Freitag, August 31, 2007

Death Sentence - Ein Mann sieht rot


USA 2007

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Dass Filme ein ganzes Leben verändern können, wird James Wan vermutlich bestätigen. Der Mann hat mit Saw einer der erfolgreichsten Horror-Franchises der letzten Jahre erschaffen. Zusammen mit seinem Freund Leigh Whannell erdachte er das Konzept des Jigsaw-Killers, der mit immer ausgeklügelten Folter-Spielereien seine Opfer zu besseren Menschen erziehen wollte. Derzeit befindet sich bereits Teil 4 der Reihe in der Post-Produktion. Wan, der die Sequels lediglich noch als ausführender Produzent betreut, widmete sich neuen Aufgaben. Auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest wird sein wiederum mit Whannell erarbeiteter Bauchredner-Grusler Dead Silence zu sehen sein, dem nach mäßigen Einspielergebnissen hierzulande eine Kinoauswertung verweigert wurde. Dafür erhielt Wans mit Kevin Bacon prominent besetzter Rache-Thriller Death Sentence grünes Licht für einen Kinostart.

Der Film beginnt mit einer im Heimvideostil festgehaltenen Familienchronik. Geburtstage und Feiertage dienen als besondere Fixpunkte. Von der Geburt der beiden Söhne Lucas (Jordan Garrett) und Brendan (Stuart Lafferty) bis zu deren Pubertät zeigt die Einleitung, dass wir es hier mit einem kleinen Idyll zu tun haben. Eine glückliche Familie mit einem stolzen Daddy (Kevin Bacon). Nick geht einer geregelten Arbeit nach, während seine von ihm über alles geliebte Frau Helen (Kelly Preston) das Zuhause mit den Kindern managt. Natürlich gehört es zu den Regeln des Thriller-Genres, das je heller ein Glück anfangs strahlt, es später umso erbarmungsloser niedergerissen wird. So auch im Fall von Death Sentence.

Der Zufall will es, dass der älteste Sohn in einen außer Kontrolle geratenen Überfall gerät. Er stirbt auf grausame Weise, ohne dass sein Vater daran etwas ändern kann. Der ultimative Albtraum, das Undenkbare wird plötzlich zur grausamen Realität. Gefühle wie Wut und Rache überkommen den ansonsten ruhigen und disziplinierten Büro-Angestellten. Irgendwann lassen sich seine Rache-Gelüste nicht länger kontrollieren. Er fällt den folgenschweren Entschluss, jeden zu töten, der seinerzeit in den Mord seines Sohnes verwickelt war.

Damit begibt sich die Dramaturgie auf eine zuvor bereits von unzähligen Filmen beschrittene Reise in ein (selbst-)zerstörerisches Waterloo, an dessen Ende zwar nicht alle Hoffnung verloren aber zumindest unter einem Meer aus Blut verschüttet ist. Auf diesem Weg werden von Death Sentence – wie im Übrigen von jedem anderen Revenge-Movie auch – die Grundprinzipien jedes demokratischen Rechtsstaates vorsätzlich aus den Angeln gehoben, was Jugendschützern und Politiker reflexartig neue Indizierungsaufforderungen entlocken dürfte. Die während der zweiten Filmhälfte ausgeübte und offensiv zur Schau gestellte Selbstjustiz-Odyssee des einst so besonnenen Familienvaters ist mit dem Anspruch des Staates auf sein Gewaltmonopol unvereinbar. Kein Wunder, dass dieser allergisch auf Geschichten mit dem alttestamentarischen Grundsatz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ reagiert.

I Spit on Your Grave, The Crow, The Punisher, Irreversibel, die Liste verfilmter Rache-Fantasien ist ebenso lang wie blutig. Während manche auf einen kaum mehr erträglichen Realismus setzen (Irreversibel), nutzen andere (The Crow, The Punisher) eine von Comics beeinflusste Gothic-Optik, um ihren an sich meist schlichten Plot ansprechend zu verkleiden. Death Sentence ist in diesem Punkt gewissermaßen ein Zwitter, besitzt er doch von beiden Stilrichtungen etwas. Zumindest anfangs gibt Wan seinem Film einen durchaus realistischen Anstrich, der, je weiter Nick seine Rachepläne in die Tat umsetzt, von einer zunehmend stilisierten Ästhetik des modernen Horrorkinos abgelöst wird. Dann leuchtet das Licht derart schummerig durch den Fensterspalt, dass man sich zuweilen glatt in Wans Meisterstück Saw oder in Marcus Nispels Texas Chainsaw Massacre-Remake wähnt. Das sieht alles zum Sterben schön und schaurig aus, nur kann das perfekte Styling nicht über die ungelenkte Konstruktion des Plots hinwegtäuschen.

Dabei stört nicht einmal die Einfachheit des Ganzen – im Gegenteil. Denn gerade aus dem Spiel mit den simplen Mechanismen des Genres zieht ein Film wie Death Sentence einen Großteil seiner Faszination. Eher schon krankt Wans neueste Regiearbeit an der unentschlossenen Vermischung von melodramatischen und spaßig-skurrilen Tönen, welche zumindest in ein und demselben Film nicht so recht zusammen passen wollen.

Es sind Szenen wie die, als Nick erfährt, dass die Killer auch seine Frau getötet und seinen anderen Sohn schwer verletzt haben, die einem als Zuschauer erst einen emotionalen Tiefschlag versetzen und für die man bereits im nächsten Moment am liebsten schamhaft im Boden versinken würde. Dann nämlich, wenn einem bewusst wird, dass der Film sein zuvor sorgsam aufgebautes dramatisches Potenzial ohne Not über Bord wirft, um sich an vermeintlich spaßigen Charakteren – John Goodman als versoffener Waffen-Freak – und grotesker Action zu delektieren. Der finale Shootout mit seinem ungezügelten, slapstickartigen Geballere wäre in jedem Guy Ritchie-Film besser aufgehoben (sogar in Gigli). Als das Ende dieser Geschichte entwertet er nur nachträglich jedes Interesse für das, was Death Sentence bis dahin zu erzählen hatte.

Für BlairWitch.