Sonntag, August 23, 2009

Beim Leben meiner Schwester - Betroffenheitskino


USA 2009

+1/2

Seit dem Alzheimer-Drama Wie ein einziger Tag eilt Nick Cassavetes der Ruf voraus, weder vor rührseligem Kitsch noch vor manipulativen Herzschmerz-Schicksalen zurückzuschrecken. Wie zum Beweis dieser These geizt auch sein neuer Film nicht mit emotionalen Ausnahmemomenten. Beim Leben meiner Schwester erzählt mit großem Star-Aufgebot (u.a. Cameron Diaz, Alec Baldwin, Abigail Breslin) die Geschichte eines an Leukämie erkrankten Mädchens und ihrer verzweifelten Eltern.

Filmkritik:

Sara (Cameron Diaz) ist eine erfolgreiche Anwältin, ihr Mann Brian (Jason Patric) ein hohes Tier bei der Feuerwehr von Los Angeles. Auf den ersten Blick scheinen die Fitzgeralds sämtliche Erwartungen an die amerikanische Vorzeigefamilie zu erfüllen. Das Paar kann sich nicht nur über ein schickes Zuhause sondern auch über drei eigene, wohl erzogene Kinder freuen. Dass die Wahrheit indes eine andere ist, zeigt sich recht bald. Denn Katie (Sofia Vassilieva), die Ältere der beiden Fitzgerald-Schwestern, ist seit frühester Kindheit schwer krank. Seinerzeit diagnostizierten die Ärzte Leukämie bei dem kleinen Mädchen. Da weder Katies Eltern noch ihr Bruder Jesse als geeigneter Blut- und Knochenmarkspender in Frage kommen, fassen Sara und Brian einen moralisch wie ethisch zumindest fragwürdigen Entschluss. Mittels künstlicher Befruchtung wollen die Eltern noch ein drittes Kind bekommen, das über den genetischen Fit einmal zu Katies Lebensretter werden soll.

Und so erblickt Anna (Abigail Breslin) das Licht der Welt. Zu ihrer älteren, kranken Schwester hat sie ein inniges und äußerst liebevolles Verhältnis. Dass sie regelmäßig Blut oder Knochenmark spenden muss, daran hat sich Anna längst gewöhnt. Als man jedoch von ihr verlangt wird, eine Niere zu spenden, weigert sie sich. Sie hat es satt, dass andere über ihren Körper wie über ein menschliches Ersatzteillager verfügen. Mit Hilfe eines erfahrenen Rechtsanwalts (Alec Baldwin) will sie gegen die eigenen Eltern ihr Recht auf medizinische Emanzipation und Selbstbestimmung einklagen.

Nick Cassavetes, Sohn des berühmten John Cassavetes, gilt seit dem Alzheimer-Drama Wie ein einziger Tag als Experte für tränenreiche Herzschmerz-Geschichten. Dieses Mal adaptierte und inszenierte er einen Roman der amerikanischen Bestseller-Autorin Jodi Picoult – beides allerdings mit recht mäßigem Erfolg. So krankt auch Beim Leben meiner Schwester an ähnlichen Misstönen wie sein vorletzter Film. Cassavetes hält augenscheinlich immer noch nichts von subtilen Schicksalsschilderungen oder einer zurückhaltenden Erzählweise. Dem beispielsweise von Eastwood perfektionierten Prinzip der Steigerung durch Zurücknahme setzt er manipulativen Gefühlskitsch entgegen. Am deutlichten wird das während der zahlreichen Montagen, die mittels eines redundanten Musikeinsatzes die Geduld des Zuschauers recht bald auf eine harte Probe stellen. Immer wenn Cassavetes nichts mehr einzufallen scheint, greift er auf dieses vermeintlich erprobte Stilmittel zurück.

In einzelnen Rückblenden beleuchtet der Film Katies Leidensgeschichte, ihr Verhältnis zu Anna und den generellen Umgang der Familie mit der schrecklichen Diagnose. Dabei wird, wie nicht anders zu erwarten, viel zusammen gelitten und geweint. Einen Ausgleich hierzu bilden die heiteren Einschübe, in denen vor allem Little Miss Sunshine Abigail Breslin ihren kindlichen Charme spielen lassen und gleichzeitig ihr komödiantisches Talent unter Beweis stellen darf. Immerhin: Nicht jede dieser Episoden ist Cassavetes misslungen. Die kurze, schüchterne Romanze zwischen Katie und einem ebenfalls krebskranken Jungen (Thomas Dekker), zählt mit Sicherheit zu den Höhepunkten dieser ansonsten entlarvend schematischen Betroffenheitsstudie.

Für Programmkino.de.