Montag, August 13, 2007

Gucha - Serbiens (etwas andere) Antwort auf Romeo & Julia


SER/BUL/A/D 2006

++1/2

Romeo & Julia trifft Balkan-Folklore in farbenfroher Bollywood-Verpackung. Filmemacher Dušan Miliæ verlegte Shakespeares Klassiker in die Provinz seiner serbischen Heimat. Genau wie in der weltberühmten Vorlage geht es auch bei ihm um die eine große Liebe, die nicht sein darf. Doch während sich bei Shakespeare die Capulets und Montagues einen Kampf bis aufs Blut liefern, wird dieser in Gucha in Form eines weniger tödlichen Musik-Wettbewerbs ausgetragen. Auf dem größten Blasmusik-Festival des Balkans kommt es schließlich zum Showdown zwischen den beiden rivalisierenden Familienclans.

Filmkritik:

Bereits die Namen der beiden Liebenden verweisen auf das wohl berühmteste Liebespaar der Weltliteratur. Juliana (Aleksandra Manasijeviæ) hat sich in Romeo (Marko Markoviæ) verliebt und er sich in sie. Doch das junge Glück droht an den äußeren Umständen zu zerbrechen. Denn während sie die Tochter des berühmtesten und beliebtesten Trompeters Serbiens ist, spielt er in einem konkurrierenden Roma-Orchester. Ausgerechnet ein Zigeuner, denkt sich Satchmo (Mladen Neleviæ), Julianas Vater. Dem Familienpatriarchen sind fortan alle Mittel recht, um Juliana und Romeo wieder auseinander zu bringen.

Eher widerwillig lässt er sich die Zusage entlocken, dass er die Beziehung der beiden akzeptieren will, wenn Romeo ihn beim Blasmusik-Festival von Gucha besiegt. Als wäre diese Herausforderung nicht schon groß genug, erfährt Romeo erst zu spät von Satchmos Angebot. Denn nicht nur mit der Familie seiner Freundin gibt es Probleme. Auch in der eigenen Sippe hängt zuweilen der Haussegen schief. So kämpft er mit seinem Bruder Rocky (Svetislav Pešiæ) darum, auf dem Festival die erste Trompete spielen zu dürfen. Davon hängt nicht nur seine Zukunft mit Juliana sondern zugleich sein weiterer Werdegang als Musiker ab.

Dušan Miliæ Blick auf den Wettstreit zwischen den rivalisierenden Familien beleuchtet über das Vehikel der verbotenen Liebe eine Vielzahl gängiger Vorurteile. Das Zusammenleben zwischen den verschiedenen Ethnien, in diesem Fall zwischen Serben und Romas, wird nach wie vor von Misstrauen und zuweilen auch offen ausgetragener Feindschaft bestimmt. Nach dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien regiert heute in nicht wenigen Köpfen ein neuer, von Intoleranz befeuerter Nationalismus. Die Gegensätze und kulturellen Unterschiede zwischen Satchmos und Romeos Familie drückt der Film vorrangig über die Musik aus. Die eher langsameren, bluesigen Stücke der Romas heben sich deutlich von Satchmos temporeichen Fanfaren-Nummern an, die tief in der Tradition der serbischen Folklore verwurzelt sind. Intuitiv wird dadurch klar, was Satchmo und Romeo trennt, und – viel wichtiger – was sie trotz allem auch verbindet.

Als integraler Bestandteil der Geschichte erfüllt das ausgiebige Musizieren noch eine weitere wichtige Funktion. Für Romeo entspricht das Komponieren seiner eigenen Stücke einem Initiationsritus, der ihn von seiner Jugend Abschied nehmen lässt und ihn die Welt der Erwachsenen einführt. Sein Coming-of-Age mag zwar im Trubel des Bläser-Wettstreits und der eigenen Beziehungsturbulenzen nicht immer ohne störende Nebengeräusche herauszuhören sein, dennoch muss man Miliæ für diesen frischen und unverbrauchten Ansatz einfach dankbar sein. Immerhin schafft er es auf diese Weise, den bereits unzählige Male verfilmten Prozess des Erwachsenwerdens einmal vollkommen anders zu erzählen.

Und das ist keineswegs die einzige Überraschung. Bei der Inszenierung ließ Miliæ sich augenscheinlich von dem quietschbunten, kitschigen Kino Bollywoods inspirieren. Kräftige, kontrastreiche Farben illustrieren den unterschiedlichen kulturellen Background von Juliana und Romeo. Zusammen mit der von ihm präferierten Handkamera entwickelt die Bildkomposition ihre ganz eigene Dynamik, die gelegentlich nur von der etwas mutlosen sprich zu braven Skizzierung der einzelnen Milieus ausgebremst wird. An diesem Punkt fehlt es Miliæ Film einfach an Biss und Zuspitzung, was erklärt, warum Gucha trotz seiner vielen originellen Ideen letztlich nicht restlos zu überzeugen vermag.

Für Programmkino.de.