Mittwoch, November 10, 2010

Somehere - Lost in Being Famous


USA 2010

++1/2

Seit Lost in Translation gilt Sofia Coppola als Meisterin des leisen Gefühls und der Melancholie. Für ihr neues Projekt Somewhere tauscht die Oscar-Preisträgerin die Neonlichter der japanischen Metropole Tokio gegen das luxuriöse Hotel Chateau Marmont am weltberühmten Sunset Boulevard ein. Dort hat sich ein vom Leben gelangweilter Hollywood-Star einquartiert, der vom Besuch seiner 11-jährigen Tochter aus seiner dekadenten Lethargie gerissen wird. Bei den Filmfestspielen von Venedig wurde Coppolas Sinnsuche unlängst mit dem „Goldenen Löwen“ ausgezeichnet.

Filmkritik:

Sofia Coppola scheinen es Hotels als Bühne ihrer Geschichten über Einsamkeit und Entfremdung angetan zu haben. Es sind Orte, an denen sich Menschen meist für nur wenige Tage oder Wochen aufhalten, wo sie ihren stressigen Alltag vergessen oder wo ihr Beruf sie hinführt. Für den gefeierten Hollywood-Superstar Johnny Marco (Stephen Dorff) ist das legendäre Hotel Chateau Marmont am Sunset Boulevard jedoch inzwischen mehr als nur eine Durchgangsstation. Er lebt dort in einer luxuriösen Suite, umgeben von fleißigen, meist unsichtbaren Helfern. Auf den ersten Blick ist es ein sorgenfreies Leben voller Luxus, um das man ihn beneiden möchte.

Da wir uns jedoch in einem Film von Sofia Coppola befinden, hält die schicke Fassade auch in diesem Fall einer näheren Betrachtung nicht stand. Johnny ist vielmehr gefangen in einem monotonen Alltag, aus dem ihm selbst sein teurer Ferrari und flüchtige Bettbekanntschaften nicht ausbrechen lassen. Beides scheint ohnehin mehr Teil des Problems als Teil einer möglichen Lösung. Allein die unregelmäßigen Besuche seiner 11-jährigen Tochter Cleo (Elle Fanning) aus einer gescheiterten Ehe lassen ihn die dekadente Tristesse seines Hotellebens kurzzeitig vergessen. Als Cleos Mutter für unbestimmte Zeit verreisen muss, soll Johnny auf seine Tochter aufpassen. Das erste Mal seit sehr langer Zeit verbringen beide mehr als nur einige Stunden zusammen.

Coppola begleitet Vater und Tochter bei ihrer zaghaften Annäherung, aus der – das ist kein Geheimnis – bei Johnny allmählich ein Bewusstseinswandel erwächst. Wie schon in Lost in Translation kommt es auch in „Somewhere“ zu einer Kollision zweier Leben – weniger aus Zufall denn aus einer simplen Notwendigkeit. Am Ende, wenn sich die Wege der beiden wieder trennen, ist Johnny nicht länger der gelangweilte Hollywoodstar, als den wir ihn noch kennengelernt haben. Diese Form der inneren Läuterung erfuhr bereits Bill Murrays Figur in Coppolas zarter Tokio-Romanze, was sie in ihrer Wiederholung umso vorhersehbarer macht. Ohnehin wirkt der Film bisweilen wie Coppolas eigenes Remake ihres Oscar-Erfolgs. Auch hier bleibt die Kamera zumeist ein Beobachter scheinbar banaler Alltagserlebnisse. Mal wird ein Videospiel gezockt, dann zusammen gefrühstückt oder im Pool herumgealbert. Einen Kontrast bilden lediglich Johnnys Ausflüge in die von Coppola als absurden Zirkus enttarnte Welt des Showgeschäfts.

Es ist zugleich ein Mikrokosmos, den die Tochter von Regie-Legende Francis Ford Coppola aus eigener Anschauung nur zu genau kennt. Zu den komischen Höhepunkten zählt Johnnys Auftritt bei einer komplett sinnfreien Preisverleihung im italienischen Fernsehen. Auch dabei handelt es sich wiederum um die Spiegelung einer Lost in Translation-Episode, was letztlich die Frage aufwirft, inwieweit hier eine Regisseurin lediglich versucht, ihr bewährtes Erfolgsrezept zu kopieren. Für ihren letzten, zumindest formal durchaus experimentellen Geschichts-Popkultur-Mix Marie Antoinette hatte sie viel (unberechtigte) Kritik und Häme einstecken müssen. Ihr Mut, ein filmisches Wagnis einzugehen, wurde nicht belohnt, was die Rückbesinnung auf Altbewährtes erklärt.

Somewhere leidet über Gebühr unter dem Vergleich mit seinem Vorvorgänger, der wie ein unsichtbarer Zwilling stets präsent ist. Das ist bedauerlich, schließlich ist Coppolas neueste Arbeit das Gegenteil eines misslungenen Films. Immer wieder gibt es in den elegant gefilmten Hotelimpressionen Spannendes zu entdecken. Die intimen Szenen zwischen Vater und Tochter gehören dazu und bilden gewissermaßen das Herzstück dieser melancholischen, kleinen Sinnsuche, in der bereits ein Eis ausreicht, um selbiges zum Schmelzen zu bringen.

Für Programmkino.de.