Unholy Women - Östrogene Schauermär
JPN 2006
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Das Dunkle und Abseitige in der weiblichen Natur beschäftigte die drei japanischen Regisseure Keita Amemiya, Takuji Suzuki und Keisuke Toyoshima in ihrer Kurzfilmsammlung Unholy Women. Jeder Filmemacher entwickelte auf Basis der recht losen Vorgabe, eine Horror-Geschichte mit einer zentralen Frauenfigur zu inszenieren, eine rund 30minütige Episode. Das Ergebnis fiel – wie bei solchen Projekten üblich – stilistisch und qualitativ recht unterschiedlich aus, wobei sich in der Gesamtschau eher Ernüchterung breit macht.
Der Auftakt mit Keita Amemiyas Beitrag „Das Klappern“ erzählt von einer jungen Frau, die sich nach einem Treffen mit ihrem Geliebten von einem seltsamen Geräusch verfolgt fühlt. Als sie plötzlich ohnmächtig zusammenbricht und kurze Zeit später wieder zu sich kommt, findet sie sich in einem albtraumhaften Szenario wieder. Eine mysteriöse, ganz in Rot gekleidete Killerin, hat es augenscheinlich auf sie abgesehen, wobei das potenzielle Opfer anfangs im Dunkeln über das Motiv der Jägerin tappt. Es entbrennt ein mitunter durchaus spannendes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem Amemiya über weite Strecken den erprobten und daher bekannten Werkzeugen des asiatischen Suspense-Kinos vertraut.
Letzteres erklärt, weshalb einen die Episode trotz ihrer dynamischen und straffen Dramaturgie nicht wirklich bis zum Schluss fesseln kann. Die einzelnen Elemente – angefangen bei den Ringu-typischen kurzen Schreckmomenten bis hin zu den kreidebleichen Geister-Kinder – wurden in den letzten Jahren zu oft zu einem genre-typischen Einheitsbrei zusammengerührt und immer wieder aufgewärmt. Sogar auf die obligatorische Schlusspointe will Amemiya nicht verzichten. An „Das Klappern“ werden sich folglich wohl nur Genre-Neulinge erfreuen können. Allen anderen bleibt auch bei einer Laufzeit von nur rund 30 Minuten der Blick zur Uhr, verbunden mit dem Wunsch, das Gerenne und Geschrei möge bald ein Ende finden.
Da kommt Takuji Suzukis skurriles Date-Movie „Stahl“ gerade recht. Was nach dem eher nüchternen Titel recht unspektakulär klingt, entpuppt sich als grandios durchgeknallter Wahnsinns-Trip auf vielerlei Ebenen. Sekiguchi, ein schüchterner, zurückhaltender junger Mann, wird von seinem Chef zu einem Rendezvous überredet. Er soll mit dessen Schwester ausgehen, was Sekiguchi schon aus Respekt gegenüber seinem Vorgesetzten akzeptiert. Doch was ihn dann erwartet, hätte sich er nicht einmal in seinen verrücktesten Träumen ausmalen können. Denn wo normale Menschen Kopf und Oberkörper haben, befindet sich bei seinem Date ein hässlicher Sack, der an der Hüfte mit einer Kordel zusammengebunden ist. Nur die Beine ragen aus dieser Verpackung heraus und deuten an, dass es sich bei dem seltsamen Wesen tatsächlich um eine Frau handeln könnte.
Was Suzuki aus dieser Konstellation herausholt, muss man gesehen haben, um es zu glauben. Kopfschütteln und ein ungläubiges Staunen werden wohl die häufigsten Reaktionen sein, die sein Film hervorruft. „Stahl“ besitzt in der Interaktion des gegensätzlichen Paares eine verführerische, groteske Faszination. Dabei steht weniger der Thrill-Faktor im Vordergrund, Suzuki vertraut eher dem Spiel mit dem Unvorhersehbaren. Zu jedem Zeitpunkt könnte sich der Plot in unzählige Richtungen entwickeln. Nichts scheint bei ihm undenkbar. Wie sein Landsmann Takashi Miike nimmt sich auch Suzuki alle Freiheiten, um dem Mainstream zu entfliehen. Es ist nicht zuletzt sein absurder Humor, welcher der ansonsten eher braven Unholy Women-Trilogie einen Schuss erfrischender Radikalität verpasst.
Auf den Hochgenuss folgt nicht selten der Kater. So auch hier. Der Abschluss der Unholy Women-Reihe bringt einen jähen Absturz in Punkto Qualität und Ideenreichtum mit sich. Keisuke Toyoshima quetscht für seine Mutter-Sohn-Meditation nahezu jedes erdenkliche Klischee des modernen asiatischen Horrorfilms aus. Konnte schon „Das Klappern“ die enge Anlehnung mit Werke wie The Grudge oder Ringu nicht leugnen, so erscheint Toyoshimas „Erbschaften“ wie eine lustlose Kopie der erfolgreichen Originale. Ein kleiner Junge muss feststellen, dass sich seine Mutter nach einem Umzug aufs Land zunehmend seltsam benimmt. Auch die Großmutter macht ihm Angst. Das Kind ahnt, dass in der Vergangenheit etwas Schreckliches vorgefallen sein muss.
Vor 10 Jahren hätte man sicherlich noch gebannt dem morbiden Treiben im Haus der Drei-Generationen-WG zugesehen, doch im Jahr 2007 kann einem Toyoshima kaum noch einen echten Schrecken einjagen. Die kurzen Schocks – Achtung! Geisterkind im Anmarsch! – kommen geradezu mechanisch wie auf Knopfdruck daher und die Auflösung bedient sich zu allem Überfluss bei den gängigen küchenpsychologischen Erklärungen. Leider ist auch der Weg dahin zugepflastert mit langweiligen und langatmigen Szenen. Spannung will keine aufkommen. Das einzige Gefühl, was Toyoshima erzeugt, ist Verwunderung. Man wundert sich, wer nach Meinung des Regisseurs für den kruden Plot überhaupt noch Interesse aufbringen kann. Selbst unter dem Deckmäntelchen der „Hommage“ lässt sich das Ganze nur schwer verkaufen. „Erbschaften“ verkörpert Ödnis in Perfektion.
Gäbe es nicht Suzukis „Stahl“, das Experiment Unholy Women liefe bereits mit dem Abspann Gefahr, in Vergessenheit zu geraten. Dank Suzuki bleiben einem dann doch einige absurde Momente in Erinnerung. Sie deuten an, was eine experimentierfreudigere Regie aus der Grundidee alles hätte rausholen können.
Für BlairWitch.de.
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