcharakter und dessen Schöpfer, der es selbst zu einer Ikone – in diesem Fall des Kinos – gebracht hat und dessen Vita untrennbar mit dem Boxer aus Philadelphia verbunden ist. Wir erleben die Geburt eines neuen Rocky-Typus, der ganz nach dem Klischee des „weichen Kerns in harter Schale“ den Tod seiner Frau beweinen darf.
Passend zur neuen Schlichtheit präsentiert sich der Film über weite Strecken in einer einfachen, dunklen und grobkörnigen Verpackung. Keine Hochglanzoptik soll die Härten des Älterwerdens überdecken. Heruntergekommene Häuser und Straßen komplettieren die Ästhetik des langsamen Verfalls. Erst bei dem finalen Boxkampf vor imposanter Kulisse sorgt ein Mix aus hochauflösenden TV-Aufnahmen und digitalen Handkamerabildern für so etwas wie Glamour und Spektakel. Dann will Stallone offensichtlich alles das nachholen, was sich zuvor angestaut hat: Es wechseln sich unscharfe Nahaufnahmen, verschiedene Farbfilter, Gelb-, Blautöne, Flashbacks, Schwarz-Weiss-Impressionen, Zeitlupenaufnahmen im Sekundentakt ab. Stärker könnte der Kontrast zu der übrigen betont unspektakulären Abschiedstournee nicht ausfallen.
Die Befürchtung, Stallone würde mit Rocky Balboa einen Kinohelden der Peinlichkeit eines unwürdigen und überflüssigen sechsten Auftritts aussetzen, bewahrheitet sich, sobald die Opponenten den Ring betreten haben. Der zuvor sorgsam aufgebaute nüchtern-realistische Anstrich führt sich selbst ad absurdum, wenn der Box-Rentner nach den Willen des Drehbuchs gegen einen durchtrainierten halb so alten Champion konditionell mithalten soll. Das mag mit dem Mythos der Figur und der Reihe kompatibel sein, für sich genommen und als Konklusion der ersten 70 Minuten funktioniert es nicht. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Stallone, der das Kino der Reagan-Ära maßgeblich mitgeprägt hat, die Sache mit der Rückkehr altgedienter Kino-Recken noch einmal überlegt und zumindest seine Ambitionen auf einen vierten Rambo-Film umgehend einstellt.
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Mit dem sechsten Teil der legendären Rocky-Filmreihe meldet sich einer der großen Helden des modernen amerikanischen Kinos zurück aus der Frühverrentung. Sylvester Stallone, obwohl mittlerweile 60 Jahre alt, will als Rocky Balboa seine Fangemeinde und deren Kaufkraft an der Kinokasse reaktivieren.
Comebacks sind per se eine diffizile Angelegenheit, besonders im Boxsport. Das musste erst kürzlich ein bekannter deutscher Schwergewichtler am eigenen Leib erfahren. Die filmische Wiederauferstehung eines wenn auch nur fiktiven Box-Idols dürfte jedoch ein ungleich schwierigeres Unterfangen werden. Am besten fragt man Sylvester Stallone, denn der muss es wissen. Rund drei Jahrzehnte nachdem Rocky (1976) ein Kapitel Kinogeschichte schrieb – der Film gewann drei Oscars und spielte weltweit über 220 Mio. US-Dollar ein - tritt er als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in der prägendsten Rolle seiner Karriere noch ein sechstes Mal an.
Als die Handlung von Rocky Balboa einsetzt, geht der Ausnahmeathlet früherer Tage auf die 60 zu. Er betreibt ein kleines italienisches Restaurant, das davon lebt, dass die Gäste seine Anekdoten aus glorreichen Box-Zeiten hören wollen. Während sein Sohn Robert (Milo Ventimiglia) versucht, aus dem langen Schatten des Vaters herauszutreten und ein eigenständiges Leben zu führen, trauert dieser um seine verstorbene Frau Adrian (Talia Shire). Rocky lebt in der Vergangenheit. Er zehrt von den Erinnerungen, die ihn auch mit seinem Schwager und Weggefährten Paulie (Burt Young) verbinden. Erst nachdem der „virtuelle“ Rocky in einem computersimulierten Kampf den amtierenden Schwergewichts-Weltmeister Mason „The Line“ Dixon (Antonio Tarver) per Knockout besiegt, spürt er, dass die Box-Leidenschaft, die nie wirklich erloschen war, mit aller Macht zurückgekehrt ist. Rocky will es noch einmal wissen.
