Pans Labyrinth - Glaube, Liebe, Hoffnung
ESP/MEX/USA 2006
+++1/2
Es sind dunkle Zeiten, in denen die junge Ofélia (Ivana Baquero) aufwächst, ja aufwachsen muss. Spanien im Jahr 1944 befindet sich auch fünf Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in einer mehr als fragilen Verfassung. Nachdem General Franco die Macht ergriffen hat, stellen sich ihm Gruppen von linken republikanischen Rebellen entgegen, die aus dem Schutz des Hinterlands Partisanenangriffe auf die Stützpunkte der Faschisten planen und durchzuführen.
Wie schon bei seinem gefeierten Mystery-Drama The Devil’s Backbone (2001) situierte Guillermo del Toro die Filmhandlung im Spanien der von Angst und Paranoia infiltrierten frühen Franco-Ära. Er benötigt diesen Hintergrund als gewaltige Drohkulisse, um davor seine zeitlose Fabel über die Kraft menschlicher Imagination zu erzählen. Del Toro sieht in der Geisteshaltung des Faschismus den ultimativen Horror, der bei denen, die ihn und seine destruktiven Folgen erleben mussten, „unauslöschliche Narben tief im Innersten“ zurückgelassen haben.
Ofélia ist ein Kind und im Gegensatz zu den Erwachsenen, glaubt sie noch an die Existenz von feenartigen Wesen, Magie und Geistern. Nachdem sie mit ihrer hochschwangeren Mutter (Ariadna Gil) auf Befehl des verhassten Stiefvaters, dem faschistischen Capitan Vidal (beängstigend gut: Sergi López), in ein abgelegenes Landhaus im Norden Spanien ziehen muss, eröffnet sich ihr das Tor zu einem ganz anderen Universum. Eine Fee weist Ofélia den Weg zu einem verfallenen Gemäuer, wo eine seltsame Kreatur bereits auf sie wartet. Es ist ein Faun (Doug Jones), der sich ihr unter dem Namen Pan vorstellt. Er erklärt der erstaunten Ofélia, dass sie selbst eine Prinzessin sei, die vor langer Zeit das unterirdische Königreich ihres Vaters verlassen hatte, weil sie sehnsuchtsvoll von der Welt der Menschen träumte. Um sicher zu gehen, dass die Prinzessin in der Zwischenzeit keine Sterbliche geworden sei, müsse sie bis zum nächsten Vollmond drei Aufgaben erfolgreich bewältigen. Erst dann könne sie wieder auf dem Thron an der Seite ihres Vaters Platz nehmen.
Für die elfjährige Ofélia beginnt damit ein gefährliches und geheimnisvolles Abenteuer, in dessen Verlauf sie immer stärker zwischen die Fronten der Franco-treuen Soldaten und linken Rebellengruppen geraten soll. Letzteres deutet darauf hin, dass Pans Labyrinth weniger den Charakter eines reinen Fantasy-Märchens für Erwachsene trägt, sondern eher als Kriegsdrama mit phantastischen Untertönen zu verstehen ist. Ofélias Besuche in dem unterirdischen Sagenkosmos beschränken sich auf drei längere Szenenfolgen, wohingegen die Schilderung der menschenverachtenden faschistischen Gewaltherrschaft, Vidals Brutalitäten und egozentrische Manierismen deutlich mehr Raum einnehmen. Wer also ein reines Kabinett an skurrilen Kreaturen und Monster erwartet, dürfte vermutlich enttäuscht das Kino verlassen.
Kameramann Guillermo Navarro, der mit del Toro seit Cronos-Zeiten zusammenarbeitet, zelebriert geradezu den Umgang mit der Dunkelheit. Die nächtlichen Aufnahmen des Landhauses und der entlegenen Steinfestung, die Ofélia erkundet, besitzen bei aller Bedrohlichkeit eine faszinierende im Verwelken begriffene Schönheit. Nur die gezeigten Grausamkeiten – so wird vor Vidals barbarische Gewaltakten keineswegs abgeblendet – halten einen davon ab, ihnen das Attribut „pittoresk“ zu verleihen. Auch das Produktionsdesign und die Gestaltung der Fabelwesen leben von del Toros Blick für Details. Augen, die wie Stigmata in Hände eingesetzt werden, treffen auf Insekten, die sich in Feen verwandeln. Die Entscheidung, weitestgehend auf digitale Effekte zu verzichten und stattdessen Animatronics einzusetzen, trägt zu dem düsteren, geerdeten Grundton der Geschichte bei.
Pans Labyrinth gelingt es, im Spannungsfeld von kindlicher Unschuld und adulter Blutlust viel Wahres und Allgemeingültiges über die menschliche Natur und unser Zusammenleben zu erzählen. Es ist der neutestamentarische Dreiklang aus Glaube, Liebe und Hoffnung, an den del Toro appelliert. In Ofélia glauben die Bewohner des unteririschen Königreiches, diese Prinzipien wiedergefunden zu haben. Das macht das elfjährige Mädchen zur Prinzessin, zur Retterin von uns allen. In der Kulmination mehrerer emotionaler Paukenschläge trifft sie eine folgenschwere Entscheidung, die den Fortgang der Dinge grundlegend verändern kann. Zumindest wollen wir das glauben, als der Abspann einsetzt und wir etwas unsanft aus der somnambulen Meditation des Guillermo del Toro gerissen werden. Er versteht das Fantastische nicht als nettes, aber verzichtbares Beiwerk, das in Kindergeschichten und Science-Fiction versteckt gehört. Es ist vielmehr essentiell. Punkt.
Erschienen bei BlairWitch.
