Die Geisha - Zickenkrieg im Kirschblütenparadies
USA 2005
++1/2
„Die Geisha“ erzählt in wie zu einem Gemälde erstarrten traumhaften Bildern die Geschichte einer dieser für uns im Westen mysteriösen Frauen, die über Jahrhunderte fester Bestandteil der japansichen Kultur und Gesellschaft waren. Die kleine Chiyo (Suzuka Ohga, Ziyi Zhang) und ihre Schwester werden von ihrem Vater aus der Not heraus an einen wohlhabenen Hausstand in die Stadt verkauft. Besser gesagt: nur Chiyo wird von der geschäftstüchtigen Patronin eines Geishas-Hauses aufgenommen. Doch sie hat es schwer sich gegen ihre Konkurrentinnen, allen voran die ältere intrigante Hatsumomo (Gong Li) durchzusetzen. Schon als Chiyo fast nicht mehr daran glaubt, einmal zur Geisha ausgebildet zu werden, nimmt sich ihrer die berühmte Geisha Mameha (Michelle Yeoh) an. Sie ermöglicht Chiyo, die hohe Kunst der Konversation, des Tanzes und der Dienerschaft zu erlernen. Am Ende dieses Weges wird aus dem „hässlichen Entlein“ Chiyo die von den Männern so begehrte Sayuri.
Akzeptiert man den Vorsatz des Films, kein realistisches Portrait Japans und seiner Zeit abgeben zu wollen, ist Rob Marshalls „Chicago“-Nachfolger keinesfalls das schlechte Werk, als dass es gemeinhin im Feuilleton hingestellt wird. „Die Geisha“ überzeugt mit ihrer fast schon märchenhaften Geschichte über ein tapferes Mädchen, dass keine Kindheit und kein selbstbestimmtes Leben als Erwachsene führen durfte. In diesem Punkt liegt die Verfilmung des Bestsellers von Arthur Golden eher in einer Reihe mit den großen Dramen eines James Ivory oder, auf Deutschland bezogen, eines Theodor Fontane. Effi heißt hier Chiyo. Sie muss von klein an, ihre Existenz über Demut und Arbeit rechtfertigen. Kein Leben an sich scheint man ihr im rigiden Haushalt der Geisha-Ausbilderin zuzubilligen. Geradezu bezeichnend ist der Moment, in dem Mameha Chiyo aus der Obhut der strengen Herrin „herauskaufen“ möchte und die beiden Damen über das Schicksal des Mädchens wie beim Einkauf eines Sacks Reis verhandeln. Für viele der strengen Ausbilder waren Geishas ein gewöhnliches Investitionsobjekt, welches später eine möglichst hohe Rendite abzuwerfen hatte. Je höher diese war, desto angesehener war auch die Geisha. Gesellschaftlich legitimierte Sklaverei mit sorgsam gepuderten Antlitz sozusagen und eine ideologische Vorstufe zum heutigen Slogan vom „produktiven Humankapital“.
Ein Aufschrei ging durch die japanische Presse, als bekannt wurde, dass ausgrechnet drei Nicht-Japanerinnen die Hauptrollen übernehmen sollten. Die Produzenten entscheiden aus Kalkül, da Namen wie Ziyi Zhang und Gong Li auch in den USA und Europa über einen hohen Bekanntheitsgrad und künstlerisches Renomée verfügen. Wie Peter Zander in der „Welt“ bereits logisch und richtig erklärte, besteht für soviel japanisches Theater überhaupt keinen Anlass. Ansonsten hätte auch Ralph Fiennes nicht Amon Göth spielen dürfen. Ende der Diuskussion. Viel entscheidender ist es für das Funktionieren des Films, ob Zhang, Yeoh und Li ihren Charakter überzeugend und mit Leidenschaft ausfüllen. Und diesen Punkt muss man mit einem klaren „Ja“ beantworten. Ziyi Zhang war bereits in den beiden „Wuxia“-Meisterwerken „Hero“ und „Tiger & Dragon“ zum Sterben schön, hier zeigt sie aber, dass neben all der oberflächlichen Reinheit eine Schauspielerin von Format in ihr steckt. Ein Blick von ihr Richtung Himmel oder schamhaft verlegen in Richtung ihrer großen Liebe (Ken Watanabe) und schon muss sich der Zuschauer für sie verantwortlich fühlen. So zerbrechlich und scheu wirkt sie dann. Dass Regisseur Marshall sie dabei in Mitten einer übergroßen Kitschfantasie von Japan steckt, ist eine andere, weniger erfreuliche, Sache.
