Freitag, Januar 19, 2007

Das wilde Leben - Sturm und Drang

D 2006

++1/2

Sie war die Ikone der 68er, obwohl sie in vielen Dingen nicht deren Ideal verkörperte: Uschi Obermaier, das bayerische Fotomodell und berühmteste Groupie der Rockgeschichte, nahm sich Freiheiten heraus, die mit dem vorherrschenden Frauenbild der damaligen Zeit radikal brachen. Mit der bislang vor allem in TV-Serien anzutreffenden Natalia Avelon verfilmten Achim Bornhak und Schlöndorff-Produzent Eberhard Junkersdorf (Die verlorene Ehre der Katharina Blum, Die Blechtrommel) Das wilde Leben der Uschi Obermaier, deren Erinnerungen der Film frei nachempfunden ist.

Filmkritik:

Es war die Enge und Ereignislosigkeit, die den Teenager Uschi Obermaier (Natalia Avelon) zu erdrücken schien. Während sie den Traum hegte, frei und selbstbestimmt wie die Blumenkinder im fernen San Francisco zu leben, musste sie sich stattdessen mit den konservativen Ansichten ihrer Eltern und der tristen Realität im Münchner Stadtteil Sendling herumschlagen. Irgendwann wird es ihr zuviel. Lieber tot als weiter eingesperrt zu sein, schwört sie sich und reist mit einer Freundin per Anhalter nach Berlin. Dort lernt sie Rainer Langhans (Matthias Schweighöfer) und das inzwischen legendäre Projekt der „Kommune 1“ kennen. Doch Uschi merkt schnell, dass sich die philosophischen Diskurse und radikalen Ansichten der Kommune nicht mit ihren Vorstellungen vereinbaren lassen. Vor allem kommt sie nicht damit klar, dass Langhans einerseits die freie Liebe propagiert und gleichzeitig eifersüchtig reagiert, als sie dieses Prinzip ausleben will.

Uschi entscheidet sich für ihre Modelkarriere und die Welt des Rock’n’Roll. Sie lernt Mick Jagger (Victor Norén) und Keith Richards (Alexander Scheer) kennen. Beide können nicht von ihr lassen. Nach einer Weile spürt sie jedoch, dass auch dieses Leben seine Schattenseiten hat. Den anonymen Hotelzimmern kehrt sie den Rücken zu, als sie der Hamburger Kiez-Größe Dieter Bockhorn (David Scheller) begegnet. Mit ihm will sie auf eine abenteuerliche Weltreise gehen.

Es war sicherlich ein Wagnis, die Hauptrolle mit der nur wenig bekannten Natalia Avelon zu besetzen. Gott sei Dank, kann man im Nachhinein nur sagen, besitzt die 26jährige doch nicht nur rein äußerlich eine verblüffende Ähnlichkeit mit „der Obermaier“. Auch in Stimmlage und in ihrem Auftreten kommt sie der 68er-Ikone sehr nahe. Es dürfte sich um keine wagemutige Prognose handeln, wenn man Avelon nach diesem Film eine große Zukunft im Filmgeschäft voraussagt. Überhaupt gehört die Besetzung zu den Trümpfen dieser Produktion. Shooting-Star Matthias Schweighöfer – demnächst als Flieger Manfred von Richthofen in Der rote Baron zu sehen – verkörpert den streitbaren und exzentrischen Rainer Langhans auf eine von dem Original kaum mehr zu unterscheidende Art. Und auch David Scheller, Alexander Scheer und Victor Norén meistern die Schwierigkeit, in die Haut realer Persönlichkeiten schlüpfen zu müssen, die uns zumindest im Fall der beiden Stones aus Tausenden Aufnahmen bekannt erscheinen.

Regisseur und Co-Autor Achim Bornhak – selber Jahrgang 1969 – nähert sich den Lebenserinnerungen der Uschi Obermaier zunächst aus einem merklich ironischen Blickwinkel. Das bedeutet nicht, er würde die Gefühle seiner Protagonisten nicht ernst nehmen oder ihre Motive belächeln, vielmehr nimmt er der 68er-Bewegung vor allem in den Szenen rund um die „Kommune 1“ einen Teil ihrer unnahbaren Aura. Langhans hatte – so wie es Obermaier erfahren musste – letztlich ebenso wie alle anderen mit der Diskrepanz zwischen theoretischem Anspruch und praktischer Umsetzung zu kämpfen.

Erst nachdem das Liebespaar Obermaier und Bockhorn in Richtung Indien aufbricht, ändert sich der Tonfall. Das nostalgisch eingefärbte, anekdotenhafte und deswegen zuweilen etwas oberflächliche Erinnern tritt in den Hintergrund, die Stimmung wird nachdenklicher, erwachsener. Das wilde Leben verwandelt sich in eine straighte Liebesgeschichte. Die Bühne gehört nun ganz den beiden, die gemeinsam die Welt entdecken wollten. Das liest sich spannender, als es tatsächlich ist. Denn Bornhaks Film besitzt seine Stärken weniger im Bereich des Melodramatischen. Ohne ironische Zwischentöne fehlt das Salz in der Suppe. Aufgrund der kurzweiligen ersten Stunde ist dieses Leben aber zumindest einen Blick wert.

Für Programmkino.de.