Jarhead - Zapping durch die Filmgeschichte
USA 2005
++1/2
„Jarhead“ erzählt die wahre Geschichte des Anthony Swofford (Jake Gyllenhaal). Ein Ex-Marine, der während des ersten Golfkrieges in der endlosen Einöde der saudi-arabischen Wüste als Scharfschütze eingesetzt wurde. Oder besser: der darauf wartete, eingesetzt zu werden. Denn mit „dem großen Warten“ ließe sich eine prägnante Überschrift finden, für das, was Swofford und seine Kameraden dort zu ertragen hatten. Lagerkoller, Hitze und angestaute Aggressionen untergruben die Moral der Soldaten. Das führte zu der perversen Situation, dass auf den ersten Schuss fast sehnsüchtig hingefiebert wurde. Saddams Arsch gehört ihnen, so viel ist sicher. Möge doch endlich dieser verdammte Krieg beginnen.
Sam Mendes kehrte der Vorstadt den Rücken und tauschte Anzug gegen schlichtes Dunkelgrün ein. Er drehte einen jederzeit nett anzusehenden, optisch beeindruckenden, aber auch sprunghaften und recht oberflächlichen Wüstenfilm, der sich mehr über das Bild, als den Rahmen definiert. Will heißen: „Jarhead“ punktet mit verspielter Montage und der Kameraarbeit eines Roger Deakins, ohne dabei den Zuschauer wirklich tief in militärische Strukturen und Mechanismen einzuführen. Das, was Mendes hier vorlegt, ist streng genommen doch äußerst banal und, was viel wichtiger ist, aus der Filmhistorie bestens bekannt. Und so fühlt sich sein Film irgendwie auch an. Es könnte sich um ein Mitschnitt von „Apocalypse Now“, über „Full Metal Jacket“, „Tigerland“ bis hin zu „Three Kings“ handeln. Sozusagen ein „Best Of“ illustrer Szenen dieser Vorläufer, aufgepeppt mit reichlich Schweiss und Testosteron. Für manch einen Regisseur wäre „Jarhead“ dennoch ein Highlight seines Schaffens, für Mendes ist es nach „American Beauty“ und „Road to Perdition“ zweifellos ein Rückschritt.
Nehmen wir da beispielhaft die Einführung in das Leben eines Marines. Zwischen Onanieren und Saufen ist nicht mehr viel Platz für schöngeistige Konversation. Der Mensch wird in diesem System klein und unmündig gehalten, er ist ein Kleinkind, das mit Waffen einmal Erwachsener spielen darf. Mit dynamischen Schnitten, peppiger Musikbegleitung und sarkastischem Voice Over setzt Mendes diese Entwicklung in mehreren Runden um. Natürlich ist diese Erkenntnis wenig überraschend, daher wirkt der Film bemüht diese Banalität mit Coolness und heißer Luft zu überspielen. Und ebenso planmäßig muss im Laufe der Operation „Langeweile im Nirgendwo“ Swofford ein Licht aufgehen, was die Sinnlosigkeit der ganzen harten Fassade des Soldatenmythos angeht. Bei der Konfrontation mit der hässlichen Fratze des Krieges bricht er zusammen, muss sich übergeben, weil das Gesehene einfach nicht in seinen kahlgeschorenen Schädel will. Der saubere Krieg ist eine Illusion, die nur im Pentagon existiert bzw. die nur dort zu existieren hat. Verkohlte Leichen eignen sich nicht wirklich für einen Fototermin.
Fast scheint es, als habe Mendes vor Drehbeginn eine Strichliste angefertigt, die er nun Punkt für Punkt abarbeitet. Bestenfalls ließe sich das ganze als eine Hommage an Coppola & Kompagnons interpretieren. Dafür spricht, dass im Armee-Kino ausgerechnet „Apocalypse Now“ gezeigt wird, was die Soldaten geradezu frenetisch abfeiern. Ein Antikriegsfilm als Motivationshilfe für kampfgeile Marines? Politisch höchst unkorrekt und damit einer der mutigeren Einfälle. Denn alleine die inflationäre Verwendung des F-Wortes als treffende Milieubeschreibung schockt in Zeiten von Eminem wohl niemand mehr. Andererseits verströmt vieles einen Beigeschmack des Altbekannten. Die eigenständige Handschrift erschöpft sich im schönen Äußeren. Roger Deakins lässt die Tristesse der Wüste wie ein pittoreskes Still-Leben aussehen. Sogar die ausgebrannten Autos besitzen eine verstörende Faszination. Wie dreckig und zynisch Krieg ist, das findet außerhalb der Leinwand statt. Statt dessen erleben wir Footballmatches, TV-Interviews, Weihnachtsbesäufnisse und absurde Drill-Einheiten. Kubrick hat selbiges bereits vor fast zwanzig Jahren eindrucksvoll verfilmt. „Jarhead“ müht sich redlich aus diesen großen Fußstapfen herauszutreten, der Sand im Getriebe verhindert jedoch, dass dies dem Film tatsächlich gelingt.
