Four Lions - Wie werde ich Terrorist?
GB 2010
+++1/2
Manch ein Politiker wollte die brillante Terrorismus-Satire Four Lions im Vorfeld ihres hiesigen Kinostarts verbieten lassen. Der Film würde die ohnehin angespannte Sicherheitslage bedrohen und Islamisten zu neuen Anschlägen anstacheln. Ein absurder Vorwurf. Tatsächlich gelingt Regisseur Christopher Morris eine bitterböse, schonungslose Abrechnung mit Fanatismus und religiösem Eifer, die sich auf jede Form des Extremismus übertragen lässt. Merke: Auch ein Terrorist ist nicht vor Spott, Häme und Missgeschicken gefeit.
Filmkritik:
Christopher Morris’ kontrovers diskutierte Terrorismus-Satire Four Lions eröffnet mit einer Szene, die wir so zur Genüge aus den üblichen Droh- und Propagandavideos von Al-Quaida kennen. Junge Männer, die sich bereits als Märtyrer im Paradies sehen, kündigen in martialischen Worten und Posen ein todbringendes Attentat an. Anführer und Mastermind Omar (Riz Ahmed), sein Kumpel Waj (Kavyan Novak), der zum Islam konvertierte Barry (Nigel Lindsay) und der meist schweigsame Fessal (Adeel Ahktar) bilden eine Terrorzelle im englischen Sheffield. Ihr Ziel ist es, Tod und Zerstörung über die – wie sie uns im Westen nennen – Ungläubigen zu bringen und dem Islam damit zum Sieg zu verhelfen. Es zeigt sich jedoch, dass den Vier für ein solch ambitioniertes „Projekt“ mitunter die notwendigen Mittel fehlen.
Das beginnt schon mit dem eher peinlichen Ausflug in ein pakistanisches Terroristen-Camp, wo Omar und Waj nach einem folgenschweren Zwischenfall ihre Sachen packen und unverrichteter Dinge wieder abreisen müssen. Zurück im verhassten England beginnen sie schließlich mit der Planung für ein heimtückisches Selbstmordattentat. Bei einem Wohltätigkeits-Marathon wollen sie zuschlagen und ihren Ankündigungen endlich Taten folgen lassen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, immerhin sind Omar und seine Terroristen-Buddies allesamt blutige Anfänger. Aus Angst davor, entdeckt zu werden, verschlucken sie ihre SIM-Karten oder verstellen beim Kauf der Bomben-Zutaten ihre Stimme. Und zum Test des explosiven Gemischs müssen auch schon einmal unschuldige Tiere dran glauben.
Four Lions schert sich keinen Augenblick um das, was man vielleicht nicht zeigen oder worüber man sich vielleicht nicht lustig machen dürfte. Das ist seine große Qualität, wobei die konsequente Auslassung jeder politischen Korrektheit allein noch keinen guten Film ergäbe. In den äußerst treffsicheren, mitunter mehr als schwarzen Pointen – so kommt es mehr als nur einmal zu todbringenden Missverständnissen und Verwechslungen – versteckt Regisseur Christopher Morris eine ziemlich clevere Dekonstruktion von religiösem Eifer und eines offenkundig gestörten Weltbildes. Obwohl hier auf den islamistischen Terror bezogen, lässt sich die Lesart des Films auf jedwede Art von Extremismus problemlos erweitern. In allen Fällen werden Menschen instrumentalisiert, indoktriniert und mit absurden Versprechungen manipuliert.
Obgleich gewisse, besonders skurrile Einfälle ab sofort immer wieder nacherzählt und zitiert werden dürften – Fessals missglückte Versuche, eine Krähe als fliegenden Bombenkurier auszubilden, die hinreißend amateurhaften Outtakes ihrer Bekennervideos –, besteht Four Lions nicht allein aus lauten Gags. Erschreckend ist, wie selbstverständlich Omars Frau – eine Krankenschwester – den Plan ihres Mannes unterstützt. Sie versucht erst gar nicht, ihm die grausame und feige Tat auszureden. Es sind Beobachtungen wie diese, in die Morris schmerzhafte Wahrheiten über Verblendung und Fanatismus verpackt. Sein Film tritt selbstbewusst für einen säkularen Staat und eine freie Gesellschaft ein. Dass er dabei bis zum Ende sein hohes Tempo beibehält und überdies nie seinen Biss verliert, macht aus ihm eine uneingeschränkt sehenswerte Satire.
Für Programmkino.de.
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