Dienstag, November 02, 2010

Paranormal Activity 2 - Zurückgespult


USA 2010

++1/2

Kritik enthält mögliche Spoiler!

Wenn ein Film das schätzungsweise 13.000-fache seiner Produktionskosten einspielt, dann klingt das nicht nur rekordverdächtig, es ist auch ein treffsicheres Indiz dafür, dass eine Fortsetzung nicht lange auf sich warten lassen dürfte. Der vor rund einem Jahr mit viel Mundpropaganda lancierte Heimterrorschocker Paranormal Activity bekommt nun ein Prequel verpasst, bei dem die Vorgeschichte des ungewöhnliches Spuks näher beleuchtet wird. Dieses Mal ist es Katies Schwester Kristi und deren Familie, die von einem unsichtbaren Dämon heimgesucht wird. Die Ereignisse im Hause der Reys finden dabei nur wenige Wochen vor den Ereignissen des ersten Teils statt, in dem insbesondere Katies Verlobter Micah ein grausiges Schicksal ereilt. Am Ende des Prequels verschmelzen beide Filme sogar in einer durchaus beängstigenden Sequenz.

Grundsätzlich verlässt sich Regisseur Tod Williams auf den bewährten, von Oren Peli seinerzeit mit minimalem Budget umgesetzten Spannungsaufbau aus Teil 1. Das Tempo ist wiederum eher gemächlich und bis wirklich etwas Nennenswertes respektive Beunruhigendes geschieht, muss man schon einiges an Geduld investieren. Insofern bietet Paranormal Activity 2 auch abseits aller stilistischen Unterschiede einen interessanten Gegenentwurf zu dem rasanten, von Musik- und Videoclips beeinflussten Rhythmus anderer Horrorproduktionen.

Der Schrecken, den die Reys erleben, beginnt schleichend und mutet zunächst recht harmlos an. Ein sich scheinbar wie von Geisterhand bewegendes Mobilee, eine Tür, die ohne erkennbaren Grund zufällt, oder eine Pfanne, die sich aus ihrer Halterung löst, die ersten Anzeichen für die Anwesenheit einer unsichtbaren Gefahr sind ziemlich banal. Aber natürlich bleibt es nicht bei solchen Kuschelattacken. Je länger die paranormale Invasion andauert, desto bedrohlicher erscheint sie. Die Steigerung des Terrors ist schließlich das dramaturgische Leitmotiv eines jeden effektiven Horrorfilms. Was uns Williams hier im Verlauf von knapp 90 Minuten vorsetzt, entpuppt sich am Ende nur als eine weitere Bestätigung dieser einfachen Regel.

Filmten sich Katie und Micah bei ihren Begegnungen mit den übersinnlichen Aktivitäten noch selbst, so fährt das Prequel zumindest in dieser Hinsicht doch merklich größere Geschütze auf. Die Familie installiert nach einer unerklärlichen Verwüstung des halben Hauses ein leistungsfähiges Videoüberwachungssystem, das mit Ausnahme des Kellers so ziemlich jeden Winkel erfasst. Ergänzt werden die statischen Aufnahmen der Sechsfachüberwachung um die aus Teil 1 und seit Blair Witch-Zeiten beliebten Handkamera-Takes. Für diese fehlt bisweilen jedoch eine glaubwürdige Motivation. Wenn sich die Tochter dabei filmt, wie sie im Internet nach Dämonen und anderen finsteren Gestalten googelt, kann der Eindruck entstehen, die Szenen dienten vor allem als Füllmaterial. Das Wagnis, die Geschichte konsequent nur aus der Big-Brother-Perspektive zu erzählen, wollte man ganz offenbar nicht eingehen.

Dabei zieht Paranormal Activity 2 gerade aus den redundanten Videoaufnahmen die größte Schockwirkung und Unruhe. Die beschränkte Topographie – diese besteht im Wesentlichen aus dem Babyzimmer, dem Wohn- und Essbereich, dem Garten samt Swimming Pool sowie der Eingangstür und der Treppe in den ersten Stock – ist uns nach spätestens einer halben Stunde bestens vertraut, weshalb wir uns schon bald auf Details konzentrieren und währenddessen mehr als einmal eiskalt überrascht werden. Die Monotonie der Bilder mitsamt ihrer strengen Kadrierung wirkt wie Verstärker, der bereits vorhandene Ängste potenziert und durchaus geschickt mit den Erwartungen an das, was als nächstes passieren könnte, spielt. Leider nur werden diese Augenblicke immer wieder von störendem Handkamera-Gewackel und langweiligen Familiendebatten unterbrochen.

Interessanter als die Funktionsweise der hier vollführten Etablierung von Suspense und Horror – beides folgt im Wesentlichen dem bekannten Eskalationsschema bei gleichzeitig schleichendem Kontrollverlust –, ist die Rezeption des Films. Das bei der Preview anwesende, recht jugendliche Publikum reagierte auf den Film zunächst mit sichtlicher Ungeduld. Später dann kippte die Teilnahmslosigkeit in ein recht lautstarkes Gekreische und Gelächter. Letzteres mag zum Teil manch unfreiwillig komischen Reaktionen der Figuren geschuldet sein, zum Teil lacht man hier sicherlich auch über sich selbst und dass man sich doch so leicht manipulieren lässt. Wie der Lenker einer Geisterbahn, drückt Williams zur rechten Zeit eben die richtigen Knöpfe. Das ist mehr Handwerk als Kunst und will doch gelernt sein.

Erschienen bei BlairWitch.de.