Freitag, August 24, 2007

Das Bourne Ultimatum - Lauf, Jason, Lauf


USA 2007

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Ein Agent ohne Erinnerung, eine Flucht ohne Ziel. Matt Damon alias Jason Bourne verkörpert einmal mehr die moderne Synthese aus Dr. Richard Kimble und James Bond. Unter der Regie von Paul Greengrass liefert er sich mit seinen Gegnern ein atemberaubendes Hase-und-Igel-Spiel quer durch Europa. Die energetische, fast ausschließlich mit Handkamera gefilmte Action etabliert ebenso wie der Inszenierungsstil einen für das Genre ungewöhnlichen Grad an Realismus.

Filmkritik:

Manche Filme scheinen als Relikte ihrer Zeit heute nicht mehr zu funktionieren. Der Spionage- und Agenten-Thriller klassischer Prägung gehörte nach dem Ende des Kalten Krieges sicherlich dazu. Umso eindruckvoller fiel 2002 dessen Comeback aus. Während sich die Bond-Reihe zunehmend in technischem Firlefanz und den immer gleichen Posen merklich kraftlos von Film zu Film schleppte, verpasste Die Bourne Identität dem gesamten Genre die lang erhoffte Frischzellenkur. Matt Damon hetzte in der Rolle des Profikillers ohne Erinnerung quer durch Europa, auf der Suche nach Antworten und den Leuten, die ihn für ihre Zwecke zu einer Kampfmaschine ausbilden ließen. Bereits zwei Jahre später folgte das von Paul Greengrass (Flug 93) inszenierte Sequel Die Bourne Verschwörung, in der Damon als Jason Bourne vor allem auf Rache sann.

Die Bourne-Reihe – eine lose Adaption der Spionage-Romane Robert Ludlums, die noch den Ost-West-Konflikt zum Gegenstand hatten – findet ihren vorläufigen Abschluss in Das Bourne Ultimatum. Darin kehrt der von der Bildfläche verschwundene Auftragskiller auf den Radarschirm seiner Verfolger zurück. Noah Vosen (David Strathairn), der neue Leiter jener Geheimabteilung des CIA, die früher unter dem Namen „Treadstone“ firmierte und fernab aller Kontrollgremien operierte, hat es sich zum Ziel gesetzt, Jason Bourne aufzuspüren und endgültig auszuschalten.

Dazu vertraut er auf das Wissen der CIA-Agentin Pamela Landy (Joan Allen). Sie kennt Bourne und seine Gewohnheiten besser als irgendwer sonst. Allerdings hegt sie auch gewisse Sympathien für ihn, so dass sie Vosens Absicht, den abtrünnigen Mitarbeiter zu töten, nicht rückhaltlos unterstützen kann. Bournes Flucht soll ihn dieses Mal nicht nur in diverse europäische Hauptstädte sondern auch ins nordafrikanische Tanger und letztlich bis nach New York führen. Dort, wo die Ereignisse ihren Anfang nahmen, will er sich seiner Vergangenheit stellen und all dem ein Ende setzen.

Die Faszination der Bourne-Filme liegt in der direkten und ohne lange Exposition vorgetragenen Geschichte eines Mannes, der sich allein gegen einen übermächtigen Apparat behaupten muss. Matt Damon ist die perfekte Besetzung für den einerseits eiskalten, dann wiederum sich selbst in Zweifel ziehenden Helden, der Dinge getan hat, die alles andere als heldenhaft sind. In albtraumhaft verzerrten Rückblenden durchlebt er immer wieder den Tag, an dem er seine alte Identität ablegte und zu Jason Bourne wurde. Der Schmerz über den Tod seiner Freundin Marie (Franka Potente) treibt ihn an, lässt ihn die eigene Angst vergessen und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu einem letzten Gegenschlag ausholen. Dabei steuert Das Bourne Ultimatum auf ein clever konstruiertes Finale zu, dessen letzte Einstellung auf eine äußerst elegante Weise den Kreis zum ersten Teil schließt.

Wie schon bei Die Bourne Verschwörung nahm Paul Greengrass auf dem Regiestuhl Platz. Der Brite bleibt seinem unverwechselbaren, hektisch-impulsiven Stil treu. Nahezu vollständig mit der Handkamera gefilmt, mit schnellen Schnitten und einem harten, militaristischen Score unterlegt, gibt es für den Zuschauer nur selten einen Moment der Ruhe. So atemlos wie Jason Bourne rennt, springt, und sich mit seinen Kontrahenten spektakuläre Verfolgungsjagden liefert, so rastlos und vital gibt sich der gesamte Film. Die Action setzt auf das Duell Mann gegen Mann, auf den erbarmungslos ausgetragenen Infight, in den auch die Kamera zuweilen verwickelt wird. Bewusst verzichtet Greengrass hierbei auf CGI-generierte Explosionen und pyrotechnischen Ballast. Vielmehr zieht sich der realistische Anstrich bis in die Choreographie der einzelnen Action-Sequenzen.

Noch bevor Daniel Craig in Casino Royale einen neuen, geerdeten Bond-Typus darstellen durfte, zeigte dieser Jason Bourne bereits, dass die Antwort auf die Effektgewitter der großen Action-Blockbuster nur in der Rückbesinnung auf ein nüchternes und dennoch leidenschaftliches Testosteron-Kino liegen kann. Neben Matt Damons physisch beeindruckendem Jump’n’Run-Part, wartet der dritte Bourne aber zudem mit einem psychologisch ausgefeilten Duell zwischen Joan Allen und David Strathairn auf. Über die Diskussionen ihrer Filmfiguren liefert Das Bourne Ultimatum ganz nebenbei einen Einblick in die nach den Terroranschlägen des 11. Septembers schwer traumatisierte Seele Amerikas und in zwei nicht miteinander vereinbare Philosophien von Sicherheit und Freiheit.

Für Programmkino.de.