Beeindruckend ist bei Zhang Ziyi und der Darstellung ihres Filmcharakters Sayuri/Chiyo auch der schnelle Wechsel von der eben noch schüchternen Dienerin hin zur entschlossenen Kämpferin führ ihr eigenes Glück. Als könnte sie dieses herbeitanzen, derart exkstatisch führt sie in einem eleganten Theater vor einem geladenen Publikum ihr Können vor. Eingefangen durch eine atemberaubende Kameraarbeit von Dion Beebe, inszeniert und begleitet von einem betäubenden Lichtspektakel, spielt die zur Geisha ausgebildete Sayuri mit den Blicken der zahllosen männlichen Verehrer. Ein Flirt auf einer Meta-Ebene, erotisch und faszinierend. Von dem durch die Bank überzeugend aufspielenden Cast gilt es Gong Li zu erwähnen. Die große Dame des chinesischen Kinos arbeitet sich Szene um Szene weiter in unsere Hassfantasien hinein. Ihre egoistische, von Missgunst und Konkurrenzsucht zerfressene Hatsumomo ist die klassische „böse Schwiegermutter“ der Erzählung. Doch jeden Stein, den sie Chiyo/Sayuri in den Weg legt, lernt diese aus dem Weg zu räumen. Während Chiyo an ihrem Schicksal auch in den ärmlichen Kriegszeiten nicht zerbricht, sondern an ihm „wächst“, wird Hatsumomo nicht mit dem ihr aufgezwungenen Leben fertig. Die Unmöglichkeit, das zu tun, was das Herz ihr sagt, schlägt in Neid und Intriganz um.
Über eine Zeitspanne von knapp zwei Jahrzehnten begleitet der Film Chyios Leben. Rob Marshall vermeidet einen Blick über den Horizont der beengten Lebensverhältnisse im Geisha-Haushalt hinaus, das gesellschaftliche Umfeld und die politischen Umwälzungen im Japan der damaligen Zeit bleiben für den Zuschauer auf Radiomeldungen und einer späten Begegnung mit den neuen „Freunden“ aus dem Westen beschränkt. So sehr es legitim ist, gänzlich apolitisch zu bleiben, irgendwie trauert man schon den hier vergebenen Chancen nach. Besonders dann, als die Handlung wieder mal in malerischen Landschaftsaufnahmen und gesellschaftlichem Smalltalk stecken bleibt. Oder als abermals Chiyos Leben unter dem Zwang ihrer erwachsenen Herrscher portraitiert wird. Dabei ist das Konstrukt ihrer Lebensverhältnisse bereits nach einer halben Stunde festzementiert, ein finaler Ausbruch scheint erst nach dem Abspann möglich zu sein. Denn selbst als Sayuri nicht mehr als Geisha arbeitet, holt sie die Vergangenheit wieder ein. Insoweit beschränkt sich „Die Geisha“, überspitzt formuliert, auf einen hinreißend bebilderten Zickenkrieg.
Das sture Festhalten des von Marshall mit der ersten Einstellung eines idyllischen Fischerdorfs samt pittoresker Baumumrandung verfolgten „Japan sehen und sterben“-Motivs birgt stets die Gefahr des sich „satt sehens“. Spätestens dann flüchtet der Zuschauer mit seinen Gedanken aus dem Film. Die verschwenderische Optik erschlägt so manches, sie deckt viele kleine Nuancen und Gesten zu, für die sich die Darsteller mühsam abarbeiten. Jede Wette, dass Chiyos kleine Andeutungen gegenüber dem Direktor für viele Zuschauer unentdeckt bleiben werden. Dem Film hätte zudem eine Straffung um 20 bis 30 Minuten Gut zur Geischt gestanden . Spätestens beim Eintreffen der Amerikaner sehnt man das Ende herbei, weil schon alles gesagt und erklärt ist. Das hätte uns auch ein unnötig kitschiges Ende inmitten blühender Landschaften erspart, was einen gut gemachten, interessanten Film über Gebühr abwertet.