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Es sind dunkle Zeiten, in denen die junge Ofélia (Ivana Baquero) aufwächst, ja aufwachsen muss. Spanien im Jahr 1944 befindet sich auch fünf Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in einer mehr als fragilen Verfassung. Nachdem General Franco die Macht ergriffen hat, stellen sich ihm Gruppen von linken republikanischen Rebellen entgegen, die aus dem Schutz des Hinterlands Partisanenangriffe auf die Stützpunkte der Faschisten planen und durchzuführen.
Wie schon bei seinem gefeierten Mystery-Drama The Devil’s Backbone (2001) situierte Guillermo del Toro die Filmhandlung im Spanien der von Angst und Paranoia infiltrierten frühen Franco-Ära. Er benötigt diesen Hintergrund als gewaltige Drohkulisse, um davor seine zeitlose Fabel über die Kraft menschlicher Imagination zu erzählen. Del Toro sieht in der Geisteshaltung des Faschismus den ultimativen Horror, der bei denen, die ihn und seine destruktiven Folgen erleben mussten, „unauslöschliche Narben tief im Innersten“ zurückgelassen haben.
Ofélia ist ein Kind und im Gegensatz zu den Erwachsenen, glaubt sie noch an die Existenz von feenartigen Wesen, Magie und Geistern. Nachdem sie mit ihrer hochschwangeren Mutter (Ariadna Gil) auf Befehl des verhassten Stiefvaters, dem faschistischen Capitan Vidal (beängstigend gut: Sergi López), in ein abgelegenes Landhaus im Norden Spanien ziehen muss, eröffnet sich ihr das Tor zu einem ganz anderen Universum. Eine Fee weist Ofélia den Weg zu einem verfallenen Gemäuer, wo eine seltsame Kreatur bereits auf sie wartet. Es ist ein Faun (Doug Jones), der sich ihr unter dem Namen Pan vorstellt. Er erklärt der erstaunten Ofélia, dass sie selbst eine Prinzessin sei, die vor langer Zeit das unterirdische Königreich ihres Vaters verlassen hatte, weil sie sehnsuchtsvoll von der Welt der Menschen träumte. Um sicher zu gehen, dass die Prinzessin in der Zwischenzeit keine Sterbliche geworden sei, müsse sie bis zum nächsten Vollmond drei Aufgaben erfolgreich bewältigen. Erst dann könne sie wieder auf dem Thron an der Seite ihres Vaters Platz nehmen.
Für die elfjährige Ofélia beginnt damit ein gefährliches und geheimnisvolles Abenteuer, in dessen Verlauf sie immer stärker zwischen die Fronten der Franco-treuen Soldaten und linken Rebellengruppen geraten soll. Letzteres deutet darauf hin, dass Pans Labyrinth weniger den Charakter eines reinen Fantasy-Märchens für Erwachsene trägt, sondern eher als Kriegsdrama mit phantastischen Untertönen zu verstehen ist. Ofélias Besuche in dem unterirdischen Sagenkosmos beschränken sich auf drei längere Szenenfolgen, wohingegen die Schilderung der menschenverachtenden faschistischen Gewaltherrschaft, Vidals Brutalitäten und egozentrische Manierismen deutlich mehr Raum einnehmen. Wer also ein reines Kabinett an skurrilen Kreaturen und Monster erwartet, dürfte vermutlich enttäuscht das Kino verlassen.
Kameramann Guillermo Navarro, der mit del Toro seit Cronos-Zeiten zusammenarbeitet, zelebriert geradezu den Umgang mit der Dunkelheit. Die nächtlichen Aufnahmen des Landhauses und der entlegenen Steinfestung, die Ofélia erkundet, besitzen bei aller Bedrohlichkeit eine faszinierende im Verwelken begriffene Schönheit. Nur die gezeigten Grausamkeiten – so wird vor Vidals barbarische Gewaltakten keineswegs abgeblendet – halten einen davon ab, ihnen das Attribut „pittoresk“ zu verleihen. Auch das Produktionsdesign und die Gestaltung der Fabelwesen leben von del Toros Blick für Details. Augen, die wie Stigmata in Hände eingesetzt werden, treffen auf Insekten, die sich in Feen verwandeln. Die Entscheidung, weitestgehend auf digitale Effekte zu verzichten und stattdessen Animatronics einzusetzen, trägt zu dem düsteren, geerdeten Grundton der Geschichte bei.
Pans Labyrinth gelingt es, im Spannungsfeld von kindlicher Unschuld und adulter Blutlust viel Wahres und Allgemeingültiges über die menschliche Natur und unser Zusammenleben zu erzählen. Es ist der neutestamentarische Dreiklang aus Glaube, Liebe und Hoffnung, an den del Toro appelliert. In Ofélia glauben die Bewohner des unteririschen Königreiches, diese Prinzipien wiedergefunden zu haben. Das macht das elfjährige Mädchen zur Prinzessin, zur Retterin von uns allen. In der Kulmination mehrerer emotionaler Paukenschläge trifft sie eine folgenschwere Entscheidung, die den Fortgang der Dinge grundlegend verändern kann. Zumindest wollen wir das glauben, als der Abspann einsetzt und wir etwas unsanft aus der somnambulen Meditation des Guillermo del Toro gerissen werden. Er versteht das Fantastische nicht als nettes, aber verzichtbares Beiwerk, das in Kindergeschichten und Science-Fiction versteckt gehört. Es ist vielmehr essentiell. Punkt.
Erschienen bei BlairWitch.
1 Comments:
wirklich ein sehr schöner aber auch trauriger film und trotz der märchenhaften erzählung kein film für kinder. ich bin jedenfalls begeistert!
hier noch andere kritiken zu dem film:
http://www.resurrection-dead.de/dailydead/pans_labyrinth
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