Montag, Februar 12, 2007

Die Hollywood-Verschwörung - Wenn die Nacht am tiefsten

USA 2006

+++

Der offiziell als Selbstmord deklarierte Tod des ehemaligen Superman-Darstellers George Reeves Ende der 50er Jahre gehört bis heute zu den großen ungelösten Mysterien der Traumfabrik. Die Hollywood-Verschwörung entwirft entlang der fiktiven Nachforschungen eines Privatermittlers ein detailreiches und stimmiges Porträt von Hollywoods düsterer Seite abseits des Glamours und des Scheinwerferlichts. In Stil und Dramaturgie angelehnt an die klassischen Film Noir-Geschichten von Chandler und Ellroy spielt Regisseur Allen Coulter selbstbewusst mit den Regeln des Genres. Ben Affleck erhielt für seine Verkörperung des legendären Superman-Schauspielers bei den Filmfestspielen von Venedig überraschend den Coppa Volpi.
Filmkritik:

Die Schüsse, die in der Nacht des 16. Juni 1959 im Schlafzimmer des TV-Superman-Darstellers George Reeves (Ben Affleck) abgefeuert wurden, geben nicht nur der geschockten amerikanischen Öffentlichkeit so manches Rätsel auf. War es ein Suizid, wie von offizieller Seite nach den Ergebnissen der Obduktion behauptet wird? Oder doch Mord? Vielleicht aus Rache, vielleicht aus Eifersucht? Auch Reeves Mutter (Lois Smith) glaubt der Selbstmord-Theorie nicht. Sie beauftragt, den Privatdetektiv Louis Simo (Adrien Brody) eigene Nachforschungen anzustellen. Schnell stößt dieser dabei auf Anhaltspunkte, die seine anfänglichen Zweifel an den offiziellen Ermittlungsergebnissen nähren.

Reeves frühere Geliebte und Förderin Toni Mannix (Diane Lane), die Frau des mächtigen MGM-Boss Eddie Mannix (Bob Hoskins), verhält sich merkwürdig. Ihr Motiv könnte in Reeves neuer Partnerin, dem Schauspielsternchen Leonore Lemmon (Robin Tunney) zu finden sein. Verschmähte Liebe und Eifersucht ergeben oftmals einen tödlichen Cocktail, das weiß Simo aus seiner täglichen Arbeit nur zu gut. Aber auch die verführerische Miss Lemmon macht sich verdächtig. Erst eine Dreiviertelstunde, nachdem die tödlichen Schüsse abgegeben wurden, meldet sie den Vorfall der Polizei, und das, obwohl sie sich ebenfalls am Tatort befand.
Die Hollywood-Verschwörung nutzt wie schon Ellroys berühmter und erst kürzlich verfilmter Roman Die schwarze Dahlie eine reale bis heute nicht aufgeklärte Tat, um daran exemplarisch den Zeitgeist und die Stimmung der zu Ende gehenden „goldenen Ära“ der Traumfabrik zu beleuchten. Dementsprechend düster und ungeschönt fällt der Blick hinter die Kulissen des Film- und TV-Geschäfts aus, das selbst einst gefeierte Stars wie George Reeves gewissenlos entsorgte. Reeves Fluch lag in der Festlegung auf den Charakter des „All American Hero“. Ähnlich wie der durch die Star Wars-Saga bekannt gewordene Mark Hamill, litt er unter der strengen Typisierung durch Öffentlichkeit und Studios. In einer zu gleichen Teilen komischen wie tragischen Szene, sieht man Reeves, am Grill stehend, den eigenen Superman-Anzug verbrennen. Treffender lässt sich sein gesamtes Dilemma nicht auf den Punkt bringen.
Es war schon mehr als eine kleine Sensation, dass ausgerechnet der im Charakterfach bislang nicht wirklich auffällig gewordene Ben Affleck bei den Filmfestspielen von Venedig die Auszeichnung als „Bester Schauspieler“ verliehen bekam. In den Rückblenden auf Reeves berufliches und privates Leben, die von Regisseur Allen Coulter zwischen Simos Nachforschungen im Hollywood-Milieu geschnitten wurden, zeigt der von der Boulevardpresse als „Ex von Jennifer Lopez“ verspottete Affleck das ihn diese Ehre keinesfalls zu Unrecht ereilte. Erst seine überzeugende und unangestrengte Vorstellung macht die ganze Tragik des echten Georges Reeves erfahrbar: Gescheitert an den eigenen zu hohen Ansprüchen und einem System, das sich gleichsam dem Diktat des Marktes beugen muss.

Stilistisch wie inhaltlich orientieren sich Coulter und sein Drehbuchautor Paul Bernbaum unübersehbar an den Klassikern der Schwarzer Serie und deren moderne Pendants. Der bis auf wenige Ausnahmen spannungsreiche Plot wartet mit dem für das Genre typischen Personenarsenal auf. Geheimnisvolle Femme Fatales, zwielichtige Strippenzieher, ein heruntergekommener dem Alkohol nicht abgeneigter Privatschnüffler, in Die Hollywood-Verschwörung ist Platz für jedes in einem solchen Kontext nur erdenkliche Stereotyp. Was im Allgemeinen als nur wenig phantasievolle Ansammlung bekannter Klischees gelten würde – vor allem Brodys Sam Spade-Verschnitt schrammt mitunter haarscharf an der Grenze zur Karikatur vorbei – lässt sich mit dem Verweis auf eine bewusste Hommage an den Film Noir rechtfertigen. Dass das sorgsam aufgebaute, fragile Gebilde aus Verschwörungen und Verdächtigungen schlussendlich keine befriedigende Antwort auf die Frage geben kann, was in jener Nacht im Hause Reeves tatsächlich geschah, dürfte niemanden überraschen. Der Film überlässt es dem Zuschauer, welcher Auflösung er Glauben schenken mag.