The Crazies - Verseuchtes Idyll
USA 2010
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Der Schein trügt. Vor allem im Horrorfilm. Dort, wo alles zunächst friedlich und wie aus dem Bilderbuch erscheint, ist das Grauen meist nicht fern. So auch in Ogden Marsh, dieser kleinen Gemeinde im ländlichen Iowa, wo jeder jeden kennt und der Sheriff sein Büro am Wochenende mangels Arbeit lieber gleich ganz geschlossen lässt. Breck Eisner, Sohn des früheren Disney-Chefs Michael Eisner, schlägt für die von ihm verantwortete Neuinterpretation des George A. Romero-Klassikers The Crazies in dieser genuin amerikanischen Kleinstadtfantasie seine Zelte auf. Und er fackelt nicht lange, um mit dem zunächst skizzierten Idyll möglichst rasch zu brechen.
Bei einem Softballspiel kommt es zu einem ebenso verstörenden wie unerklärlichen Zwischenfall. Wie aus dem Nichts taucht der Trunkenbold des Ortes bewaffnet mit einer Schrotflinte auf dem Spielfeld auf. Zum Glück ist Sheriff David Dutton (Timothy Olyphant) zur Stelle. Er versucht, den offenbar verwirrten Mann zu beschwichtigen und ihn davon zu überzeugen, seine Waffe niederzulegen. Doch dieser fühlt sich offenbar bedrängt. Er zielt auf David, der den ungebetenen Gast in Notwehr vor den Augen der versammelten Dorfgemeinschaft erschießt. Als bei der anschließenden Obduktion festgestellt wird, dass der Tote entgegen den Erwartungen vollkommen nüchtern war, rätseln David und sein Deputy (Joe Anderson), was den Mann zu seinem bizarren Auftritt verleitet haben könnte.
Eisner inszeniert diesen ersten Auftritt eines zunächst unerklärlichen Wahnsinns angenehm ironiefrei und direkt. Von jetzt auf gleich verchwindet die Schönheit und Friedfertigkeit des Landlebens zugunsten einer diffusen, nur schwer greifbaren Bedrohung. Auch entspricht der Angreifer in seinem Verhalten nicht dem typischen Schema eines kranken oder hasserfüllten Irren. Schon bald häufen sich die mysteriösen Zwischenfälle. Davids hochschwangere Frau Judy (Radha Mitchell) arbeitet als Ärztin in Ogden Marsh. In ihrer Praxis bekommt sie es kurze Zeit später mit einem äußerst seltsamen Patienten zu tun. Der Verdacht, dass hier ein Zusammenhang mit dem Ereignis auf dem Baseballplatz besteht, liegt nahe.
Bevor jedoch lange und ausführlich über die möglichen Hintergründe spekuliert werden kann, schaltet Eisners Film einen Gang höher. Bereits nach einer guten halben Stunde hat sich das anfangs beschauliche Städtchen in ein flammendes Inferno verwandelt. Die Armee rückt an und den Duttons bleibt keine andere Wahl, als Ogden Marsh fluchtartig zu verlassen, wollen sie nicht wie die übrigen Bewohner interniert und unter Quarantäne gestellt werden. Zusammen mit Judys Mitarbeiterin Becca (Danielle Panabaker) und Deputy Russell versucht das Paar, der Hölle entkommen. Das ist leichter gesagt als getan, immerhin lauert die Gefahr an jeder Ecke und jeder Kontakt könnte für unser Quartett tödlich enden.
Das Drehbuch von Scott Kosar und Ray Wright folgt der Konzentration auf das Wesentliche. Anders als Romeros Original verzichtet es auf einen Wechsel der Erzählperspektive und eine allzu plakative Militarismus-Anklage. Auch spielt der politische Kontext keine Rolle. Amerikas Kriege werden kurzerhand ausgeblendet. Wo sich Romero etwas unbeholfen am Vietnam-Trauma abarbeitete, zielt Eisner lieber auf das Maximum an Suspense und Spannung. Wir bleiben bei Dave, Judy, Becca und Russell, was dem Film insgesamt gut tut und darüber hinaus die Identifikation mit den Charakteren erheblich erleichtert. Gemessen an den üblichen Genre-Maßstäben beleidigt deren Verhalten angenehmerweise einmal nicht die Intelligenz des Zuschauers. Timothy Olyphant überzeugt dabei als sympathischer Jedermann, seine Partnerin Radha Mitchell – seit ihrer Übermutter-Rolle in Silent Hill geübt im Umgang mit albtraumhaften Endzeitszenarios – macht gleichsam eine gute Figur.
Die durch die Bank soliden Darstellerleistungen weiß Eisner geschickt zu nutzen. Er lässt uns mit den Flüchtlingen rätseln, bangen, hoffen, leiden. Selbst wenn das Geheimnis um den sich rasant ausbreitenden Wahnsinn einmal gelüftet ist, büßt The Crazies kaum Momentum ein. Obwohl es bisweilen recht blutig zur Sache geht – so kommen diverse Harken, allerlei Farm-Equipment und eine widerspenstige Obduktionssäge zum Einsatz –, lebt die Geschichte nicht von ihren Gewaltspitzen. Diese sind in der Logik des Genres vielmehr schmückendes Beiwerk für eine stimmungsvolle, klaustrophobische Körperfresser-Variante, die ihr Bedrohungspotenzial bis zur schaurigen Schlusseinstellung souverän ausspielt.
Für BlairWitch.de.
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