Zuerst veröffentlicht bei kino.de.
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„Die Geisha“ erzählt in wie zu einem Gemälde erstarrten traumhaften Bildern die Geschichte einer dieser für uns im Westen mysteriösen Frauen, die über Jahrhunderte fester Bestandteil der japansichen Kultur und Gesellschaft waren. Die kleine Chiyo (Suzuka Ohga, Ziyi Zhang) und ihre Schwester werden von ihrem Vater aus der Not heraus an einen wohlhabenen Hausstand in die Stadt verkauft. Besser gesagt: nur Chiyo wird von der geschäftstüchtigen Patronin eines Geishas-Hauses aufgenommen. Doch sie hat es schwer sich gegen ihre Konkurrentinnen, allen voran die ältere intrigante Hatsumomo (Gong Li) durchzusetzen. Schon als Chiyo fast nicht mehr daran glaubt, einmal zur Geisha ausgebildet zu werden, nimmt sich ihrer die berühmte Geisha Mameha (Michelle Yeoh) an. Sie ermöglicht Chiyo, die hohe Kunst der Konversation, des Tanzes und der Dienerschaft zu erlernen. Am Ende dieses Weges wird aus dem „hässlichen Entlein“ Chiyo die von den Männern so begehrte Sayuri.
Akzeptiert man den Vorsatz des Films, kein realistisches Portrait Japans und seiner Zeit abgeben zu wollen, ist Rob Marshalls „Chicago“-Nachfolger keinesfalls das schlechte Werk, als dass es gemeinhin im Feuilleton hingestellt wird. „Die Geisha“ überzeugt mit ihrer fast schon märchenhaften Geschichte über ein tapferes Mädchen, dass keine Kindheit und kein selbstbestimmtes Leben als Erwachsene führen durfte. In diesem Punkt liegt die Verfilmung des Bestsellers von Arthur Golden eher in einer Reihe mit den großen Dramen eines James Ivory oder, auf Deutschland bezogen, eines Theodor Fontane. Effi heißt hier Chiyo. Sie muss von klein an, ihre Existenz über Demut und Arbeit rechtfertigen. Kein Leben an sich scheint man ihr im rigiden Haushalt der Geisha-Ausbilderin zuzubilligen. Geradezu bezeichnend ist der Moment, in dem Mameha Chiyo aus der Obhut der strengen Herrin „herauskaufen“ möchte und die beiden Damen über das Schicksal des Mädchens wie beim Einkauf eines Sacks Reis verhandeln. Für viele der strengen Ausbilder waren Geishas ein gewöhnliches Investitionsobjekt, welches später eine möglichst hohe Rendite abzuwerfen hatte. Je höher diese war, desto angesehener war auch die Geisha. Gesellschaftlich legitimierte Sklaverei mit sorgsam gepuderten Antlitz sozusagen und eine ideologische Vorstufe zum heutigen Slogan vom „produktiven Humankapital“.
Ein Aufschrei ging durch die japanische Presse, als bekannt wurde, dass ausgrechnet drei Nicht-Japanerinnen die Hauptrollen übernehmen sollten. Die Produzenten entscheiden aus Kalkül, da Namen wie Ziyi Zhang und Gong Li auch in den USA und Europa über einen hohen Bekanntheitsgrad und künstlerisches Renomée verfügen. Wie Peter Zander in der „Welt“ bereits logisch und richtig erklärte, besteht für soviel japanisches Theater überhaupt keinen Anlass. Ansonsten hätte auch Ralph Fiennes nicht Amon Göth spielen dürfen. Ende der Diuskussion. Viel entscheidender ist es für das Funktionieren des Films, ob Zhang, Yeoh und Li ihren Charakter überzeugend und mit Leidenschaft ausfüllen. Und diesen Punkt muss man mit einem klaren „Ja“ beantworten. Ziyi Zhang war bereits in den beiden „Wuxia“-Meisterwerken „Hero“ und „Tiger & Dragon“ zum Sterben schön, hier zeigt sie aber, dass neben all der oberflächlichen Reinheit eine Schauspielerin von Format in ihr steckt. Ein Blick von ihr Richtung Himmel oder schamhaft verlegen in Richtung ihrer großen Liebe (Ken Watanabe) und schon muss sich der Zuschauer für sie verantwortlich fühlen. So zerbrechlich und scheu wirkt sie dann. Dass Regisseur Marshall sie dabei in Mitten einer übergroßen Kitschfantasie von Japan steckt, ist eine andere, weniger erfreuliche, Sache.
