Ein Quantum Trost - Das Herz ist ein einsamer Jäger
USA/UK 2008
++1/2
Schluss mit lustig. Dieses Credo zog sich wie ein roter Faden durch die Neuauflage Casino Royale. Der Film trug nicht wenige der alten Bond-Mythen zu Grabe und mit Daniel Craig bekam der Agent im Dienste ihrer Majestät zugleich auch ein radikales Facelift verpasst. Vorbei die Zeiten, als ein Martini-schwenkender Pierce Brosnan in comichaft überzeichneten Action-Tableaus den bösen Buben den Garaus machte. Die Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson entschieden sich für einen durchaus mutigen Neustart, der Bond auch im neuen Jahrtausend eine Zukunft ermöglichen sollte. Das Wagnis ging auf. Gerade diejenigen, die sich spätestens in den 90er-Jahren von der Reihe enttäuscht abgewendet hatten, gewann man mit Casino Royale zurück.
Nun liegt es an dem Schweizer Regisseur Marc Forster dieses gewaltige Erbe bestmöglich zu verwalten. Ein Quantum Trost, und das ist eine echte Premiere, knüpft nahtlos an die Handlung seines Vorgängers an. Nur wenige Stunden nachdem Bonds große Liebe Vesper für ihn in den Tod ging, schlägt sich der Gentleman-Agent mit den Verantwortlichen dieser für ihn kaum zu verarbeitenden Tragödie herum. In einem geheimen Verhörraum wollen er und M (Judi Dench) den verschlagenen Mr. White (Jesper Christensen) in die Enge treiben. Doch es kommt anders und ehe man sich als Zuschauer versieht, ist die Jagd erneut eröffnet. Eine Jagd, die Bond einmal halb um den Globus führen wird. Vom malerischen Siena aus geht es nach Haiti, Bregenz, Panama und schließlich in die Atacama-Wüste, die als finale Kulisse in Bonds oftmals eigenmächtiger Rache-Odyssee herhalten muss.
Mehr noch als in Casino Royale spielen dieses Mal persönliche Motive die entscheidende Rolle. Bond tut das, was er seiner Meinung nach tun muss. Und dabei lässt er sich von nichts und niemandem aufhalten. Sogar M ist gegen soviel Eigensinn letztlich machtlos. Der Einzelkämpfer wird nach dem Tod seiner großen Liebe zum emotionalen Eremit, dem es nur darauf ankommt, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die ihm diesen Schmerz zugefügt haben. In dem schwerreichen, vermeintlich engagierten Öko-Unternehmer Dominic Greene (stark: Mathieu Almaric) wird er schließlich nach kurzer Suche fündig.
Es lässt sich im Einzelnen nicht immer unmittelbar nachvollziehen, wer, was, wieso tatsächlich zu verantworten hat. Auch ein bolivianischer General (Joaquin Cosio) taucht plötzlich auf der Bildfläche auf, was mehr ein Vorwand ist, um das obligatorische Bond-Girl einzuführen. Auch Camille (Olga Kurylenko) trägt eine schwere Last mit sich herum, wie sich alsbald zeigen wird. Mit der gebürtigen Ukrainerin verströmt der neueste Bond zwar durchaus Sex-Appeal, das jedoch nur in homöopathischen Dosen. Und so richtig heiß wird es zwischen ihr und Bond zu keiner Zeit, was sich bereits mit dem geringen zeitlichen Abstand zu Vespers Tod erklärt. Stattdessen darf Camille ihren neuen Begleiter und Verbündeten therapieren – mit bestenfalls mäßigem Erfolg. Aus seinem emotionalen Gefängnis kann Bond bis zuletzt nicht ausbrechen.
Daniel Craig, der Bond in Casino Royale seine eigentlich hinter technischen Gimmicks verloren geglaubte Körperlichkeit zurückgab, wütet bisweilen wie ein Berserker. Statt tödlicher Waffen lässt Craigs Bond bei seinem Rachefeldzug lieber die eigenen Fäuste sprechen. Das soll den Film einerseits erden und ihn andererseits trotz moderner Einflüsse wie dem aus Minority Report entliehenen Bildgeschwurbel „oldschool“ erscheinen lassen. Zumindest während der ersten halben Stunde mit seinen zwei herausragenden Action-Sequenzen geht das Kalkül auf. Wenn Bond seinen sündhaft teuren Aston Martin zerlegt und über den Dächern von Siena die Verfolgung eines Verdächtigen aufnimmt, zieht Ein Quantum Trost alle Register eines modernen, kraftstrotzenden Actionfilms. Dazu gehört, dass sich der Zuschauer in dem schnell geschnittenen Feuerwerk aus Stunts und Jagdszenen regelmäßig überfordert vorkommen muss.
