Freitag, Februar 23, 2007

Der letzte König von Schottland - Dr. Jeckyll & Mr. Hyde


USA/GB 2006

+++1/2

Er gehörte zu den grausamsten Despoten des 20. Jahrhunderts. Der ugandische Militärdiktator Idi Amin herrschte in der zentralafrikanischen Republik von 1971 bis 1979 mit äußerster Brutalität, eher er das Land nach einer gescheiterten Invasion Tansanias in Richtung Saudi-Arabien verlassen musste. Unter dem leicht irreführenden Titel Der letzte König von Schottland verfilmte Regisseur Kevin MacDonald mit einem überragenden Forest Whitaker in der Rolle des Idi Amin die Chronik dieser auch für den so geschundenen Kontinent Afrika fast beispiellosen Terrorherrschaft.

Filmkritik:

Als der junge schottische Arzt Nicholas Garrigan (James McAvoy) Anfang der 70er Jahre seine Heimat gen Afrika verlässt, um so endlich der Aufsicht und Kontrolle seines dominanten Vaters zu entkommen, ahnt er noch nicht, wo er einmal landen sollte. Im Kreis der engsten Vertrauten des ugandischen Diktators Idi Amin (Forest Whitaker). Es ist ein Zufall – ein unglücklicher wie sich letztlich herausstellen soll – den Garrigan auf die Person des gerade durch einen Putsch an die Macht gekommenen General treffen lässt. Nach einem Autounfall ist es Garrigan, der Amins Wunden verarztet. Als Zeichen seiner Dankbarkeit offeriert dieser ihm den Posten des Leibarztes. Schnell lernt Garrigan, die aus seiner herausgehobenen Stellung resultierenden Privilegien zu schätzen. Der luxuriöse Lebensstil macht ihn dabei anfänglich blind für die Gräueltaten, die um ihn herum geschehen. Erst nachdem sich Amins Aggressionen und Launen auch gegen Menschen in seinem engeren Umfeld richten, beginnt er das totalitäre System in Frage zu stellen.

Kevin MacDonalds Film behandelt eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren afrikanischen Geschichte. So schätzen Menschenrechtsorganisationen die Zahl der unter Amin verschleppten und ermordeten Regimegegner – darunter viele Anhänger des gestürzten Präsidenten Obote – auf 100.000 bis 300.000. Genauere Angaben gibt es nicht. Allein das lässt erahnen, wie der sich selbst zum mächtigsten Mann der Welt erklärte Amin in Uganda gewütet haben muss. Basierend auf dem Roman von Giles Foden schildert MacDonald durch die Augen eines fiktiven Charakters, wie das „System Idi Amin“ im Kleinen und Großen funktionierte. Die Paranoia des größenwahnsinnigen Generals machte auch vor dessen Mitarbeitern und Anhängern nicht Halt. Wie ein Krebsgeschwür fraß sich die Angst vor Repressalien durch eine ganze Nation.

Garrigan, in einer Mischung aus noch jugendlicher Gutgläubigkeit und selbstbetrügerischer Naivität, lässt sich lange Zeit von der charismatischen Persönlichkeit Amins blenden. Er macht die Augen zu, obwohl die Verbrechen eigentlich nicht zu leugnen sind. Damit steht er stellvertretend für die Haltung des Westens, der, was Afrika anbelangt, bis heute zumeist lieber wegschaut statt zu handeln. Und obgleich der Zuschauer in einem dramatischen Finale vor allem mit Garrigan leiden und bangen wird, beutet der Film Afrika und seine Bewohner nicht als weitere exotische Thrillerkulisse aus. Zu aufrichtig nimmt sich MacDonald dafür dem schwierigen Thema an, indem er zwar subtil aber eindringlich die Folgen der Terrorherrschaft filmisch verarbeitet. Rauchwolken am Horizont künden von den Schrecken eines unmenschlichen Systems. Kontrastiert mit dem scheinbar sorglosen Leben im Präsidentenpalast erhält die gezeigte Armut der Zivilbevölkerung einen besonders bitteren Beigeschmack.

Was Der letzte König von Schottland schließlich jedoch zu einem Must-See macht, hat weniger mit MacDonalds Regieeinfällen als mit der Leistung seines heimlichen Hauptdarstellers zu tun. Forest Whitaker – auch wenn auf ihn im Vergleich zu James McAvoy deutlich weniger Leinwandzeit entfällt – drückt dem Film mit einer der Rolle angemessenen rücksichtslosen Körperlichkeit seinen Stempel auf. Er brilliert mit einem Mienenspiel, das beängstigend sicher zwischen den unterschiedlichsten Gemütszuständen changiert. Von einer Sekunde auf die andere verändert Whitaker Stimme, Mimik und Gestus. Aus einer fast väterlichen Fürsorge entstehen pure Aggressionen. Wir erhalten auf diese Weise eine Ahnung davon, wie Amin es aus einfachen Verhältnissen überhaupt an die Spitze eines Staates schaffen konnte, wie er Menschen für sich und die eigenen Ziele instrumentalisieren konnte. Er war so etwas wie ein realer Dr. Jeckyll & Mr. Hyde, der Afrika ein kaum fassbares grausiges Erbe hinterlassen hat.

Für Programmkino.de.