Samstag, Juli 18, 2009

Salami Aleikum - Lust am Experiment


D 2009

++1/2

Mehr als nur einen Kulturschock erlebt ein junger Deutsch-Iraner, als er im tiefsten Ostdeutschland auf die Liebe seines Lebens trifft. Nach der preisgekrönten Dokumentation Lost Children gibt der ebenfalls aus dem Iran stammende Filmemacher Ali Samadi Ahadi mit der turbulenten, fantasiereichen Culture-Clash-Komödie Salami Aleikum sein Debüt im fiktionalen Fach. Ahadis Film versteht es trotz mancher Albernheiten und vorhersehbarem Ablauf gut zu unterhalten.

Filmkritik:

Nach dem Fall der Mauer standen sich hierzulande Wessis und Ossis zumeist recht unvorbereitet gegenüber. Die Vorurteile waren groß, das Misstrauen ebenso. Während Politiker nicht müde wurden, an den deutsch-deutschen Gemeinsinn zu appellieren, klaffte zwischen Wunsch und Realität nicht selten eine gewaltige Lücke. Wenn schon der gemeine Wessi seinen Landsmann aus dem Osten bisweilen nicht versteht und umgekehrt, wie soll sich dann erst ein Immigrant, jemand aus einem ganz anderen Kulturkreis, bei uns zurechtfinden? Ali Ahadis Culture-Clash-Komödie Salami Aleikum versucht sich an einer Antwort. Darin strandet ein junger Iraner aus Köln in der ostdeutschen Provinz, wo er nicht nur auf einen sehr eigenen Menschenschlag sondern auch auf seine große Liebe trifft.

Ahadi weiß, wovon er spricht. Bereits als Kind kam der heutige Wahl-Kölner ohne seine Eltern aus dem Iran nach Deutschland. Den kulturellen Background teilt er sich mit seiner Hauptfigur Mohsen (Navid Akhavan), wobei er diese trotz mancher autobiographischer Züge nicht als sein Alter Ego verstanden wissen will. Im Gegensatz zu Ahadi lebt Mohsen noch mit Ende 20 bei den Eltern. Der eigene Vater (Michael Niavarani), der in der Domstadt eine Metzgerei betreibt, hält ihn für einen Versager. Dass der schüchterne Deutsch-Iraner kein Blut sehen kann, sich immerzu in wilde Tagträume flüchtet und in seiner Freizeit bevorzugt strickt, lässt sich zugegeben auch nur schwer dem stolzen Familienoberhaupt vermitteln.

Als Mohsen endlich die Gelegenheit erhält, seinem Vater das Gegenteil zu beweisen und den elterlichen Betrieb zu retten, landet er auf Umwegen in einem kleinen, verschlafenen Ort namens Oberniederwalde. Das liegt irgendwo im tiefsten Ostdeutschland. Seit der Wende und dem Aus für den ortsansässigen volkseigenen Betrieb „Textile Freuden“ ist mit Oberniederwalde nicht mehr wirklich viel anzufangen. Ausländern wie Mohsen begegnet man dort mit Argwohn und äußerster Zurückhaltung – bestenfalls. Da erscheint es nicht ganz unproblematisch, wenn sich der Neuankömmling Hals über Kopf in die Tochter des Kneipenwirts (Wolfgang Stumph) verliebt. Ana (Anna Böger) ist groß, blond, stark, selbstbewusst und somit das genaue Gegenteil von Mohsen.

Ahadi entwickelt aus einer simplen Orient-trifft-Okzident-Konstellation eine überaus farbenfrohe, verspielte Komödie mit einer Vielzahl von innerdeutschen Bezügen. Schon in den ersten Minuten wird klar, dass sich Ahadis Film zumindest in der Art der Präsentation von den meisten anderen Multikulti-Geschichten grundsätzlich unterscheidet. Statt in Köln oder der ostdeutschen Provinz wähnt man sich bisweilen in einem Traum aus 1001er Nacht. Um den Zuschauer unmittelbar am Seelenleben seiner Protagonisten teilhaben zu lassen, erhalten deren Hoffnungen und Wünsche eigene kleine Bühnen, auf denen sich plötzlich alles um eine verrückte Idee oder einen lange Zeit unerreichbaren Traum dreht. Während sich Mohsen eine gemeinsame Zukunft mit Ana als Episode aus einem Bollywood-Film ausmalt, sehnt Anas Vater den Glanz alter sozialistischer Textil-Herrlichkeit herbei.

Für Ahadi scheinen indes keine stilistischen Grenzen zu existieren. Egal ob orientalische Musik- und Tanzeinlagen, Märchenreflexionen, Klamauk, Slapstick oder animierte Wollfiguren, als Zuschauer muss man im Verlauf dieser 102 Minuten einfach auf alles gefasst sein. Die ungebremste Lust am Experiment ist dann auch die größte Stärke eines Films, der in seiner überdrehten Rastlosigkeit bisweilen die eigentliche Geschichte aus den Augen verliert. Dass diese praktisch im Autopilot-Modus auf ein absehbares Über-Happy-End zusteuert, das kann Salami Aleikum letztlich mit keinem noch so ausgefallenen inszenatorischen Gimmick kaschieren. Überraschungen finden sich dafür ganz woanders. Kaum jemand hätte erwartet, dass Ahadi nach der preisgekörnten Dokumentation Lost Children über afrikanische Kindersoldaten in seinem Spielfilmdebüt einen strickenden Metzgersohn auf eine ostdeutsche Ex-Kugelstoßerin treffen lässt.

Für Programmkino.de.