Donnerstag, April 15, 2010

Das Bildnis des Dorian Gray


GB 2009

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Es gibt Geschichten, die werden immer und immer wieder verfilmt. Oscar Wildes Hedonismus-Anklage Das Bildnis des Dorian Gray gehört dazu. Dieses Mal schnappte sich der britische Regisseur Oliver Parker den Literaturklassiker, um ihn mit Jungstar Ben Barnes und Colin Firth in den Hauptrollen als düstere Gruselmär neu aufzuführen. Obgleich Parker schon zwei Wilde-Arbeiten für die Leinwand adaptierte, vermag das nun vorliegende Resultat kaum zu überzeugen. Weder als Literaturverfilmung noch als Genre-Beitrag bleibt sein Film lange in Erinnerung.

Nach dem Tod seines Großvaters sagt der junge, gut aussehende Dorian Gray (Barnes) dem idyllischen Landleben Lebewohl. Ihn zieht es in die Großstadt, genauer nach London, wo sein Großvater ein repräsentatives Stadthaus besaß. Schon bald lernt der Neuankömmling einige einflussreiche Vertreter der besseren Gesellschaft kennen. Unter ihnen befindet sich auch der Maler Basil Hallward (Ben Chaplin), der von Dorians Schönheit fasziniert ist und ihn kurzerhand zu einem Porträt überredet. Die Nachricht von Dorians Ankunft macht die Runde. Sie erreicht schließlich auch den charismatischen Lebemann Lord Henry Wotton (Firth). Als väterlicher Freund und Mentor führt er den jungen Mann in die Freuden und Versuchungen des Großstadtlebens ein. Bereitwillig lässt sich Dorian auf diese für ihn bislang unbekannte Welt ein, in der Alkohol, Drogen und Frauen jederzeit verfügbar sind.

Wie einst Faust schließt auch Dorian einen Pakt mit dem Teufel. Er verspricht Lord Wotton, seine Seele gegen ewige Jugend und Schönheit einzutauschen. Nur sein Porträt hält sich nicht an diese Abmachung. Während Dorian der Alterung entgehen kann, zeigen sich an dem Bild mit der Zeit immer deutlicher furchteinflößende Verfallserscheinungen. An dieser Spiegelung von Innen und Außen, von Körper und Seele, manifestiert sich Wildes Kritik an der zügellosen, zunehmend unkontrollierbaren Genusssucht seiner Titelfigur. Es ist zugleich eine Kritik, die heute - über ein Jahrhundert nach Veröffentlichung des Romans - grundsätzlich nichts von ihrer Aktualität und Brisanz eingebüßt hat. Flatrate-Parties und Konsumfetischismus bestimmen schließlich die Freizeitgestaltung nicht weniger Menschen.

Trotz dieser leicht herstellbaren Bezüge und Parallelen verharrt Parkers Dorian Gray in einem merkwürdigen, recht eingestaubten Vakuum. Das viktorianische Dekor und die zugegeben prachtvollen Sets werden von Parker und seinem Drehbuchautor Toby Finlay nie wirklich mit Leben und echter Leidenschaft gefüllt. Es bleibt bei einem Abfilmen der Oberfläche. Zu diesem Eindruck trägt auch das Spiel von Hauptdarsteller Ben Barnes bei, dem es nicht gelingt, die innere Zerrissenheit und fast schon pathologischen Zwänge seines Charakters glaubwürdig zu transportieren. Das schöne und makellose Gesicht des Schauspielers stellt sinnbildlich für all die Langeweile, die Parkers Film mit seiner nur sehr eingeschränkt effektiven Grusel-Interpretation verbreitet.

Dabei fügt sich das im Horror-Genre vorherrschende, oftmals konservative Weltbild, in dem Sex nicht ohne Folgen bleibt und insbesondere bei unverheirateten Paaren gerne auch schon mal mit dem Tod bestraft wird, eigentlich schlüssig in den moralischen Impetus der Geschichte. Dumm nur, dass das Drehbuch so rein gar nichts mit dieser Vorgabe anzufangen weiß. Viel mehr als einige klischeehafte, weil schwülstige Sexszenen mit S/M-Anstrich, die als Beleg für des Jünglings unaufhaltsame Verrohung herhalten müssen, hat Dorian Gray in dieser Hinsicht nicht zu bieten. Wäre da nicht ein gestandener Darsteller wie Colin Firth, man müsste Parkers Besetzung ein miserables Zeugnis ausstellen. Denn auch die Nebenrollen (Rachel Hurd-Wood, Rebecca Hall) fallen vornehmlich durch ihre Unauffälligkeit auf, was sich nur zum Teil Finlays biederem Skript in die Schuhe schieben lässt.

Es mangelt Parkers Version insgesamt an erzählerischer Finesse, Tempo und Ideen. Statt zu fesseln schleppt sich Dorians moralischer wie seelischer Verfall eher zäh dahin. Nicht nur Freunden des Horror-Kinos dürfte der inszenierte Budenzauber rund um das Gemälde - samt ach so ekligem Maden- und Blutauswurf - vor allem ein mitleidiges Schmunzeln entlocken. Der Schrecken hält sich hingegen nicht nur in diesen Momenten sehr in Grenzen. Parkers „Viktorian Psycho“ sollte erst einmal bei Patrick Bateman in die Lehre gehen.

Für BlairWitch.de.