Donnerstag, Dezember 03, 2009

Saw VI - Fleisch im Sonderangebot


USA 2009

+1/2

Bisweilen geht es einem wie Bill Murray in „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Man wähnt sich in einer Zeitschleife, wenn pünktlich zu Halloween ein neuer Saw die Kinosäle wie selbstverständlich in Beschlag nimmt. Das halbe Dutzend ist inzwischen erreicht und mit dem bereits als 3D-Version angekündigten siebten Teil verschiebt sich das Finale des Franchise zumindest um ein weiteres Jahr, wobei auch das längst nicht das Aus des Jigsaw-Mythos’ bedeuten muss. Zwar eröffnete Teil VI zuletzt deutlich unter seinen Vorgängern, doch das mag vor allem dem Phänomen Paranormal Acitivity geschuldet sein. Beide Filme sprechen ein recht ähnliches Zielpublikum an. Sollten die Einnahmen dauerhaft zurückgehen, kann Lionsgate immer noch auf die kostengünstigere Direct-to-DVD-Variante umsteigen und gleich für den Heimkinomarkt produzieren. Eine so bekannte Marke verkauft sich dort praktisch wie von selbst.

Auch wenn gerade einmal ein Jahr seit Saw V vergangen ist, lassen die seit dem vierten Teil hauptverantwortlichen Autoren Marcus Dunstan und Patrick Melton das Vorgänger-Finale zunächst kurz Revue passieren. Schließlich soll der Übergang zwischen den Folgen möglichst fließend verlaufen und der Zuschauer nicht die Orientierung verlieren.

Am Ende von Saw V landete Special Agent Strahm in der Falle des folgsamen Jigsaw-Schülers Detective Hoffman (Costas Mandylor). Die von ihm konstruierte Menschenpresse verarbeitete Strahm in einen unansehnlichen Fleischklumpen - sehr zur Freude seines Peinigers. Für diesen gibt es auch in Teil VI einiges zu tun. Einerseits muss sich Hoffman mit seinem Vorgesetzten (Mark Rolston) und Strahms misstrauischer, wieder genesener Kollegin Agent Perez (Athena Karkanis) herumschlagen, während gleichzeitig ein neuer „Job“ auf ihn wartet. Die Instruktionen erhält er von Johns/Jigsaws Witwe Jill (Betsy Russell), die ihm fünf Umschläge mit den Identitäten seiner neuen Opfer übergibt. Diese hatte Jigsaw kurz vor seinem Tod noch eigenhändig ausgewählt. Nun soll Hoffman das Werk des berühmt berüchtigten Puzzle-Psychopathen in bewährter Fallensteller-Manier vollenden.

Das Interessanteste an Saw VI ist noch, dass Wirtschaftskrise und Kapitalismuskritik Einzug in das Jigsaw-Universum gehalten haben. Das Autoren-Duo scheucht dieses Mal keine Selbstmörder oder Junkies durch die engen Gitterkäfige, vielmehr haben es Jigsaw und sein Vollstrecker auf Kreditsachbearbeiter und den Vizepräsident einer privaten Krankenversicherung abgesehen. Letzterer hatte zuvor Johns Gesuch auf Kostenübernahme einer neuartigen Krebstherapie abgelehnt. Diese Entscheidung kommt ihm nun teuer zu stehen. Weil er in seinem Job täglich „über Leben und Tod entscheidet“ (O-Ton Jigsaw), darf er nun auch auf einer überdimensionierten Folteranlage seine Eignung unter Beweis stellen.

Das vermeintliche Establishment des Raubtierkapitalismus hat in diesem sechsten Saw wahrlich nichts zu lachen. Dummerweise gestaltet sich die gesamte Veranstaltung für den Zuschauer auch nur unwesentlich unterhaltsamer. Zwar halten sich die körperlichen Schmerzen in Grenzen - an die Folterspielchen und den Metall-Fetischismus der Serie hat man sich schließlich gewöhnt -, dafür führt das redundante Fallenstellen mitsamt der unter Zeitdruck zu absolvierenden Prüfungen zu ermüdenden Déjà-vus, die durch unzählige Rückblenden sogar noch zusätzlich befeuert werden. Wurden die Flashbacks in Teil V mitunter sehr geschickt in den Plot eingefügt, griffen die Autoren hier nicht selten auf die Brechstangen-Methode zurück. Fast müßig zu erwähnen, dass sich Jigsaws ach so intelligenter Masterplan ohnehin längst in Sphären bar jeder Glaubwürdigkeit und Plausibilität bewegt.

Der Niedergang der einst für eine ganze Armada an Torture-Porn-Rip-Offs verantwortlichen Serie zeigt sich nicht zuletzt an der Konstruktion der einzelnen Folterapparaturen. Die Idee, das eine oder andere Körperteil zu opfern, um am Ende zu überleben, wurde im Verlauf der sechs Teile inzwischen unzählige Male durchgekaut. Ob Arm, Bein oder ein Stück Fleisch aus der Hüfte, alles, was nicht zwingend gebraucht wird, haben sich Jigsaws Opfer mittlerweile abgeschnitten und so kann selbst das in der Einleitung mit gewohnter Blutlust zelebrierte Duell Saw-Kenner kaum mehr schocken. Dass es überhaupt zu diesen Abstumpfungsreaktionen kommen kann, hat man sich jedoch selbst zuzuschreiben. Wenn ein Film seine Charaktere wie Laborratten behandelt, ist ein solches Ergebnis nicht verwunderlich.

So schematisch und öde wie der nun vorliegende sechste Teil hat noch kein Saw zuvor seine zumindest finanziell überaus einträgliche Dramaturgie aus gorigen Foltereinlagen, belehrendem Jigsaw-Geschwafel und eigener Nabelschaub abgespult. Da passt es irgendwie ins Bild, wenn sogar die für die Reihe ebenso obligatorischen Plot-Twists keine wirklichen Überraschungen mehr beinhalten. Nur derjenige, der letztlich in die Falle tappt, ist wie immer ahnungslos. Das Mitleid des Zuschauers dürfte sich allerdings auch mit diesem Versuchskaninchen sehr in Grenzen halten.

Für BlairWitch.de.