Freitag, Juli 24, 2009

Erzähl mir was vom Regen


F 2008

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Das kreative Schauspieler-Autoren-Ehepaar Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri steht erneut in einem Film gemeinsam vor und hinter der Kamera. Erzähl mir was vom Regen erzählt von einer idealistischen Politikerin, die beim Besuch ihrer Familie in einem kleinen südfranzösischen Dorf auf vielfältige Beziehungsprobleme und Vorurteile trifft. Ihr kurzweiliges Ensemblestück lebt von schnellen Wortgefechten und ironischen, bisweilen gar zynischen Bebachtungen des bürgerlichen Milieus.

Filmkritik:


Südfrankreich. Gemeinhin verbindet man mit dieser Gegend flirrend-heiße Sommertage, idyllische Landschaften, gutes Essen und noch bessere Weine. Zumindest die Sache mit dem perfekten Sommer-Wetter scheint in Agnès Jaouis melancholischer Komödie Erzähl mir was vom Regen durchaus verbesserungswürdig. Denn statt strahlendem Sonnenschein erwartet uns und die Protagonisten ein eher trübes Grau und statt einer erholsamen Urlaubsatmosphäre beherrschen alte Konflikte und Spannungen den Fortgang der Ereignisse. Diese wurden von Jaoui und ihrem Co-Autor Jean-Pierre Bacri jedoch in höchst ironische, pointierte Dialoge verpackt, mit dem Ergebnis, dass Schwermut und Tristesse letztlich nur sehr begrenzt die Tonalität ihres Films bestimmen.

Im Zentrum der Geschichte steht die erfolgreiche Autorin und engagierte Feministin Agathe (Agnès Jaoui). Auf die emanzipierte Frau wartet demnächst eine neue Aufgabe – in der Politik. Im Rahmen ihres Wahlkampfes reist sie auch nach Südfrankreich und dort ausgerechnet an den Ort ihrer Kindheit, wo sie für einige Tage ihre Schwester Florence (Pascale Arbillot) und deren Familie besucht. Während dieser Zeit lässt sie sich von einem Fernsehteam begleiten, das mit ihr eine Reportage über starke, erfolgreiche Frauen plant. Was Agathe zunächst nicht ahnt: Ihre Schwester hat schon eine ganze Weile ein außereheliches Verhältnis. Michel (Jean-Pierre Bacri), ihr Geliebter, ist Journalist und zugleich derjenige, der Agathe interviewen soll.

Doch bei dieser einen Verwicklung bleibt es nicht. Michels Partner Karim (Jamel Debouzze) begegnet Agathe zunächst mit Argwohn und Skepsis. Ihm missfällt, dass seine inzwischen siebzigjährige Mutter immer noch als Haushälterin für Agathes Familie arbeitet. Als Sohn algerischer Einwanderer fühlt sich Karim zudem aufgrund seiner Hautfarbe oftmals benachteiligt und rassistischen Anfeindungen ausgesetzt. Dennoch hält er unbeirrt an seinem großen Traum fest. Eines Tages will er als Filmemacher arbeiten und mit anspruchsvollen Dokumentationen seinen Lebensunterhalt verdienen. Bis es allerdings soweit ist, hält er sich mit einem eher anspruchslosen Rezeptionisten-Job in einem kleinen Hotel über Wasser. Obwohl auch er verheiratet ist, lässt er sich während der Arbeit immer wieder auf einen Flirt mit seiner Kollegin Aurélie (Florence Loiret-Caille) ein.

Für Erzähl mir was vom Regen entfloh Agnès Jaoui der großstädtischen Hektik der Seinemetropole Paris. Ziel ihres Ausbruchsversuchs war die südfranzösische Provinz. Auch dort dreht sich erwartungsgemäß wieder einmal (fast) alles um die Sorgen, Wünsche und Beziehungsprobleme bürgerlicher Intellektueller. Agathes gesamte Familie ist gut situiert, angesehen und gebildet. Allein Karim und dessen Mutter nehmen diesbezüglich eine Sonderrolle ein, da ihnen eine andere kulturelle Sozialisation zuteil wurde und sie nicht in das vordefinierte bürgerliche Raster passen. Über ein dichtes, wechselseitiges Beziehungsgeflecht ist jeder gleichwohl mit dem Anderen verbunden, was erklärt, wieso Jaouis Film in seiner Struktur stark einem klassischen Ensemblestück ähnelt. Agathe ist hierbei der Fixpunkt, auf den alle Episoden zulaufen und der die an sich wenig spektakuläre Handlung wie eine unsichtbare Klammer umschließt.

Verglichen mit den früheren Werken des Schauspieler-Autoren-Ehepaars Jaoui/Bacri erscheint der Humor dieser südfranzösischen Landpartie wesentlich direkter, vorherrschender aber auch trivialer. Nicht selten zieht ihr Film gerade aus der Überzeichnung bestimmter Klischees wie die des wortkargen Bauers seinen Witz. Selbst für harmlose Albernheiten (Stichwort: Kiffen) zeigen sich Jaoui und Bacri empfänglich. Wieder aufgewogen werden solch eher zweifelhaften Entscheidungen von den treffsicheren, verspielten Dialogen, die zumeist souverän zwischen Selbstironie und Zynismus variieren. Dass im Hintergrund derweil komplexe, ernste Themen verhandelt werden – unter anderem werden einseitige Abhängigkeiten, angstbesetzte Lebensentwürfe und tief sitzende Vorurteile seziert – fällt so richtig erst viel später auf.

Für Programmkino.de.