Freitag, Februar 16, 2007

Junebug - Ordinary People

USA 2005

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Da Stil und Ton amerikanischer Independent-Produktionen immer öfters Einzug auch in den Mainstream halten und von diesem – sprich Hollywood – sogar mittlerweile ganz ungeniert kopiert werden, fällt es keinesfalls leicht, noch originell und authentisch außerhalb des Studiosystems eine Filmidee umzusetzen. Debütant Phil Morrison ist genau dieses Kunststück gelungen. Seine bereits vor zwei Jahren auf dem Sundance Filmfestival uraufgeführte Tragikomödie Junebug wartet mit einer Vielzahl „lebendiger“ Charaktere und einer großartigen Amy Adams auf, die für ihr Spiel mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde.

Filmkritik:

Auf den ersten Blick klingt die Story von Junebug zugegeben beängstigend nach dem abgenutzten Schema einer „Clash of Cultures“-Komödie, in der eine moderne, intelligente Ostküsten-Geschäftsfrau (Embeth Davidtz) auf eine Gruppe gottesfürchtiger und vermeintlich einfältiger Südstaatler trifft. Anfänglich bewegt sich der Plot auch in diesen Bahnen, wobei die Betonung richtigerweise auf „anfänglich“ liegt. Denn das Drehbuch von Angus MacLachlan nutzt das Setup „Blue vs. Red States“, um etwas viel Tiefergehendes im Umgang mit den Herausforderungen des Alltags aufzuspüren.
Madeleine, die Ostküsten-Intellektuelle, entspricht dem Bild einer typischen Städterin: selbstständig, aufgeschlossen, fortschrittlich. Berufliche Gründe sind es, die sie für kurzzeitig weg von der Metropole Chicago nach North Carolina führen. Sie hofft, für ihre Kunstgalerie einen Exklusiv-Vertrag mit einem dort ansässigen Maler abschließen zu können. Auf dem Trip begleitet sie ihr Mann George (Alessandro Nivola), der nach mehreren Jahren bei seinen Eltern vorbeischauen und ihnen bei der Gelegenheit gleichzeitig seine frisch angetraute Ehefrau vorstellen will.
Georges Familie reagiert höchst unterschiedlich auf Madeleine. Während seine Mutter Peg (Celia Weston) dem Neuzugang ablehnend gegenübersteht – sie glaubt, Georges und Madeleines Beziehung sei nicht von Dauer – gibt sich Vater Eugene (Scott Wilson) deutlich sanftmütiger und respektvoller. Georges jüngerer Bruder Johnny (Benjamin McKenzie) missversteht die ihm von Madeleine entgegen gebrachte Aufmerksamkeit als Annäherungsversuch. Er beneidet George nicht nur um dessen hübsche, kluge Partnerin, er hat es zudem bis heute nicht verwunden, dass ihm im Gegensatz zu George nicht die Möglichkeit eröffnet wurde, aufs College zu gehen. Und schließlich ist da noch Ashley (Amy Adams), Johnnys hochschwangere Frau. Sie ist Feuer und Flamme für das neue Familienmitglied, bewundert sie Madeleine doch für das, was sie aus ihrem Leben gemacht hat.
Die zuvor vor allem im Serienfach erprobte Adams (Smallville, Buffy, The Office) symbolisiert mit ihrer natürlichen, niemals überzogenen Darstellung der gutherzigen Ashley so etwas wie das emotionale Zentrum von Junebug. Jede Szene, in der Adams erscheint, strahlt unweigerlich Wärme und Geborgenheit aus. Sogar in tragischen Augenblicken verleiht sie ihrem Charakter einen fast unerschütterlichen Optimismus. Völlig zu Recht erhielt sie dafür in Sundance stehende Ovationen und eine Oscar-Nominierung als „Best Supporting Actress“. Aber nicht nur Adams überzeugt. Benjamin McKenzie meistert den schwierigen und für das Funktionieren der Geschichte nicht minder entscheidenden Part des einsilbigen, in sich verschlossenen Landeis.
Die Entdeckung der Langsamkeit als bedeutsames Stilmittel erlebte mit David Lynchs The Straight Story – Eine wahre Geschichte eine Wiedergeburt. Regisseur Morrison streut in seinem Erstling Szenen von scheinbarer Belanglosigkeit ein, die mitunter an ein Stillleben erinnern. Er und Drehbuchautor MacLachlan nehmen sich ganz bewusst Zeit. Auf keinen Fall soll der Eindruck entstehen, hier würden Klischees abgearbeitet und durchdekliniert. In Junebug gibt es keine küchenpsychologischen Erklärungen, nur eine Unmenge ehrliche Anteilnahme an jedem einzelnen Schicksal. Größere Katastrophen sucht man vergebens, ebenso wie amouröse Verwicklungen. Morrisons bemerkenswertes Regiedebüt beobachtet lediglich Menschen bei dem Versuch, mit ihren alltäglichen Problemen, Enttäuschungen und Hoffnungen klar zu kommen. Jeder auf seine Art. Und das ist schon eine ganze Menge.

Erschienen bei Programmkino.de.

3 Comments:

Anonymous Anonym said...

Ich bin "fast" schockiert, 3 Sterne für Junebug und dann auch noch für Die Hollywood-Verschwörung!

Jungebug, da war Amy Adams wunderbar nervig, aber das war es auch schon an Highlights bei diesem Film!

Und Die Hollywood Verschwörung ist einfach nur so dahin geplätschert!

Februar 17, 2007 1:28 PM  
Anonymous Anonym said...

mir gehts da genau so.

JUNEBUG hat - bis auf Adams - nicht wirklich etwas zu bieten, außer in manchen Momenten eben krampfhaft "anders" und "skurril" auszusehen. Teilweise einschläfernd, teilweise nett, teilweise einfach 5 Jahre zu spät.

Timo

Februar 18, 2007 11:43 AM  
Blogger Marcus kleine Filmseite said...

doch, ich sehe "junebug" auch abseits von der bezaubernden adams in seiner bewussten langsamkeit und der ruhe, die er sich in jeder szene nimmt, als interessanten gegenpol zu dem immer geschwätzigeren, temporeicheren kino.

als "krampfhaft" emfand ich das jedenfalls zu keiner zeit.

Februar 19, 2007 11:29 AM  

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