Carriers - It's the End of the World...
USA 2009
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Die Welt ist groß und der Tod lauert überall. Dieser Satz beschreibt in Abwandlung an den berühmten Roman des bulgarisch-stämmigen Schriftstellers Ilija Trojanow vermutlich am besten das in Carriers vorherrschende Szenario aus Angst und Hilflosigkeit. Eine letale Seuche ist eine verdammt ernste Angelegenheit. Das werden die beiden Brüder Danny (Lou Taylor Pucci) und Brian (Chris Pine) nur bestätigen können. Das unbekannte Virus hat bereits weite Teile der Menschheit dahingerafft, als sich die Geschwister zusammen mit ihren Freundinnen (Piper Perabo, Emily VanCamp) auf den Weg zur Küste begeben, wo sie auf Rettung und Schutz hoffen. Doch der Roadtrip steht von Beginn an unter keinen allzu guten Vorzeichen. Nicht nur treffen die jungen Leute unterwegs immer wieder auf Infizierte, auch untereinander sind sie sich oftmals nicht einig, was den weiteren Verlauf ihrer Reise anbelangt.
Carriers als den inoffiziellen Film zur Schweinegrippe zu bewerben, greift sicherlich zu kurz und würde die psychologisch sauber austarierte Geschichte fälschlicherweise auf das Format eines simplen Katastrophen-Thrillers reduzieren. Dabei ist das Regiedebüt der spanischen Pastor-Brüder, Alex und David mit Namen, zu jederzeit 100% Kino. Um das zu erkennen, muss man sich nur einmal die ausgefeilte Bildgestaltung und Montage ansehen. Aus dem Spiel mit Unschärfe, verschiedenen Brennweiten und Filter erschaffen sie bereits eine trotz der Weite der Landschaft bedrohliche Enge, die zugleich als Blick in das Seelenleben ihrer vier Hauptcharaktere funktioniert. Die Angst fährt schließlich immer mit. Die Angst, sich bei jemand anderem anzustecken, von dem man nicht wusste, dass auch er längst infiziert ist.
Dieses Misstrauen ist die wichtigste Trumpfkarte, die der Film bereit hält und die die Pastors gerade zum Ende hin genüsslich ausspielen. Dann nämlich, wenn der Nervenkrieg unseren vier Reisenden manch irreversible Entscheidung abverlangt. Auch ohne allzu großes Genrewissen ahnt man zudem bereits früh, dass die von Brian und Danny aufgestellten Regeln (1. Abstand zu allen Infizierten halten, 2. Bei Kontakt Mundschutz und Handschuhe tragen, 3. Möglicherweise kontaminierte Gegenstände gründlich reinigen) über kurz oder lang gebrochen werden. Hieraus ergibt sich eine Reihe von Komplikationen. Dass die Überlebenswahrscheinlichkeit mit jedem Regelverstoss dramatisch abnimmt, ist die mit Abstand unerfreulichste. Und so rückt das Meer, an dem Danny und Brian so viele unbeschwerte Ferien zusammen verbrachten, plötzlich in unerreichbare Ferne.
Das Bedrohungsszenario, das Carriers ohne große Erklärung aufbaut – die Erkrankung ist einfach da, die Hintergründe interessieren nicht weiter und bleiben weitgehend im Dunkeln –, ähnelt dem des klassischen Zombiefilms. Allein die Zombies fehlen, was jedoch nicht weiter tragisch ist. Immerhin übernehmen die infizierten Anhalter und Mitfahrer deren Funktion. Statt auf blutige Schockeffekte vertrauen David und Alex Pastor ihren Darstellern und der aus der scheinbaren Ausweglosigkeit der Situation sorgsam entwickelten Spannungsdramaturgie. Dabei orientieren sie sich von Beginn an am Aufbau eines klassischen Roadmovies. Auf dem Weg zum Meer machen die Pärchen hier und da Station. Mal freiwillig, mal unfreiwillig. Mal geht ihnen das Benzin aus, mal erhoffen sie sich Hilfe in einer inzwischen verlassenen Notfallstation.
Die einzelnen Episoden arbeiten mit einer den meisten von uns angeborenen Furcht vor dem Unbekannten. Was sich hinter der nächsten Tür, hinter der nächsten Ecke verbirgt, beflügelt nicht nur Dannys und Brians Fantasie auf eine schaurig-schöne Weise. Obwohl sie erst Ende Zwanzig bzw. Anfang Dreißig sind, nehmen es die Pastors mühelos mit der Routine und Fertigkeit eines erfahrenen Regie-Haudegen auf. So ganz nebenbei zitieren sie Spielberg und Romero, während sie ihre schnörkellose Geschichte auf ein nachdenkliches, durchaus bewegendes Ende hin ausrichten, das sich von den vielen Last-Minute-Plot-Twists im Genre wohltuend abhebt.
Carriers entlässt sein Publikum mit nur wenigen Antworten. Dafür wirft dieses sozialpsychologische Experiment, das sich als Horrorfilm tarnt, umso mehr Fragen auf. Was ist das eigene Überleben wert, wenn der Mensch, dem man sich am nächsten fühlte, plötzlich nicht mehr bei einem sein kann? Wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der wir dem Anderen stets mit Misstrauen und Argwohn begegnen? Und ist das soziale Gewissen nur in guten Zeiten als moralische Instanz zu gebrauchen und ansonsten eher hinderlich? Der Kopf rattert, das Herz bebt. Gut gemacht, Señores Pastor!
Für BlairWitch.de.
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