Mittwoch, Juni 13, 2007

Hostel 2 - Zurück im Folterkeller


USA 2007

++1/2

Achtung: Der nachfolgende Text basiert auf der ungeschnittenen US-Kinofassung, die von der deutschen Verleihversion abweicht!

Der Erfolg von Hostel hat alle Beteiligten überrascht. Eine clevere Werbekampagne, die gezielt auf die Faszination des Perversen setzte, verbunden mit dem Gütesiegel „Quentin Tarantino präsentiert“ sorgten für volle Kinosäle und entsetzte Zuschauerreaktionen. Mit Eli Roth hatte das amerikanische Genre-Kino plötzlich einen neuen Star, der wie sein Mentor Tarantino mittlerweile selber als eigene Marke beworben wird.

Nun also Hostel zum Zweiten. Dieser wird an den „Love it or hate it“-Faktor seines Vorgängers mühelos heranreichen, soviel steht fest. Denn Roth weiß, was er seinen Fans geben muss, damit die aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, und er weiß, wie er alle Anderen vor den Kopf stößt. Dabei wäre es falsch, Hostel 2 auf seine Gore-Szenen zu reduzieren. Die von den meisten Roth-Hassern herausgestellten Blut- und Gedärmespiele sind nur ein Puzzleteil, das sich in Verbindung mit einer Vielzahl anderer Aspekte zu einem viel größeren Bild zusammensetzt.

In Hostel mussten drei Backpacker am eigenen Leib erfahren, was es heißt, wenn Menschen zu einer austauschbaren Ware degradiert werden, deren Preis sich nach Angebot und Nachfrage bemisst. Während die Jungs zu Beginn ihres Europa-Trips von diesem Prinzip sorglos noch selber Gebrauch machten – käuflicher Sex und Amsterdam, das gehört einfach zusammen – sollte es in den dunklen Katakomben einer stillgelegten Fabrik in der slowakischen Einöde zu einem radikalen Rollenwechsel kommen, der den kapitalistischen Angebot-Nachfrage-Gedanken in sein Extrem steigerte.

Die Fortsetzung scheint zunächst die Struktur des ersten Teils zu kopieren. Beth (Lauren German), Lorna (Heather Matarazzo) und Whitney (Bijou Philips) befinden sich zu Studienzwecken in Italien. Um den Trubel der Metropole Rom zu entfliehen, entscheiden sich die drei Freundinnen, einen Wochenendtrip zu untenehmen. Einer neuen Bekannten (Vera Jordanova) gelingt es, sie zu einem Abstecher in die Slowakei zu überreden. Das dortige Hostel macht auf die Studentinnen anfänglich einen guten Eindruck. Dass sich hinter der schicken Fassade eine unvorstellbare Todesfabrik verbirgt, wird Beth, Lorna und Whitney erst bewusst, als es bereits zu spät ist, und sie sich auf der Schlachtbank wiederfinden.

Roth war offensichtlich daran gelegen, die andere Seite des kranken Handels mit Menschenleben zu beleuchten. So verbringt der Zuschauer in Teil 2 deutlich mehr Zeit mit den Tätern, die sich ihre späteren Opfer wie die Sonderausstattung beim Autokauf aussuchen. Styling, Make-up, die Folterwerkzeuge, alles wird akribisch geplant und organisiert. Wer zahlt, bestimmt, was gespielt wird. In einer der stärksten Szenen des Films, die ohne Blut die ganze Perversion dieser Menschenjagd begreiflich macht, schneidet Roth den Bieterstreit um das Leben eines der Mädchen im Stile eines typischen Werbeclips für eine Internetauktionsseite zusammen. 3,2,1, meins! Treusorgende Familienväter, erfolgreiche Geschäftsleute, sie alle gieren danach, einmal zu töten. Diese Suggestion schockt mehr, als der gesamte nachfolgende Trip in den Folterkeller.

Gäbe es nicht den Ansatz, einmal eingehender hinter die Fassade des „Elite Hunting“-Unternehmens zu blicken, Hostel 2 hätte einem als Kenner des ersten Teils nichts Neues zu erzählen. Aber auch so kommt zuweilen Langeweile auf, weil Roth die gleiche Dramaturgie ein weiteres Mal abspult. Viele der Bilder können aus diesem Grund nicht mehr die Beklemmung und Verstörung des Originals hervorrufen. Man weiß, was hinter den Mauern der zerfallenen Fabrik vor sich geht, der Überraschungseffekt fällt weg.

Die viel diskutierten Gewaltexzesse wirken in der ungeschnittenen US-Kinofassung bis auf wenige Ausnahmen erstaunlich gemäßigt. Dass der deutschen FSK vor allem zwei Szenen, die Sex und ausgelebte Gewaltfantasien vermischen, ein Dorn im Auge waren, ist offenkundig. Beide dürften für die deutsche Version komplett herausgeschnitten werden, was der Frustration der hiesigen Horror-Gemeinde unweigerlich neuen Vorschub leistet. In jedem Fall wurde das, was in der amerikanischen Kinofassung zu sehen ist, von Oscar-Preisträger Howard Berger und Gregory Nicotero perfekt arrangiert. Die Make-up-Spezialisten und Effekt-Designer lassen – wenn man das sagen kann – genüsslich das Blut aus den unterschiedlichen Körperöffnungen spritzen, Körperteile zersägen und zerhacken.

Es mag paradox klingen, aber trotz seiner simplen Story empfiehlt sich Hostel 2 als Schauspielfilm. Roth gelang es, einen außergewöhnlichen Cast zu versammeln, dessen Qualität nicht nur im Horror-Genre herausragt. Der aus der amerikanischen Erfolgsserie Desperate Housewives bekannte Richard Burgi mimt den anfänglich von Skrupel geplagten Schlächter mit einer beängstigenden Kälte, aber auch sein Kollege Roger Bart ist nicht minder überzeugend. Unter den weiblichen Darstellern darf Lauren Germans und Heather Matarazzos kompromissloser (körperlicher) Einsatz nicht unerwähnt bleiben. German übernimmt quasi Jay Hernandez’ Part aus Teil 1. Sie holt zum Gegenschlag gegen ihren Peiniger aus, in dem sie sich die Regeln des pervertierten Systems selber zu Nutze macht.

Das größte Problem von Hostel 2 bleibt dennoch, dass Roth zu sehr dem zweifellos genialen, seinerzeit innovativen Konzept aus Teil 1 vertraut. Überhastet und mit heißer Nadel gestrickt, scheint die Zeit zwischen beiden Filmen einfach zu kurz gewesen sein.

Erschienen bei BlairWitch.