Dienstag, März 09, 2010

Fall 39 - Satansbraten


USA/CAN 2009

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Der Belzebub hat viele Gesichter. Nur zu gerne versteckt er sich hinter dem schönen, vermeintlich unschuldigen Antlitz eines in Wirklichkeit alles andere als unschuldigen Kindes. Diese Erfahrung mussten auch schon die Eltern des kleinen Damien machen, der nach der Geburt vertauscht, sich rasch zum mordenden Satansbraten und zu einem Albtraum für sein Umfeld entwickelt. Herkunft verpflichtet, insbesondere wenn man als die Personifizierung des Antichristen einen recht einseitigen, vorbelasteten Ruf zu verteidigen hat. Im asiatischen Horrorkino ist der Teufel zwar weniger präsent, dafür haben es die potenziellen Opfer meist mit äußerst durchtriebenen Dämonen und Geister zu tun. Blasse Mädchen mit rot unterlaufenen Augen und langen, schwarzen Haaren sind ein sicheres Indiz dafür, dass sich die Lebenserwartung der Hauptfigur soeben drastisch verkürzt hat.

Antikörper-Regisseur Christian Alvart präsentiert in seinem Hollywood-Debüt eine Mischung dieser kindlichen Gesichter des Bösen. Denn dass die zunächst ängstlich dreinblickende Lillith (Jodelle Ferland) nicht das schutzbedürftige Opfer ist, als das Alvart uns das Mädchen in den ersten Minuten vorstellt, wird recht bald klar. Dummerweise fällt die engagierte Sozialarbeiterin Emily (Renée Zellweger) auf Lilliths zugegeben Oscar-reife Schauspielkunst herein. Emily hat tagtäglich mit Kindern zu tun, die von ihren Eltern oder engen Familienangehörigen geschlagen, missbraucht oder vernachlässigt werden. Da kann die Objektivität mitunter verloren gehen. Zumal wenn man wie Emily auf ein kleines Mädchen trifft, dessen Eltern es gerade in einen Backofen zerren und bei 200 Grad garen wollen. Die Gebrüder Grimm lassen grüßen.

In allerletzter Sekunde kann Emily die Tat verhindern. Lillith dankt es ihrer Retterin mit kindlicher Zuneigung, die später jedoch immer mehr in eine bedrohliche, irritierende Kälte und Kontrollsucht umschlagen soll. Während auf der einen Seite das Misstrauen allmählich zunimmt, werden auf der anderen Seite nach und nach sämtliche Masken fallen gelassen. Noch bevor es schließlich zum Showdown zwischen Emily und Lillith kommt, hat das Böse bereits hinlänglich bewiesen, dass es wahrhaftig keinen Spaß versteht. Was das im Einzelnen zu bedeuten hat, sei an dieser Stelle nicht verraten. Allzu schwer macht es Alvart seinem Publikum indes zu keiner Zeit und so dürften letztlich nicht nur Genre-Fans über den Fortgang der Ereignisse mit großer Zielgenauigkeit spekulieren.

Einen Originalitätspreis wird Alvart für seine dunkle Mär vom Teufel mit Engelsgesicht folglich nicht gewinnen. Die Irritationen, die vor allem von Lilliths doppeltem Spiel bisweilen ausgehen, kleben einfach zu sehr an den Gesetzmäßigkeiten des Genres, das nach der Welle an asiatischen Geister- und Dämonen-Geschichten – inklusive den dazu gehörigen Remakes – zeitweise mit einer ernstzunehmenden Übersättigung zu kämpfen hatte. Hollywood-Neuling Alvart will unterhalten und anders als sein Kollege Lars von Trier den Zuschauer nicht überfordern oder mit kalkulierten Tabubrüchen vor den Kopf stoßen. Und so macht es sich Fall 39 nach einer spannungsgeladenen Einführung sehr schnell in der Ecke des nur bedingt einfallsreichen 666-Thrillers bequem.

Innerhalb dieser Routine blitzt allerdings hin und wieder Alvarts schon in Antikörper anzutreffendes Gespür für schaurig-schöne Stimmungen und Bilder auf. So gipfelt Emilys zunehmende Hilflosigkeit in einer Verzweiflungstat, bei der sie sich wie ein wehrloses Opfer in ihrem eigenen Schlafzimmer verbarrikadiert. Aus dem Zusammenspiel von subjektiver Perspektive, Schnittfrequenz und Hagen Bogdanskis Kamera entsteht kurzzeitig ein wahrhaftiges Gefühl der Bedrohung, das viel tiefer geht als jede der obligatorischen Schrecksekunden. Von denen gibt es zwar auch reichlich, ihr durch und durch mechanisches Design löst jedoch kaum mehr als ein reflexhaftes Zucken aus. Über die Qualität eines Filmemachers sagen solche, vorrangig über den Sound gesteuerten Terrorattacken rein gar nichts aus.

Für die Besetzung fängt sich Fall 39 Lob und Tadel zugleich ein. Denn so erfischend es anfangs ist, Renée Zellweger einmal nicht in einer Romanze oder als Pummelchen Bridget Jones erleben zu müssen, so wenig nimmt man ihr den Part der resoluten Sozialarbeiterin ab. Ihr gewöhnungsbedürftiges Mienenspiel spaltet ohnehin seit jeher das Publikum. Dieses Mal wird es nicht anders sein. Da hat es ihre jugendliche Widersacherin Jodelle Ferland um einiges leichter, obwohl sie eigentlich die weitaus schwierigere Rolle übernahm. Mal verkörpert sie das unschuldige, schutzbedürftige Mädchen, dann wiederum das böse, manipulative Gör, dem der Teufel höchstpersönlich im Nacken zu sitzen scheint. Den Drahtseilakt zwischen diesen beiden Extremen meistert die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erst 12jährige mit Bravour. Nach Auftritten in Uwe Bolls Brutalo-Schocker Seed, der Videospielverfilmung Silent Hill und dem Psychothriller The Messengers der Gebrüder Pang ist sie zudem schon geübt im Umgang mit düsteren Storys und finsteren Charakteren. Christian Alvart läuft derweil seiner alten Form noch hinterher.

Erschienen bei BlairWitch.de.