Dienstag, Januar 25, 2011

Hereafter - Das Leben danach


USA 2010

++1/2

In seinem neuem, von der Struktur an Babel angelehnten Zwei-Kontinente-Stück „
Hereafter widmet sich Altmeister Clint Eastwood der Frage, was uns nach dem Tod erwartet und wie wir als Angehörige mit dem Verlust eines geliebten Menschen umgehen. Dass er dem Zuschauer keine einfachen Antworten aufzwingt oder das komplexe Thema auf eine religiöse Deutung einengt, ist seinem Film hoch anzurechnen. Getragen von einem starken Ensemble – darunter Matt Damon und Cécile de France – weicht das angenehm ruhig inszenierte Drama jedoch nicht immer jeder Peinlichkeit aus.

Filmkritik:

Clint Eastwood hat eine beeindruckende Karriere hinter sich. Vom Westernheld, Rechtsaußen und „Dirty Harry“-Darsteller gelang dem inzwischen 80-jährigen Eastwood der Wandel zu einem allseits respektierten und von nicht wenigen gefeierten Filmemacher, dessen Ansichten zunehmend liberaler erscheinen. Zumindest setzte in seinen Arbeiten mit dem Alter eine besondere Nachdenklichkeit ein. Mal ging es dabei um die Bedeutung von Freundschaft (Million Dollar Baby), von Toleranz (Gran Torino) oder auch um den Beweis von Mut in dunklen Zeiten (Invictus). Diese Reise entlang menschlicher Grundfragen musste ihn fast zwangsläufig an den Punkt führen, der unser aller Leben betrifft und der für die einen das Ende und für andere nur der Beginn von etwas Neuen markiert. Obwohl der Tod und das Abschiednehmen unübersehbar im Zentrum von Hereafter stehen, beschäftigt sich Eastwoods Film weniger mit religiösen Betrachtungen als mit den sehr realen Folgen für die Betroffenen und ihre Angehörigen.

Ein intensives Nahtoderlebnis verändert das Leben der erfolgreichen TV-Journalistin Marie (Cécile de France). Bei dem verheerenden Tsunami von 2004 – im Film beeindruckend nachgestellt dank aufwändiger Computereffekte – wird die junge Frau von der Flutwelle erfasst und unter Wasser gedrückt. Für kurze Zeit sieht es danach aus, als ob sie die Katastrophe nicht überleben wird. Später erinnert sie sich an eine seltsame, fast schon unheimliche Szenerie. Während andere um ihr Leben kämpften, sah sie in ein helles, irritierend gleißendes Licht. Sie spürte, dass sie nicht alleine war und doch kann sie hinterher nicht genau sagen, was in diesem Augenblick mit geschah. Marie macht sich von da an auf die Suche nach Antworten. Auf dieser Reise mit einem – soviel sei verraten – angenehm offenen Ende begleitet sie der Zuschauer, der noch zwei andere Einzelschicksale kennenlernt.

George (Matt Damon) hat zu den Verstorbenen eine besondere Verbindung entwickelt, was sein geschäftstüchtiger Bruder (Jay Mohr) nur zu gerne vermarkten würde. Doch George sieht seine außergewöhnliche Gabe eher als Fluch, weshalb er sich aus dem einträglichen Geschäft mit Jenseits-Kontakten lieber heute als morgen zurückziehen will. Unterdessen verliert in London ein Junge (Frankie/George McLaren) durch einen tragischen Unfall seinen Zwillingsbruder. Es ist traumatisches Ereignis, dass ihn fortan nicht mehr loslässt. Er will wissen, was mit seinem Bruder genau geschah und vor allem wie es ihm heute geht.

Nachdem Hereafter zunächst etwas schematisch zwischen den drei Erzählsträngen, zwischen Kalifornien, Paris und London, hin- und herwechselt, laufen im Finale dann alle Fäden an einem Ort zusammen. Mit der Verdichtung auf einen Schauplatz ist zugleich eine Verknüpfung der losen Enden verbunden wie man sie bereits aus Filmen wie Babel und L.A. Crash kennt. Auch Eastwood ist dabei nicht von peinlichen Sentimentalitäten gefeit. Untermalt von einem aufdringlichen Streicherarrangement finden George und Marie schließlich zusammen. Das ansonsten um eine vielschichtige und differenzierte Sichtweise auf ein schwieriges Thema bemühte Skript von Peter Morgan (Die Queen, Frost/Nixon) vergisst hier für einen Moment jede Zurückhaltung. Dass überdies Georges besondere Fähigkeit mehrmals als rein funktionales Plot-Element eingesetzt wird, ist ziemlich offensichtlich.

Sieht man von diesen und einigen anderen Schönheitsfehlern ab – die ideenlose Visualisierung des Jenseits ist für eine solche Produktion enttäuschend –, so drehte Eastwood allerdings einen durchaus packenden, intensiven Film, der sich viel Zeit für seine Charaktere nimmt und auch vor langen, bisweilen unbequemen Diskussionen nicht zurückschreckt. Besonders eine Unterhaltung zwischen George und seiner Kochkurs-Bekanntschaft Melanie (Bryce Dallas Howard) fasst die Agenda des Films sehr anschaulich zusammen. Interessant ist, dass Hereafter jede allzu religiöse Deutung verwirft und stattdessen den entschiedenen Zweifel in Bezug auf ein Leben nach dem Tode betont.

Erschienen bei Programmkino.de.