Stallone vertraut voll und ganz dem Mythos seines Titelhelden und der schon aus dem ersten Rocky-Film bekannten Konstellation „hart arbeitender weißer Working Class-Kämpfer vs. siegessicherer, überheblicher schwarzer Champ“. Diese simplifizierende Rollenverteilung konnte seinerzeit mit dem Amtsantritt Ronald Reagans als Ausdruck eines politischen wie sozialen Klimawandels interpretiert werden. Produktionen wie Rambo (First Blood, 1982) und Conan – Der Barbar (Conan the Barbarian, 1982) spiegelten den Stimmungsumschwung in der Gesellschaft und auf der Kinoleinwand wider. Leichte, eskapistische Kost war gefragt.
Ging es in den früheren Rocky-Filmen teilweise auch um einen Wettstreit der Systeme – das Duell mit dem von Dolph Lundgren verkörperten russischen Boxer Ivan Drago aus Rocky 4 (1985) machte dies offenkundig – so steht wie schon in Teil 5 die Generationenfrage im Zentrum der Neuauflage. Sowohl im direkten Duell mit Dixon als auch in der Nebenhandlung um die vorsichtige Wiederannäherung zwischen Vater und Sohn, rekurriert Stallone auf das Altersmotiv. Daneben beherrscht das Streben nach Selbstachtung, nach Selbstakzeptanz den Subtext des Films. Alt und nutzlos, so will Rocky von niemandem gesehen werden. Schon gar nicht von sich selbst.
Zwar können sich Rocky-Anhänger auf ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern wie Burt Young und Tony Burton freuen und auch Bill Contis legendärer Score untermalt erneut die typische Montage, die das schweißtreibende Training vor dem großen Kampf zusammenfasst, ansonsten ist dieses Mal aber vieles anders. Stallone nimmt mit Teil 6 der Boxsaga eine deutliche Akzentverschiebung vor. Die eigentliche Action im Boxring beschränkt sich auf einen einzigen Kampf während der letzten zwanzig Minuten. Bis dahin ist Rocky Balboa vor allem ein ruhiges, oftmals aufdringlich sentimentales Charakterdrama.
Nostalgische Gefühle evoziert Stallone mit kurzen Einsprengseln und Zitaten aus den Vorgängern. Beides stellt den Film nicht nur in den Zusammenhang der Serie, es dokumentiert auch die lange, dreißig Jahre zurück reichende Historie der Rocky-Figur, die das Prinzip des „Nicht-aufgeben-Wollens“ wie kaum eine andere im amerikanischen Kino repräsentiert. Passend dazu mangelt es nicht an Pathos, wenn Menschen voller Bewunderung den Blick auf die Bilder der TV-Übertragung richten oder Rocky beim Gang durch das Viertel um ein Autogramm bitten. In solchen Augenblicken verschwimmen die Grenzen zwischen dem Filmcharakter und dessen Schöpfer, der es selbst zu einer Ikone – in diesem Fall des Kinos – gebracht hat und dessen Vita untrennbar mit dem Boxer aus Philadelphia verbunden ist. Wir erleben die Geburt eines neuen Rocky-Typus, der ganz nach dem Klischee des „weichen Kerns in harter Schale“ den Tod seiner Frau beweinen darf.
Passend zur neuen Schlichtheit präsentiert sich der Film über weite Strecken in einer einfachen, dunklen und grobkörnigen Verpackung. Keine Hochglanzoptik soll die Härten des Älterwerdens überdecken. Heruntergekommene Häuser und Straßen komplettieren die Ästhetik des langsamen Verfalls. Erst bei dem finalen Boxkampf vor imposanter Kulisse sorgt ein Mix aus hochauflösenden TV-Aufnahmen und digitalen Handkamerabildern für so etwas wie Glamour und Spektakel. Dann will Stallone offensichtlich alles das nachholen, was sich zuvor angestaut hat: Es wechseln sich unscharfe Nahaufnahmen, verschiedene Farbfilter, Gelb-, Blautöne, Flashbacks, Schwarz-Weiss-Impressionen, Zeitlupenaufnahmen im Sekundentakt ab. Stärker könnte der Kontrast zu der übrigen betont unspektakulären Abschiedstournee nicht ausfallen.
Die Befürchtung, Stallone würde mit Rocky Balboa einen Kinohelden der Peinlichkeit eines unwürdigen und überflüssigen sechsten Auftritts aussetzen, bewahrheitet sich, sobald die Opponenten den Ring betreten haben. Der zuvor sorgsam aufgebaute nüchtern-realistische Anstrich führt sich selbst ad absurdum, wenn der Box-Rentner nach den Willen des Drehbuchs gegen einen durchtrainierten halb so alten Champion konditionell mithalten soll. Das mag mit dem Mythos der Figur und der Reihe kompatibel sein, für sich genommen und als Konklusion der ersten 70 Minuten funktioniert es nicht. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Stallone, der das Kino der Reagan-Ära maßgeblich mitgeprägt hat, die Sache mit der Rückkehr altgedienter Kino-Recken noch einmal überlegt und zumindest seine Ambitionen auf einen vierten Rambo-Film umgehend einstellt.
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