Eins-zu-Eins-Kopien geraten schnell in Vergessenheit. Ein Schicksal, was „Jarhead“ auch ereilen kann, da der Film einem Zapping durch die Kino-Geschichte gleicht. Dabei zeigt Mendes die Wandlung des Einzelnen in der Militär-Maschinerie groteskerweise anhand der Kriegsvorbereitungen und dem alltäglichen sinnlosen Drill. Krieg, darauf fiebern schließlich alle hin, ist hier etwas, was zumeist nur in den Köpfen der Marines und für uns außerhalb der Leinwand stattfinden darf. Wenn der innere Leidensdruck zu groß wird, müssen Swofford und seine Kameraden ihren Männlichkeitsüberschuss bei Sport und Kanistersaufen abreagieren. Ein anderes Ventil haben sie nicht. Jake Gyllenhaal hat für diese ungewöhnliche Soldatenrolle den passenden verträumten fragenden Blick. Von Lethargie, Gleichgültigkeit bis hin zu grenzenlosen Hass darf er sich einmal querbeet durchs gesamte Charakterasernal pflügen. Allerdings bleibt bereits nach kurzer Zeit nicht sehr viel davon haften. Da kann Kollege Peter Sarsgaard schon eher punkten, mit etwas mehr Zurückhaltung und der Explosion im unerwarteten Moment. Aber selbst sein Filmcharakter Troy verkommt zu einem Phantom, einer menschlichen Black Box, wie all die anderen Soldaten auch. Eher lassen sie sich anhand von Äußerlichkeiten katalogisieren (der Latino, der Brillenträger, der Superprolet usw.). Kein unbedingtes Indiz für einen tiefgründigen Film.
Jeder (Anti-)Kriegsfilm ist anders, jeder (Anti-)Kriegsfilm ist gleich. Es spielt keine Rolle, ob sich die Truppe in der Wüste Saudi-Arabiens befindet oder im dichten Dschungel von Vietnam. Das System „Army“ funktioniert überall. Und das Kino sieht überall gleich aus. Mendes hält sich bewusst aus den beliebten Scharmützeln pro/contra Irak-Krieg und einem Kommentar zur aktuellen amerikanischen Außenpolitik heraus. Vermutlich ist er auch zu sehr damit beschäftigt, Swoffords Geschichte möglichst unterhaltsam und stilistisch einwandfrei zu erzählen. Herausgekommen ist letztlich ein kurzweiliger, gleichsam wenig origineller Ausflug in den Dreck, der vor allem als Werbevideo für Militärfetischisten zu gebrauchen ist.
Zuerst erschienen bei kino.de.
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„Jarhead“ erzählt die wahre Geschichte des Anthony Swofford (Jake Gyllenhaal). Ein Ex-Marine, der während des ersten Golfkrieges in der endlosen Einöde der saudi-arabischen Wüste als Scharfschütze eingesetzt wurde. Oder besser: der darauf wartete, eingesetzt zu werden. Denn mit „dem großen Warten“ ließe sich eine prägnante Überschrift finden, für das, was Swofford und seine Kameraden dort zu ertragen hatten. Lagerkoller, Hitze und angestaute Aggressionen untergruben die Moral der Soldaten. Das führte zu der perversen Situation, dass auf den ersten Schuss fast sehnsüchtig hingefiebert wurde. Saddams Arsch gehört ihnen, so viel ist sicher. Möge doch endlich dieser verdammte Krieg beginnen.
Sam Mendes kehrte der Vorstadt den Rücken und tauschte Anzug gegen schlichtes Dunkelgrün ein. Er drehte einen jederzeit nett anzusehenden, optisch beeindruckenden, aber auch sprunghaften und recht oberflächlichen Wüstenfilm, der sich mehr über das Bild, als den Rahmen definiert. Will heißen: „Jarhead“ punktet mit verspielter Montage und der Kameraarbeit eines Roger Deakins, ohne dabei den Zuschauer wirklich tief in militärische Strukturen und Mechanismen einzuführen. Das, was Mendes hier vorlegt, ist streng genommen doch äußerst banal und, was viel wichtiger ist, aus der Filmhistorie bestens bekannt. Und so fühlt sich sein Film irgendwie auch an. Es könnte sich um ein Mitschnitt von „Apocalypse Now“, über „Full Metal Jacket“, „Tigerland“ bis hin zu „Three Kings“ handeln. Sozusagen ein „Best Of“ illustrer Szenen dieser Vorläufer, aufgepeppt mit reichlich Schweiss und Testosteron. Für manch einen Regisseur wäre „Jarhead“ dennoch ein Highlight seines Schaffens, für Mendes ist es nach „American Beauty“ und „Road to Perdition“ zweifellos ein Rückschritt.