Beeindruckend ist bei Zhang Ziyi und der Darstellung ihres Filmcharakters Sayuri/Chiyo auch der schnelle Wechsel von der eben noch schüchternen Dienerin hin zur entschlossenen Kämpferin führ ihr eigenes Glück. Als könnte sie dieses herbeitanzen, derart exkstatisch führt sie in einem eleganten Theater vor einem geladenen Publikum ihr Können vor. Eingefangen durch eine atemberaubende Kameraarbeit von Dion Beebe, inszeniert und begleitet von einem betäubenden Lichtspektakel, spielt die zur Geisha ausgebildete Sayuri mit den Blicken der zahllosen männlichen Verehrer. Ein Flirt auf einer Meta-Ebene, erotisch und faszinierend. Von dem durch die Bank überzeugend aufspielenden Cast gilt es Gong Li zu erwähnen. Die große Dame des chinesischen Kinos arbeitet sich Szene um Szene weiter in unsere Hassfantasien hinein. Ihre egoistische, von Missgunst und Konkurrenzsucht zerfressene Hatsumomo ist die klassische „böse Schwiegermutter“ der Erzählung. Doch jeden Stein, den sie Chiyo/Sayuri in den Weg legt, lernt diese aus dem Weg zu räumen. Während Chiyo an ihrem Schicksal auch in den ärmlichen Kriegszeiten nicht zerbricht, sondern an ihm „wächst“, wird Hatsumomo nicht mit dem ihr aufgezwungenen Leben fertig. Die Unmöglichkeit, das zu tun, was das Herz ihr sagt, schlägt in Neid und Intriganz um.
Über eine Zeitspanne von knapp zwei Jahrzehnten begleitet der Film Chyios Leben. Rob Marshall vermeidet einen Blick über den Horizont der beengten Lebensverhältnisse im Geisha-Haushalt hinaus, das gesellschaftliche Umfeld und die politischen Umwälzungen im Japan der damaligen Zeit bleiben für den Zuschauer auf Radiomeldungen und einer späten Begegnung mit den neuen „Freunden“ aus dem Westen beschränkt. So sehr es legitim ist, gänzlich apolitisch zu bleiben, irgendwie trauert man schon den hier vergebenen Chancen nach. Besonders dann, als die Handlung wieder mal in malerischen Landschaftsaufnahmen und gesellschaftlichem Smalltalk stecken bleibt. Oder als abermals Chiyos Leben unter dem Zwang ihrer erwachsenen Herrscher portraitiert wird. Dabei ist das Konstrukt ihrer Lebensverhältnisse bereits nach einer halben Stunde festzementiert, ein finaler Ausbruch scheint erst nach dem Abspann möglich zu sein. Denn selbst als Sayuri nicht mehr als Geisha arbeitet, holt sie die Vergangenheit wieder ein. Insoweit beschränkt sich „Die Geisha“, überspitzt formuliert, auf einen hinreißend bebilderten Zickenkrieg.
Das sture Festhalten des von Marshall mit der ersten Einstellung eines idyllischen Fischerdorfs samt pittoresker Baumumrandung verfolgten „Japan sehen und sterben“-Motivs birgt stets die Gefahr des sich „satt sehens“. Spätestens dann flüchtet der Zuschauer mit seinen Gedanken aus dem Film. Die verschwenderische Optik erschlägt so manches, sie deckt viele kleine Nuancen und Gesten zu, für die sich die Darsteller mühsam abarbeiten. Jede Wette, dass Chiyos kleine Andeutungen gegenüber dem Direktor für viele Zuschauer unentdeckt bleiben werden. Dem Film hätte zudem eine Straffung um 20 bis 30 Minuten Gut zur Geischt gestanden . Spätestens beim Eintreffen der Amerikaner sehnt man das Ende herbei, weil schon alles gesagt und erklärt ist. Das hätte uns auch ein unnötig kitschiges Ende inmitten blühender Landschaften erspart, was einen gut gemachten, interessanten Film über Gebühr abwertet.
Zuerst veröffentlicht bei kino.de.
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