Dienstag, Februar 08, 2011

Tucker & Dale vs. Evil - Die Mär vom bösen Hinterwäldler


CAN 2010

+++1/2

Der Horrorfilm folgt festen Regeln. Da gibt es die unschuldigen Opfer, über die plötzlich das Grauen hereinbricht, als auch finstere Psychopathen und perverse Schlächter. Wer gut und wer böse ist, darüber bestehen nur in den seltensten Fällen echte Zweifel. Zu den beliebtesten und zugleich schematischsten Genre-Vertretern zählt der gute, alte Backwood-Horror. Darin unternimmt eine Gruppe mehr oder weniger verwöhnter Großstadtkids einen Ausflug aufs Land, um dort unbeobachtet von den Eltern mal so richtig die Sau rauszulassen. Drogen, Sex, Alkohol. Dabei laufen sie regelmäßig degenerierten, ziemlich ekligen Hinterwäldlern über den Weg, deren Genpool sich im Laufe der letzten Jahrhunderte anscheinend keinen Millimeter weiterentwickelt hat. Am Ende landen die Städter dann meist auf dem Speiseplan der nicht selten kannibalistisch veranlagten Hillbillies.

Auch Eli Craig liebt den Backwood-Film. Und doch unterscheidet sich sein eigener Beitrag an einer entscheidenden Stelle von allen anderen Hinterwäldler-Geschichten. Bei ihm sind die Rednecks keine bösen, gefährlichen Psychos sondern entspannte, gemütliche Kumpeltypen, die bereits zufrieden sind, wenn sie ein kühles Bier zur Hand haben und eine ruhige Kugel schieben können. Sie sind herzensgut, freundlich und hilfsbereit, was so leider nicht immer gesehen wird. Denn aus einem von Vorurteilen gespeisten Missverständnis entsteht in Tucker & Dale vs Evil eine blutrote und dabei zum Brüllen komische Verkettung tödlicher – nennen wir es mal – Unfälle.

Die einfache und doch so geniale Idee des Films liegt in seinem konsequenten Wechsel der Erzählperspektive und einer Umkehrung der bekannten Täter-/ Opferrollen. Statt den Kids folgen wir dieses Mal den besten Freunden Tucker (Alan Tudyk) und Dale (Tyler Labine). Sie bedienen auf den ersten Blick so ziemlich jedes Klischee, das man über die Bewohner West Virginias in Filmen wie Wrong Turn vorgesetzt bekommt. Tatsächlich haben die beiden Kumpels nichts Böses im Sinn, im Gegenteil. Sie wollen nur helfen, als sie bei einer Angeltour bemerken, wie eine junge Frau (Katrina Bowden) im See scheinbar zu ertrinken droht. Leider wird ihr Einsatz nicht belohnt. Wo man eigentlich einige Worte des Dankes erwarten könnte, müssen sich unsere Jungs auf einmal mit aggressiven, zu allem entschlossenen Wohlstands-Bubis herumschlagen, die in Tucker und Dale das im Horrorfilm ansonsten kultivierte Zerrbild des irren Hinterwäldler zu sehen glauben.

Eli Craig arbeitet nicht nur geschickt mit den unterschiedlichen Abläufen, Bildern und Vorgaben des Genres, er hält den unglaublich hohen Spaßfaktor auch über die gesamte Laufzeit seines bereits auf dem „Fantasy Filmfest“ mit tosendem Applaus bedachten Debütfilms bei. Aus der 180-Grad-Volte des Drehbuchs resultieren im weiteren Verlauf zahlreiche Katastrophen, die sich – ohne zuviel verraten zu wollen – am ehesten als eine gelungene Übertragung des anarchischen Zucker-Abrahams-Zucker-Humors auf das Horrorgenre umschreiben lassen. Bei aller Albernheit denkt Craig aber stets an seine Zielgruppe, die vor allem deftige Splatter-Einlagen und blondes Eyecandy erwartet. Beides ist hier reichlich vorhanden, was Tucker & Dale vs Evil vor allem als Partyfilm in bierseliger Runde noch große Erfolge bescheren dürfte. Anderen Spaßvehikeln wie Zombie Strippers oder Evil Aliens ist Craigs charmante Hinterwäldler-Verbeugung sowieso haushoch überlegen.

Mit dem gutmütigen Tucker und dem schwer verliebten Dale besitzt der Film zudem zwei uneingeschränkte Sympathieträger, denen man bei ihren meist unfreiwilligen Splatter-Exzessen einfach nur gerne zusieht. Was Jay und Silent Bob für den Slacker-Film darstellen, könnten diese Zwei schon bald im Horrorfach sein: Ikonen der Popkultur. So überzeugend Alan Tudyk und Tyler Labine ihre Hillbillie-Parts spielen, ist man fast geneigt, einen Oscar zu fordern. Dazu wird es selbstverständlich nicht kommen, schon deshalb weil Craig in der Schmuddelecke spielt und sich dort augenscheinlich pudelwohl fühlt. Aber wer weiß, wohin es ihn in zehn oder zwanzig Jahren einmal verschlägt. Ein gewisser Peter Jackson hat auch einst mit Blut, Gedärmen und anderen Schweinereien herumexperimentiert. Heute inszeniert er Blockbuster für die ganze Familie und die eigene Trophäensammlung.

Für BlairWitch.de.