Samstag, Mai 26, 2007

GG 19 - Schulfernsehen der ganz üblen Sorte


D 2007

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Allein das Vorhaben klingt ehrgeizig und nicht frei von Stolpersteinen: Regisseur und Produzent Harald Siebler unternahm zusammen mit 18 Nachwuchsregisseuren den Versuch, die 19 Grundrechte des Grundgesetzes in Form von jeweils in sich abgeschlossenen Kurzgeschichten zu verfilmen. Unterstützt von reichlich Schauspielprominenz – Karoline Eichhorn, Anna Thalbach, Justus von Dohnany und Josef Ostendorf übernahmen jeweils einen Part – und gefördert von öffentlichen wie privaten Finanziers sollte GG19 ein Stück informatives, politisches Kino werden, das sein Publikum zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Soweit die Theorie, denn die Praxis sieht anders aus.

Filmkritik:

Auf den ersten Blick verwundert es schon, dass der Ansatz, sich filmisch den Grundrechten zu nähern, bislang eigentlich noch von niemand ergriffen wurde. Immerhin gilt das Grundgesetz seit 1949, wobei es seitdem zu einigen politisch heftig umstrittenen Änderungen wie der Einschränkung des Grundrechts auf Asyl und der Unverletzlichkeit der Wohnung kam. Aus einer solchen jedem von uns mehr oder weniger vertrauten Vorlage müsse sich doch ein engagiertes Kinoprojekt formen lassen, dachte sich auch Regisseur und Produzent Harald Siebler.

Siebler wollte GG19 in Kooperationen mit jungen Filmemachern – zumeist Absolventen deutscher Filmhochschulen – verwirklichen. Weil sich das Thema augenscheinlich auch zu Unterrichtszwecken eignet, wurde sogar die Bundeszentrale für politische Bildung in die Förderung der Projektentwicklung miteingebunden. Eine Jury, der u.a. der verstorbene Verfassungsrechtler Prof. Jürgen Seifert, die Schauspielerin Maria Schrader und Filmproduzent Richard Schöps angehörten, fiel die keineswegs leichte Aufgabe zu, aus über 480 Einsendungen die 19 Drehbücher auszuwählen.

Wer dem Zynismus nicht abgeneigt ist, kann nach Ansicht des 120-minütigen Endprodukts lange darüber philosophieren, wie schlecht womöglich die anderen Entwürfe gewesen sein müssen, angesichts dessen, was die „Experten“ für umsetzungswürdig erachteten. Vermutlich liegt in dieser Grundkonstruktion schon der entscheidende Fehler, der erklärt, warum GG19 über didaktisch aufdringliches Anschauungsmaterial für den Gesellschaftskundeunterricht nicht hinauskommt. Wenn kollektive, politisch korrekte Entscheidungsfindung den kreativen Prozess des Filmemachens durchkreuzt und ein sicherlich ehrenwertes Ziel wie die Diskussion über Grundrechte das „Wie“ der Umsetzung dominiert, dann kann dabei nur schwerlich etwas Überzeugendes entstehen.

Abgesehen von der Konzeption des Films als ein loser Flickenteppich von einander strikt getrennter Geschichten, krankt Sieblers politische Lehrstunde an der größtenteils fehlenden Abstraktion des jeweiligen Themas, sprich des jeweiligen Grundgesetzartikels. Das eingeschränkte Grundrecht auf Asyl wird plakativ mit herzlosen Beamten und einer einfallslos bebilderten Abschiebeprozedur illustriert, die Versammlungsfreiheit muss selbstverständlich mit einer vor dem Reichstag demonstrierenden resoluten Dame, die ein Plakat mit der Aufschrift „Nie wieder“ trägt, veranschaulicht werden. Zu ihr gesellt sich zu allem Überfluss ein jüngerer Mann, der die Wohlfühlbotschaft „Gemeinsam sind wir stark!“ hochhalten darf. In diesen Momenten erschlägt die ehrenwerte Absicht, über den Film das politische und demokratische Bewusstsein schärfen zu wollen, die Dramaturgie der einzelnen Episoden. Statt sich vielleicht subtil einem Aspekt wie dem in Artikel 5 Absatz 1 verbürgten Zensurverbot zu nähern, werden dem Zuschauer die Pro- und Contra-Argumente in Form einer plakativen Gerichtsverhandlung sprichwörtlich entgegen geschrieen, bei dem der erhobene Zeigefinger omnipräsent ist und sogar eine tolle Schauspielerin wie Karoline Eichhorn auf verlorenem Posten kämpft. So ist letztlich nur gewährleistet, dass einem die Lust, sich näher mit unserer Verfassung zu beschäftigen, garantiert vergeht.

Nach einem skurrilen und surrealen Einstieg, der seinen Autor immerhin als Freund von Franz Kafka und Tim Burton outet und der dabei mit den Absurditäten des öffentlichen Verwaltungsapparates spielt, verflacht die Inszenierung zunehmend auf sehr überschaubarem TV-Niveau. Mausgrau und fade erscheint die Verpackung in Bild und Ton und so kommt es, dass sich der Film äußerst zäh von Grundrecht zu Grundrecht schleppt und man als Zuschauer nach jedem Beitrag das Ende herbeisehnt. Auch die originelle, verspielte Geschichte um ein frisch gebackenes Hausbesitzerpärchen ändert daran nichts mehr. Im Gegenteil: Diese mit leichter Hand erzählten 6 Minuten lassen einen schlagartig erkennen, was GG19 die meiste Zeit über schmerzlich fehlt.

Für Programmkino.de.