Dienstag, Februar 15, 2011

Dschungelkind - Am Ende der Welt


D 2011

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Mit acht Jahren verschlägt es die kleine Sabine in den tiefsten Dschungel West-Papuas. Dort, wo der Vater die Sprache eines bislang unerforschten Eingeborenenstamm lernen und dokumentieren will, trifft sie – und mit ihr der Zuschauer – auf eine archaische, faszinierend fremde Welt. Die mit großem logistischen Aufwand im Urwald Malaysias abgedrehte Bestsellerverfilmung schildert mit viel Empathie und Respekt die langsame, nicht immer konfliktfreie Annäherung zwischen Eingeborenen und ihren „Gästen“ aus Europa.

Filmkritik.

Es ist das Gegenteil einer normalen Kindheit oder dem, was wir Europäer wohl darunter verstehen. Ein junges Mädchen, gerade einmal acht Jahre alt, wandert mit seinen Eltern und den beiden Geschwister in den Dschungel von West-Papua aus. Der Vater (Thomas Kretschmann) ist dort auf einen bislang unerforschten Eingeborenenstamm gestoßen. Nun will er dessen Sprache und Sozialverhalten erstmals wissenschaftlich dokumentieren. Dazu ist es erforderlich, ganz nah bei und mit den Eingeborenen zu leben. Der Anführer des Stamms erteilt der Familie schließlich hierfür seine Erlaubnis. Sabine (Stella Kunkat), so der Name des Mädchens, ist begeistert von dieser neuen, ihr anfangs so fremden Welt. Und anders als ihre ältere Schwester ist sie neugierig auf die Menschen und das Leben im Dschungel. Dabei sieht sich die Familie jeden Tag neuen Herausforderungen gegenüber. Auch ein alter, für Außenstehende undurchschaubarer Stammeskrieg, bei dem die Neuankömmlinge plötzlich zwischen die Fronten geraten, sorgt immer wieder für Anspannung und Misstrauen.

Die Geschichte, die Dschungelkind erzählt, ist wahr und nicht zuletzt deshalb beeindruckend. Sabine Kuegler verpackte ihre Kindheitserinnerungen in den gleichnamigen, autobiographischen Roman, der nach seiner Veröffentlichung im Jahr 2005 schnell zum Bestseller avancierte. Unter der Regie von Roland Suso Richter wird daraus vor allem ein spannendes Aufeinandertreffen zweier gänzlich unterschiedlicher Welten, deren langsame Annäherung nicht ohne Missverständnisse und Rückschläge gelingen will. Das Volk der Fayu führt ein Leben in und mit der Natur. Während sich die Welt woanders in den letzten Tausend Jahren rasant weiterentwickelt hat, scheint tief im Urwald West-Papuas die Zeit still gestanden zu haben.

Als Zuschauer nimmt man mit großen Augen diese faszinierende, von Holly Fink überaus einnehmend fotografierte Landschaft in sich auf. Über das direkte Erleben von Natur, Wildnis und dem hier allgegenwärtigen Tod schlägt der Film zugleich eine Brücke zu den Figuren. Denn Sabine und ihre Geschwister blicken anfangs ähnlich erstaunt und mitunter auch ein bisschen ratlos auf die Menschen in ihrer neuen Umgebung, die mit der Zeit ihr Zuhause werden soll. Der Aufenthalt im Dschungel verändert alle – vor allem Sabine. Aus dem kleinen Mädchen ist am Ende eine junge Frau geworden, die zurück in Deutschland nicht ohne Wehmut erkennt, dass sie in ihrem Herzen „immer ein Dschungelkind bleiben werde“. So pathetisch der Satz auch klingen mag, er erscheint glaubhaft, wenn man bedenkt, welch unvergessliche Erinnerungen sie bis hierhin mit ihrer Zeit im Urwald verbindet. Die tiefe Freundschaft zu dem Fayu-Jungen Auri (Emmanuel Simeon) war davon sicherlich eines der wichtigsten Erlebnisse, weshalb es im Film auch großen Raum einnimmt.

Das Verdienst von Richters Regie und seiner weitestgehend glaubhaften Inszenierung liegt in dem staunenden Blick, den sich „Dschungelkind“ bis zum Schluss bewahrt. Er zeugt zugleich von Hochachtung, Respekt und Anerkennung für ein Volk, das so anders ist als wir. Nur gelegentlich übertreibt es der Film mit seiner etwas zu westlich eingefärbten Urwaldromantik. Wenn das neue Zuhause der Familie wieder mal zum ultimativen Abenteuerspielplatz aufgebaut wird, bedient die Geschichte – vermutlich sogar ohne es zu wollen – recht einseitige Bilder über diesen entlegenen Teil der Welt.

Für Programmkino.de.