In dieser Hinsicht kann Fosters Bond die stilistische Nähe zu anderen erfolgreichen Action-Formaten wie Die Bourne Verschwörung nicht leugnen. Besonders während der perfekt choreographierten Jagd über Siena ließe sich 007 problemlos gegen Jason Bourne austauschen. So rasant und aufwändig das alles auch inszeniert ist, die eigene Handschrift der Reihe bleibt auf der Strecke. Es fällt schwer, das Bond-spezifische an Ein Quantum Trost zu benennen, sieht man einmal davon ab, dass ein Charakter wie M den Relaunch überlebt hat.
Gewissermaßen als Entschädigung für soviel Neues bot Casino Royale eine fesselnde Geschichte, die uns Bond von einer emotionaleren Seite zeigte. Der Film lieferte die Erklärung für seine notorische Bindungsunfähigkeit und sein fortlaufendes Versteckspiel, bei dem die sorgsam aufgebaute Männlichkeitsfassade das Wichtigste war. Natürlich war das Ganze immer noch ein Bond-Film und keine profunde Charakterstudie, dennoch wusste das Resultat nicht zuletzt dank Daniel Craigs Präsenz zu gefallen. Ein Quantum Trost folgt dem grimmigen, düsteren Konzept des Vorgängers, wobei Forster seinem Hauptdarsteller kaum Zeit zum Verschnaufen schenkt. Bond hetzt vielmehr rastlos von Schauplatz zu Schauplatz, von einer Schlägerei und Schießerei zur nächsten. Die ohnehin dünne Story wird dabei zwischen den einzelnen Stunt-Einlagen zusehends aufgerieben. Zurück bleibt ein Gefühl von Beliebigkeit und Austauschbarkeit – so austauschbar wie die Orte, an denen der Film Station macht. Dass der Showdown mit der Rasanz der ersten halben Stunde überdies nicht mithalten kann, kommt erschwerend hinzu.
Der Nimbus ist weg. Das mag man kritisieren oder begrüßen. Bond ist in dieser Verpackung nur einer von vielen Kino-Helden, die heutzutage um die Gunst und Aufmerksamkeit des Publikums kämpfen. Daran ändert selbst die gelungene Zusammenarbeit von R’n’B-Star Alicia Keys mit Indie-Rocker Jack White nichts. Deren Titelsong (Another Way to Die) formuliert ein wuchtiges wie mitreißendes Versprechen, dass der anschließende Film nur bedingt einlösen kann.
4 Comments:
Bitte, bitte lass es mich anders sehen....
Ich habe sooo große Hoffnungen in den Film gelegt und ihn mit Sehnsucht erwartet. Meine einzigsten Zweifel beim aufsaugen der ersten Info´s waren, das nicht danau das passiert was du im letzten Teil deiner Krtik erläuterst. "Zurück bleibt ein Gefühl von Beliebigkeit und Austauschbarkeit – so austauschbar wie die Orte, an denen der Film Station macht."
Es sollte die doppelte Dosis Action geben ohne den Charme der alten Bond Teile mit der gleichen Intensität von "Casino Royale". Da aber gerade die ausgearbeiteten und emotionalen Eigenschaften des Bond Karakters die eigentlichen Stärken des Streifen waren, glaubte ich hier könnte der neue Film scheitern. Ich hoffe du behältst nicht Recht.
Könntest du dir vorstellen beide Filme als Einen zu schauen, um so die Komponenten "Persönlichkeit, Story und Action) zu einer sich hamonisierenden Komposition verschmelzen zu lassen?
schraub erst einmal Deine erwartungen herunter, das ist nie verkehrt.
Dein vorschlag, beide filem hinter einander zu sehen, ist sicher einen versuch wert. jedoch werden nur die wenigsten kinogänger unmittelbar vorher "casino royale" gesehen haben. und ich denke, man muss den film schon als eigenständiges produkt bewerten.
lass Dir den genuss aber nicht vermiesen. die action ist ja zumindest äußerst sehenswert (gerade die erste halbe stunde).
Selbst die erste halbe Stunde ist nur ein laues Lüftchen gegenüber BOURNE ULTIMATUM.
Dennoch ist der Film immer noch "okay", nur ist das - nach CASINO ROYALE - nicht genug.
Schöne Kritik, der ich absolut zustimme.
Ein guter, moderner, wenn auch teilweise zu heftig geschnittener Actionfilm. Von der Marke Bond bleibt abr nur M übrig. Alles andere ist gewöhnliche Sammelware.
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