Nehmen wir da beispielhaft die Einführung in das Leben eines Marines. Zwischen Onanieren und Saufen ist nicht mehr viel Platz für schöngeistige Konversation. Der Mensch wird in diesem System klein und unmündig gehalten, er ist ein Kleinkind, das mit Waffen einmal Erwachsener spielen darf. Mit dynamischen Schnitten, peppiger Musikbegleitung und sarkastischem Voice Over setzt Mendes diese Entwicklung in mehreren Runden um. Natürlich ist diese Erkenntnis wenig überraschend, daher wirkt der Film bemüht diese Banalität mit Coolness und heißer Luft zu überspielen. Und ebenso planmäßig muss im Laufe der Operation „Langeweile im Nirgendwo“ Swofford ein Licht aufgehen, was die Sinnlosigkeit der ganzen harten Fassade des Soldatenmythos angeht. Bei der Konfrontation mit der hässlichen Fratze des Krieges bricht er zusammen, muss sich übergeben, weil das Gesehene einfach nicht in seinen kahlgeschorenen Schädel will. Der saubere Krieg ist eine Illusion, die nur im Pentagon existiert bzw. die nur dort zu existieren hat. Verkohlte Leichen eignen sich nicht wirklich für einen Fototermin.
Fast scheint es, als habe Mendes vor Drehbeginn eine Strichliste angefertigt, die er nun Punkt für Punkt abarbeitet. Bestenfalls ließe sich das ganze als eine Hommage an Coppola & Kompagnons interpretieren. Dafür spricht, dass im Armee-Kino ausgerechnet „Apocalypse Now“ gezeigt wird, was die Soldaten geradezu frenetisch abfeiern. Ein Antikriegsfilm als Motivationshilfe für kampfgeile Marines? Politisch höchst unkorrekt und damit einer der mutigeren Einfälle. Denn alleine die inflationäre Verwendung des F-Wortes als treffende Milieubeschreibung schockt in Zeiten von Eminem wohl niemand mehr. Andererseits verströmt vieles einen Beigeschmack des Altbekannten. Die eigenständige Handschrift erschöpft sich im schönen Äußeren. Roger Deakins lässt die Tristesse der Wüste wie ein pittoreskes Still-Leben aussehen. Sogar die ausgebrannten Autos besitzen eine verstörende Faszination. Wie dreckig und zynisch Krieg ist, das findet außerhalb der Leinwand statt. Statt dessen erleben wir Footballmatches, TV-Interviews, Weihnachtsbesäufnisse und absurde Drill-Einheiten. Kubrick hat selbiges bereits vor fast zwanzig Jahren eindrucksvoll verfilmt. „Jarhead“ müht sich redlich aus diesen großen Fußstapfen herauszutreten, der Sand im Getriebe verhindert jedoch, dass dies dem Film tatsächlich gelingt.
Eins-zu-Eins-Kopien geraten schnell in Vergessenheit. Ein Schicksal, was „Jarhead“ auch ereilen kann, da der Film einem Zapping durch die Kino-Geschichte gleicht. Dabei zeigt Mendes die Wandlung des Einzelnen in der Militär-Maschinerie groteskerweise anhand der Kriegsvorbereitungen und dem alltäglichen sinnlosen Drill. Krieg, darauf fiebern schließlich alle hin, ist hier etwas, was zumeist nur in den Köpfen der Marines und für uns außerhalb der Leinwand stattfinden darf. Wenn der innere Leidensdruck zu groß wird, müssen Swofford und seine Kameraden ihren Männlichkeitsüberschuss bei Sport und Kanistersaufen abreagieren. Ein anderes Ventil haben sie nicht. Jake Gyllenhaal hat für diese ungewöhnliche Soldatenrolle den passenden verträumten fragenden Blick. Von Lethargie, Gleichgültigkeit bis hin zu grenzenlosen Hass darf er sich einmal querbeet durchs gesamte Charakterasernal pflügen. Allerdings bleibt bereits nach kurzer Zeit nicht sehr viel davon haften. Da kann Kollege Peter Sarsgaard schon eher punkten, mit etwas mehr Zurückhaltung und der Explosion im unerwarteten Moment. Aber selbst sein Filmcharakter Troy verkommt zu einem Phantom, einer menschlichen Black Box, wie all die anderen Soldaten auch. Eher lassen sie sich anhand von Äußerlichkeiten katalogisieren (der Latino, der Brillenträger, der Superprolet usw.). Kein unbedingtes Indiz für einen tiefgründigen Film.
Jeder (Anti-)Kriegsfilm ist anders, jeder (Anti-)Kriegsfilm ist gleich. Es spielt keine Rolle, ob sich die Truppe in der Wüste Saudi-Arabiens befindet oder im dichten Dschungel von Vietnam. Das System „Army“ funktioniert überall. Und das Kino sieht überall gleich aus. Mendes hält sich bewusst aus den beliebten Scharmützeln pro/contra Irak-Krieg und einem Kommentar zur aktuellen amerikanischen Außenpolitik heraus. Vermutlich ist er auch zu sehr damit beschäftigt, Swoffords Geschichte möglichst unterhaltsam und stilistisch einwandfrei zu erzählen. Herausgekommen ist letztlich ein kurzweiliger, gleichsam wenig origineller Ausflug in den Dreck, der vor allem als Werbevideo für Militärfetischisten zu gebrauchen ist.
Zuerst erschienen bei kino.de.
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