In meinem Himmel - Viel Lärm um (fast) Nichts
USA/GB/NZL 2009
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Peter Jackson schießt bei Kitsch und Pathos gerne über das Ziel hinaus. Was in einer gigantischen Fantasy-Welt wie Mittelerde oder in einem Film über einen einsamen Riesenaffen jedoch nicht weiter auffällt oder stört, wird in einer kleineren, intimeren Geschichte schnell zum entscheidenden Stolperstein. Den Beweis tritt Jackson nun mit der ambitionierten Romanverfilmung In meinem Himmel an. Diese schildert die Vergewaltigung und Ermordung eines 14-jährigen Mädchens in einer Kleinstadt in Pennsylvania zu Beginn der 1970er Jahre.
Susie (Saoirso Ronan) ist ein ganz normaler Teenager. Sie kabbelt sich mit ihren Eltern (Mark Wahlberg, Rachel Weisz) mitunter über Kleinigkeiten und ist von deren Ansichten auch schon mal genervt. Und sie ist verliebt – in einen Jungen aus der Oberstufe. Doch noch ehe die schüchterne Romanze überhaupt beginnen kann, widerfährt Susie unvorstellbar Schreckliches. Auf ihrem Nachhauseweg von der Schule wird sie von einem Nachbar angesprochen und in ein unterirdisches Versteck gelockt. Als sie bemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt und sie wieder gehen will, ist es bereits zu spät.
Die Eltern alarmieren in Sorge um ihre Tochter noch am selben Abend die Polizei. Aber auch die Ermittler finden auf dem nahegelegenen Maisfeld nur einige Kleidungsstücke und Blut. Susie indes bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Es vergehen Wochen und Monate, in denen die Familie allmählich versucht, den Gedanken an Susies Tod zuzulassen. Vor allem der Vater will und kann sich mit der Situation jedoch nicht abfinden. Er sucht nach Anhaltspunkten und Indizien, wer seine Tochter umgebracht haben könnte. Die Mutter verlässt schließlich das mit unzähligen Erinnerungen an Susie verbundene Zuhause - nichtahnend, dass der Mörder die ganze Zeit in der unmittelbaren Nachbarschaft lebte.
Die Geschehnisse in der Familie, ihr Umgang mit Verlust und Trauer, bilden gleichwohl nur einen von zwei elementaren Handlungssträngen. Der andere führt uns ins Reich des Übernatürlichen und Übersinnlichen. Im Film ist von einer Zwischenwelt die Rede, in der die Toten vor ihrer endgültigen Abreise in den Himmel einen nicht ganz freiwilligen Stopp einlegen. Von dort aus blickt auch Susie auf die Erde und ihre Familie herab. Bisweilen gelingt es ihr sogar, mit ihrem Vater oder ihren Geschwister Kontakt aufzunehmen.
Bei Peter Jackson ähnelt diese Zwischenwelt einem verkitschten Mix aus Herr der Ringe-Postkartenmotiven und dem Werbefernsehen der achtziger Jahre. Die goldenen Felder, die Susies Ankunft im „richtigen“ Himmel umrahmen, wecken gar Erinnerungen an einen legendären Spot für Malzkaffee. Fast meint man, Volker Lechtenbrink singen zu hören.
Der technische Aufwand, den die Installation dieses Paralleluniversums verschlungen hat, sieht man den Bildern zwar an, leider überdeckt die zuckersüße Künstlichkeit dieser Szenen jedes Gefühl für Susie und ihr tragisches Schicksal. Auch der Trauerprozess der Hinterbliebenen bleibt seltsam schematisch und emotionslos. Jeder verhält sich exakt so, wie man es nach den ersten Minuten von ihm erwarten konnte. Der Vater randaliert, die Mutter resigniert, die jüngere Schwester spekuliert (über die Identität des Mörders). Spannend oder interessant ist diese oberflächliche Sektion einer aus dem Gleichgewicht geratenen Familienidylle daher lediglich in Ansätzen. Zu allem Überfluss meint Jackson, das dunkle Grundgerüst bisweilen in eine groteske Komödie umbauen zu müssen. So ist Susan Sarandons Auftritt ein einziger plumper Comicrelief.
Stanley Tucci, der Susies Mörder verkörpert, interpretiert das zu Tode gefilmte Klischee vom biederen, unauffälligen Nachbar auf seine Weise. Hinter dem unvorteilhaften Kassengestell des handwerklich überaus begabten Saubermanns lauert ein Monster, das sich bei seinen tödlichen Streifzügen von nichts und niemandem aufhalten lässt. Die Genauigkeit und Präzision, mit der das Böse hier operiert, fasziniert und verstört zugleich. Völlig zu recht wurde Tucci für diese couragierte, uneitle Leistung erst kürzlich mit einer Oscar-Nominierung bedacht.
Auf diese mag auch Jackson geschielt haben. Doch dafür ist sein Film letztlich viel zu nichtssagend. Zudem trägt In meinem Himmel in jeder erdenklichen Hinsicht zu dick auf. Die schmachtenden Blicke zwischen Susie und ihrer großen Liebe gehören entweder in eine Daily Soap oder in eine High-School-Komödie aber gewiss nicht in einen ambitionierten Fantasy-Thriller. Gänzlich misslungen ist die visuelle Umsetzung der Zwischenwelt, die bis zum Schluss wie ein störender, weil unfreiwillig komischer Fremdkörper erscheint. Das vorliegende Ergebnis schmerzt aber besonders, wenn man weiß, dass Jackson nicht immer ein solch kühl kalkulierender Effekt-Gigantomane war. Mit der düsteren Coming-of-Age-Geschichte Heavenly Creatures gelang ihm ein Meisterstück, das die Gefühlswelt seiner jugendlichen Protagonisten nicht in fantasielose Märchenbilder übersetzte. Bleibt zu hoffen, dass er zu dieser Form eines Tages wieder zurückfindet.
Für BlairWitch.de.
3 Comments:
Ja, eine schöne Kritik, der ich nur zustimmen kann. Der "Heavenly Creatures" PJ hätte da mehr draus gemacht.
Moin,
kann mich moviescape nur anschließen, sehr treffende Kritik. Die Story versprach weit mehr, als der Film schließlich rüber bringen konnte, es war von nix was komplettes, keine richtige Komödie, kein richter Thriller, kein richtiges Drama.
gruß
Battscho
Ich kann die Kritik überhaupt nicht nachvollziehen. Ich fand den Film keineswegs übertrieben, aber man benötigt schon etwas Fantasie und Einfühlungsvermögen um sich darauf einzulassen.
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