Sonntag, August 30, 2009

Julie & Julia - Die Meryl-Streep-Show


USA 2009

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Wer bislang glaubte, Jaime Oliver oder Martha Stewart hätten das Kochen vor einer Fernsehkamera erfunden, den belehrt Nora Ephrons kulinarische, locker-leichte Sommerkomödie Julie & Julia eines Besseren. Bereits in den 1960-er Jahren löste die temperamentvolle Julia Child in den USA eine kleine Kochrevolution aus. Zu diesem Zeitpunkt war ihre Abhandlung über die Haute Cuisine längst ein Besteller. Fünf Jahrzehnte später versucht sich eine New Yorker Hobbyköchin an deren Rezept-Almanach. Ihre Erfahrungen hält sie in einem Internet-Blog fest.

Filmkritik:

Dass ein Film auf einer wahren Begebenheit beruht, ist im heutigen Hollywoodkino keinesfalls eine Seltenheit. Dass sich ein Film wiederum gleich zwei wahre Geschichten zum Vorbild nimmt jedoch sehr wohl. Nora Ephron verknüpft in ihrer neuen Arbeit zwei gegensätzliche Frauen-Portraits zu einem einzigen Loblied auf den Genuss des Essens, des Kochens und des sinnlichen Erlebens. Mit ihrem inzwischen zum Kochbuchklassiker geadelten Standardwerk „Mastering the Art of French Cooking“ revolutionierte die amerikanische Autorin und spätere TV-Moderatorin Julia Child (Meryl Streep) in den 1950-er Jahren die Kochkultur jenseits des Atlantiks.

Knapp fünf Jahrzehnte später sucht die engagierte, aber zunehmend frustrierte Sachbearbeiterin Julie Powell (Amy Adams) nach einem Ausgleich für ihren oftmals ermüdenden Bürojob. Aus ihrer Leidenschaft für das Kochen entwickelt sie die ungewöhnliche Idee, Julia Childs Rezepte – immerhin 524 an der Zahl – innerhalb eines Jahres nachzukochen und über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in einem Internet-Blog (Überschrift: „The Julie/Julia-Project“) zu berichten. Schon bald verfolgt eine wachsende Schar treuer Leser mit Begeisterung Julies nicht immer unfallfreie Auseinandersetzung mit der Welt der Haute Cuisine. Dabei fühlt sie sich Julias einzigartiger Philosophie des Kochens und ihrer sehr speziellen Leidenschaft für gutes Essen mit jedem Rezept ein Stück mehr verbunden. Fast scheint es, als würden beide Frauen über Zeit und Raum miteinander kommunizieren.

Julie & Julia zelebriert den Genuss in jeder Szene. Wenn nicht gerade gekocht, Zutaten eingekauft oder Rezepte gewälzt werden, kann man sicher sein, dass der Tisch gedeckt und das zuvor Erkochte bereits im nächsten Moment verzehrt wird. Es erscheint daher nicht unbedingt empfehlenswert, sich Nora Ephrons Ode an die hohe französische Kochkunst mit hungrigen Magen anzusehen. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass man vorzeitig das Kino verlässt, um sich den eigenen kulinarischen Genüssen hinzugeben (was ausnahmsweise eher für als gegen den Film spricht). Vor allem das Paris der Fünfziger Jahre erscheint bei Ephron wie eine einzige, überdimensionale Speisekammer, bis an den Rand gefüllt mit allerlei Köstlichkeiten und liebevoll überzeichneten Klischees des nicht nur von vielen Amerikanern verklärten „Savoir Vivre“.

In dieser malerischen Kulisse erleben wir eine aufgedrehte, wieder einmal hinreißende Meryl Streep, die mit entwaffnendem Witz und Temperament den Film kurzerhand in eine One-Woman-Show verwandelt. Gegen sie und ihre bereits für einen Oscar gehandelte Vorstellung kommt niemand wirklich an, auch nicht Amy Adams, deren Filmfigur im hektischen New York gegen einen bisweilen ungeliebten Job, kleinere Beziehungskrisen und die eigene Antriebslosigkeit ankämpfen muss. Allenfalls Stanley Tucci als Julias geduldiger Ehemann Paul kann der temperamentvollen Streep hier und da Paroli bieten. Aber selbst seine Rolle ändert noch lange nichts an der Tatsache, dass Julie & Julia ganz eindeutig ihr Film ist. Wie zum Beleg dafür gehört Julia und nicht Julie das letzte Bild. Es zeigt ihre Küche, in der sie wie eine Naturgewalt wirkte.

Die Stärken von Ephrons dekaden- und generationenübergreifendem Frauen-Portrait liegen abseits einer Meryl Streep in den erfrischend trockenen und schlagfertigen Dialogen. Die gerade zum Ende hin für den Erzählfluss eher hinderlichen Ausflüge auf das Terrain der romantischen Komödie sind dagegen in ihrer Mehrheit entbehrlich, wenngleich die Intention dahinter durchaus erkennbar wird. Nicht wenige dürften beim Namen Nora Ephron zunächst an moderne Kuschel-Klassiker wie Schlaflos in Seattle und E-Mail für Dich denken. Auch diese Zuschauer sollen offenkundig zufrieden gestellt werden. Das Ergebnis entspricht einer durchweg vergnüglichen, angepassten Komödie über eine alles andere als angepasste Persönlichkeit.

Für Programmkino.de.

1 Comments:

Blogger Sophie said...

Echt eine schöne Kritik, gefällt mir :)
Hab den Film bei der Vorpremiere im August gesehen und war gleich begeistert. Aber immer wenn Amy kam, wollte ich wieder Meryl sehen.
Sie hat für diesen Film zu Recht viele Preise erhalten und eine Oscarnominierung ist auch nicht ausgeschlossen...

Januar 31, 2010 1:07 AM  

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