Sonntag, Juli 22, 2007

Als der Wind den Sand berührte - Out of Africa


BEL 2006

++1/2

Nicht nur Hollywood hat Afrika als Kulisse großer Produktionen entdeckt. Die belgische Filmemacherin Marion Hänsel drehte im ostafrikanischen Dschibuti die Chronik einer langen, zermürbenden Odyssee. Auf der Suche nach Wasser ist eine junge Familie bereit, alles zu opfern. Als der Wind den Sand berührte zieht seine Kraft vorrangig aus der schlichten Inszenierung, welche auf formaler Ebene die karge Schönheit der Landschaft widerspiegelt. Mit überzeugenden, ausdrucksstarken Darstellern zeigt Hänsel ein Afrika jenseits aller Ethno-Klischees.

Filmkritik:

Wer zuletzt nach auffälligen Trends auf dem Kino-Spielplan suchte, dem dürften die zahlreichen in Afrika angesiedelten Geschichten nicht entgangen sein. Produktionen wie Blood Diamond, Der ewige Gärtner, Shooting Dogs und Der letzte König von Schottland thematisierten zumeist mit Mitteln des Thrillers unterschiedliche Aspekte der afrikanischen Krankheit. Korruption, Bürgerkrieg, das oftmals noch koloniale Selbstverständnis des Westens, die Determinanten für die Malaise des schwarzen Kontinents, für Armut und millionenfaches Leid sind vielfältig. In ihrem neuen Film Als der Wind den Sand berührte – die Adaption des Romans „Chamelle“ von Marc Durin-Valois – greift Marion Hänsel das gleichsam drängende Problem der Wasserknappheit auf.

Unter Trockenheit und Dürre leidet auch die Familie von Dorflehrer Rahne (Issaka Sawadogo). Jeder Tropfen Wasser wird streng rationiert. Als Rahnes Frau Mouna (Carole Karemera) ihr drittes Kind bekommt, rät ihm der Dorfälteste, er solle das Neugeborene – es ist ein Mädchen – töten. Doch Mouna, die das Gespräch der Männer mitangehört hat, lässt dieses nicht zu. Fest entschlossen steht sie für ihr Kind ein, was Rahne letztlich auch akzeptiert. Shasha soll die Kleine heißen, so wünscht es sich Mouna. Einige Jahre später ist die Familie aufgrund des Wassermangels gezwungen, das Dorf zu verlassen. Die meisten Bewohner brechen nach Süden auf. Rahne glaubt dagegen, im Osten auf der anderen Seite der Grenze könnten sie ihr neues Zuhause und – was damit gleichbedeutend ist – Wasser finden. Um dahin zu gelangen, muss die Familie jedoch zunächst umkämpftes Kriegsgebiet und die lebensfeindliche Wüste durchqueren.

Im Grunde folgt Hänsels Regiearbeit der Dramaturgie eines typischen Road-Movies. Nur gilt die Losung „Der Weg ist das Ziel“ für Rahne und die Seinen nicht. Ihnen geht es nicht um irgendeine Art der Selbstfindung, ihr Ziel heißt Überleben. Und Überleben bedeutet Wasser. Es ist vor allem die Beziehung des Vaters zu seiner unglaublich couragierten und trotz des erlittenen Leids optimistischen Tochter, die den Film trägt. Das Schicksal von Rahne, Mouna, Shasha und den beiden Söhnen erschüttert, weil sie ihre scheinbar hoffnungslose Situation mit einer für uns, die nie etwas Vergleichbares erfahren mussten, kaum fassbaren Würde ertragen. Dabei kommt Hänsel weitestgehend ohne die in Filmen über Afrika vielfach eher ungeschickt formulierte und überflüssige Kritik an den Verhältnissen aus. Zu offensichtlich trägt der Mensch hierfür die Hauptverantwortung, in dem er dem Klimawandel nicht entschlossen begegnet, Überweidung zulässt und im Kampf um Rohstoffe einen gesamten Kontinent opfert.

Zuweilen erinnert Als der Wind den Sand berührte an einen Dokumentarfilm. Nicht nur das authentische Spiel der Darsteller legt diesen Eindruck nahe, auch Hänsels reduktionistische Ausgestaltung des ebenfalls minimalistischen, bewusst monotonen Plots lässt eine solche Analogie zu. Nur äußerst selten greift sie auf Musik zurück. Ihre Kamera bleibt stets ein unsichtbarer, stiller Beobachter, die den harten Kontrast zwischen der faszinierend-schönen Landschaft und den Strapazen der familiären Odyssee einfängt. So fügen sich die einzelnen Teile schließlich zu einem ausgewogenen Afrika-Porträt, das sich einer Instrumentalisierung als Postkartenmotiv und Katastrophenreportage verweigert.

Für Programmkino.de.