Samstag, Januar 06, 2007

Sympathy for Lady Vengeance - Point of No Return

ROK 2005

+++1/2

Park Chan-wooks Werke kennen keine Kompromisse. Gegossen in eine atemberaubende Form voller zerbrechlicher Schönheit erzählt Asiens vielleicht zurzeit komplettester Filmemacher Geschichten, die Vergleiche mit antiken Tragödien nicht zu scheuen brauchen. Lady Vengeance schildert das Schicksal von Lee Geum-ja, einer jungen Frau, die zu Unrecht für die Ermordung eines Kindes verantwortlich gemacht wurde. Nach ihrer Haftentlassung macht sie sich auf die Suche nach dem wahren Täter. Parks Lady Vengeance bildet den Abschluss seiner mit Sympathy for Mr. Vengeance begonnenen und dann mit Oldboy fortgeführten Rache-Trilogie. Das Ergebnis berauscht, unterhält, schockiert und macht letztlich wieder einmal sprachlos.

Filmkritik:

Am Anfang steht die Tat. In Lady Vengeance ist es die Entführung und Ermordung eines kleinen Jungen. Obwohl selbst noch gar nicht richtig erwachsen, wird die erst 19jährige Geum-ja (Lee Yeong-ae) wegen dieses schockierenden Verbrechens zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Tatsächlich war sie nur als Komplizin an der Entführung beteiligt. Der eigentliche Mörder blieb dagegen unbehelligt. Mr. Baek (Choi Min-sik) unterrichtete weiter Schulkinder, anstatt für seine Schuld die Verantwortung zu übernehmen. Bereits während der Haft beginnt Geum-ja, einen ausgeklügelten Racheplan auszuarbeiten. Sie will Mr. Baek ausfindig machen und ihn für den Mord zur Rechenschaft ziehen. Unterstützung erfährt sie dabei von vielen ehemaligen Mithäftlingen, die einst ihre Gutherzigkeit und Hilfsbereitschaft erfahren hatten.

„Diese Frau verdient ihre Rache, und wir verdienen unseren Tod!“ heißt es in Quentin Tarantinos Kill Bill. Natürlich sind auch in Lady Vengeance die Grenzen zwischen Gut und Böse klar abgesteckt. Die Tatsache, dass auch die Titelfigur eine Mitschuld zu tragen hat, die sich nicht abwaschen lässt, verleiht Parks Rachemelodram eine für dieses Genre ungewöhnliche moralische Ambivalenz. Wenn Geum-ja in der letzten Szene ihren Wunsch nach Vergebung zum Ausdruck bringt, indem sie das Gesicht in eine selbst gemachte Tofu-Torte drückt, dann zieht nochmals im Zeitraffer Geum-jas Vergangenheit, ihr gesamter Leidensweg an uns vorbei. Es ist einer der stärksten unter vielen starken Momenten.

Wie bereits in Oldboy akzentuiert Park die beinahe epischen Dimensionen der Ereignisse über das Verrinnen wertvoller Lebenszeit. Oh Dae-su wurde 15 Jahre in einem versifften Hotelzimmer gefangen gehalten, eher ihm die Rückkehr in eine vermeintliche Freiheit erlaubt wurde. Geum-ja musste wiederum dreizehn Jahre die Monotonie des Gefängnisalltags erdulden. Parks Protagonisten leiden. Sie erbringen Opfer, die wir uns nicht einmal vorstellen wollen. Durch die Begegnung mit einem Priester findet Geum-ja hinter den hohen Mauern schließlich zu einer neuen Religiosität. Jedenfalls glauben das all diejenigen, die in ihr einen Engel sehen wollen. Die tröstende Vorstellung, sie habe so etwas wie eine heilende Katharsis erfahren, ist nichts weiter als eine bittere Illusion. Die wahre Tragik von Geum-jas Schicksal zeigt sich daran, dass es eine solche Seelenreinigung niemals geben wird.

Zählt Choi Min-sik spätestens seit Oldboy zu den international bekanntesten und renommiertesten Filmschauspielern seines Landes, dürfte Lee Yeong-ae mit der Verkörperung der sphinxgleichen Geum-ja in beiden Punkten zu ihm aufschließen. Gerade weil ihr Charakter zunächst unnahbar und distanziert erscheinen soll, war es wichtig, eine Darstellerin zu finden, die mit zurückhaltenden Blicken und Gesten arbeiten kann. Es ist Lee Yeong-aes Verdienst, dass Geum-jas Kühle und Strenge nie einem tiefen Mitempfinden im Wege steht. Im Gegenteil: Die spärlichen Tränen, die sie weint, treffen einen umso unvorbereiteter.

Man mag Park Chan-wook vorwerfen, er ginge etwas zu selbstbewusst mit den eigenen Fähigkeiten als Regisseur um. Gerade zu Beginn brennt Park ein wahres Feuerwerk aus kunstvollen Überblendungen, Zeitsprüngen, elegischen Kamerafahrten und fast zu Stillleben erstarrten Sets ab. Der ästhetische Genuss schraubt sich in Höhen, die selbst Oldboy nicht erreichen konnte. Nicht immer dient alles zwingend auch dem Plot und Geum-jas Geschichte. Manche Ideen – die surreale Traumsequenz ist hierfür sicherlich das prägnanteste Beispiel – verkommen zu hübsch anzusehenden Randnotizen. Nach rund der Hälfte seiner Laufzeit wandelt sich Lady Vengeance dann jedoch zu einem ruhigen, kontemplativen Drama. Unbeirrt treibt Park den Zuschauer in eine emotionale Sackgasse, aus der es schon per Definition kein Entkommen geben kann.

Erschienen bei Programmkino.de.