Sonntag, Juli 08, 2007

Der Italiener - Die Leiden des Bruno B.


I/F 2006

+++1/2

Als Nanni Moretti seinerzeit ankündigte, einen Film über den italienischen Ministerpräsidenten und Medienmogul Silvio Berlusconi drehen zu wollen, glaubten viele, der politisch engagierte Filmemacher würde diesen zu einer einzigen bitterbösen Abrechnung nutzen. Entgegen dieser Erwartungen beleuchtet das im vergangenen Jahr in Cannes uraufgeführte Werk nur peripher die Person Berlusconis. Der Italiener ist vor allem eine intime Familiengeschichte und eine Hommage an das Kino.

Filmkritik:

Er hat auch bereits bessere Zeiten erlebt. Bruno Bonomo (Silvio Orlando), mit Leib und Seele Filmproduzent, steht vor einem Scherbenhaufen. Die Misserfolge der letzten Jahre haben seine Firma und ihn ruiniert. Viel schlimmer noch: Er wird öffentlich für seine Flops vorgeführt. Sein neues Projekt „Die Rückkehr des Christopher Kolumbus“ droht an den fehlenden finanziellen Mitteln zu scheitern. Niemand scheint gewillt, Bruno weiteres Geld hinterher zu werfen. Zu der beruflichen Talfahrt kommen private Probleme. Eigentlich haben sich er und seine Frau Paola (Margherita Buy) längst getrennt. Nur um gegenüber ihren Kindern die Illusion einer intakten Familie aufrecht zu erhalten, spielen sie weiterhin die Rolle eines glücklichen Ehepaares. Wenn Bruno abends die Wohnung verlässt, um in der Firma zu übernachten, erzählt er ihnen, dass er zu Dreharbeiten müsse.

In dieser misslichen Situation fällt ihm das Drehbuch einer jungen Autorin in die Hände. Teresa (Jasmine Trinca) sucht nach einem Regisseur und Produzenten, der ihren politisch brisanten Stoff „Il Caimano“ (zu Deutsch: Der Kaiman) verfilmen will. Schnell wird deutlich, dass ihre Geschichte über einen korrupten Politiker und Medienmogul auf den amtierenden Ministerpräsident Silvio Berlusconi abzielt. Wenig begeistert zeigen sich die Verantwortlichen beim TV-Sender RAI, und so bleibt Bruno nur die Möglichkeit, selbst einen Finanzier für „Il Camino“ aufzutreiben.

Nanni Morettis Generalabrechnung mit der schillernden Figur und dem System Silvio Berlusconi verläuft über Umwegen. Als Film im Film thematisiert Der Italiener dessen Regierungszeit, wobei gleich vier Darsteller – darunter der „echte“ Berlusconi, der in Archivaufnahmen zu sehen ist, Michele Placido und Nanni Moretti selber – in die Rolle des streitbaren und machtbesessenen Medienzaren schlüpfen. Die Passagen mit Berlusconi werden zunächst eher en passant präsentiert. Morettis Hauptfokus liegt dafür über weite Strecken auf dem strauchelnden Bruno, in dem der Filmemacher sein Alter Ego gefunden zu haben scheint. Erst im Finale fließen die verschiedenen Ebenen ineinander, kommt es zu der erwarteten mit Verve und Wut vorgetragenen Anklage. Ausgerechnet Morettis Berlusconi, der rein äußerlich überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem Original besitzt, hält in einem vor arroganter Selbstgerechtigkeit triefenden Monolog dem Regierungschef einen Spiegel vor.

Während der geschickte Demagoge seinen Ruf bis zuletzt verteidigt, durchlebt der leidenschaftliche Cineast Bruno ein Wechselbad der Gefühle. Von Silvio Orlando gerade in den dramatischen Momenten mit viel Fingerspitzengefühl gespielt, nutzt Moretti seinen Protagonisten auch zu einer Reise zurück in die Vergangenheit, als das Kino der Cinecittà dank Namen wie Fellini und Visconti noch Weltgeltung besaß. Die eher drittklassigen, offenbar leicht trashigen Werke („Die Killermokassins“) des fiktiven Filmproduzenten Bonomo evozieren Erinnerungen an genuin italienische Genres wie den Giallo.

Der Italiener funktioniert aber ebenso als tragikomische Chronik einer im Auseinanderbrechen befindlichen Familie. Bruno müht sich redlich, die Risse zu kitten. Doch eine Szene, die ihn und seine Frau beim Spiel mit den Kindern zeigt, reicht aus, um sein Scheitern zu dokumentieren. Morreti wäre aber nicht Moretti würde auf die berufliche wie private Dekonstruktion nicht einen hoffnungsvollen Neuanfang folgen lassen. Da wird plötzlich sogar der Moment der Trennung zu einer heilsamen Erfahrung. Unterlegt von Damien Rices melancholischer Ballade „The Blower’s Daughter“ bricht Bruno mit wieder gewonnener Zuversicht in ein neues Leben auf.

Für Programmkino.de.