Mittwoch, März 16, 2011

The Rite - Der Ritus


USA 2011

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Geschichten um und über Exorzisten sind wie das Thema selber vermutlich eine Glaubensfrage. Auf die einen wirken sie bedrohlich, beängstigend und in höchstem Maße verstörend, wohingegen andere sie als lächerlichen Mummenschanz abtun. Ob man sich bei einer mit allem Schnickschnack inszenierten Teufelsaustreibung gruselt oder sie im Gegenteil als komödiantischen Höhepunkt empfindet, hängt nicht zuletzt von den eigenen religiösen Überzeugungen ab. Dabei ist der Akt als solcher keineswegs so zentral wie die Herleitung desselben. Eine überaus beliebte Methode scheint zu sein, den skeptischen/zweifelnden Zuschauern über eine ebenfalls skeptische/zweifelnde Hauptfigur abzuholen und so eine Identifikationsmöglichkeit zu erschaffen.

Der von Eli Roth protegierte Low-Budget-Thriller Der letzte Exorzismus funktionierte exakt nach diesem Schema. Im Stile einer TV-Dokumentation sollte der Glauben an den Teufel als ein riesiger, von der Kirche inszenierter Schwindel enttarnt werden. Dass das Ende wahlweise als Bestätigung oder Widerspruch dieser These gewertet werden konnte und so beide Seiten auf eine gewisse Art zufrieden stellte, mag man feige finden. Zumindest an der Kinokasse erwies sich das Konzept jedoch als einträglich. In The Rite ist es ein junger Priesteranwärter (Colin O’Donoghue), der an der Standfestigkeit seines Glaubens und seiner Berufswahl zweifelt und von seinem Vorgesetzten daraufhin zu einem Exorzisten-Workshop in den Vatikan beordert wird. Dort trifft er auf Hannibal Lector äh Pater Lucas (Anthony Hopkins). Der Geistliche ist im Exorzismus-Geschäft ein alter Hase und anders als der Protagonist aus Roths Mockumentary von der Existenz des Belzebubs überzeugt.

Etwas zu schnell rückt der Film eine recht einleuchtende Erklärung für die vermeintliche Besessenheit in sein Zentrum. Wie der zweifelnde Michael soll auch der Zuschauer der Überzeugung sein, dass wir es hier nicht mit einem teuflischen Budenzauber sondern lediglich mit einem forensischen Phänomen, sprich einer psychischen Erkrankung zu tun haben. Die sich daran anschließende, sorgsam aufgebaute Widerlegung mit all ihren obskuren Begleiterscheinungen – eine Krötenplage muss als böses Omen für den bibelfesten Zuschauer herhalten – gehört wie das Final Girl längst zum Inventar des Horrorfilms. Der Ablauf folgt bis zum unvermeidlichen Twist den eingespielten Regeln des Genres, was die Geschichte insgesamt nur bedingt modern erscheinen lässt. Spannender als die Frage, ob der Film die Existenz von Gott und Teufel schlussendlich bejaht, ist dann auch seine psychologische Komponente. Immer wieder betrachtet The Rite problematische Vater-Sohn-Beziehungen, aus denen dunkle Geheimnisse hervorleuchten. Michaels Verhältnis zu seinem strengen, dominanten Vater (Rutger Hauer in einer Nebenrolle) ist dabei von zentraler Bedeutung. Es bildet eine unsichtbare Klammer, die den klerikalen Plot mit seinen seit Der Exorzist unzählige Male kopierten Bestandteilen umschließt.

Optisch bildet der Film, dem der abgenutzte Hinweis auf eine reale Begebenheit voranstellt wurde, einen ansprechenden Gegenentwurf sowohl zum Blair-Witch-Stil des letzten Exorzisten als auch zu Fantasy-ähnlichen Vertretern wie Constantine. So ist Regisseur Mikael Håfström einerseits erkennbar um Realismus bemüht, gleichzeitig fängt er Hochglanz-Bilder der ewigen Stadt ein, mit denen sich The Rite abseits seiner düsteren Boogeyman-Szenen problemlos in ein touristisches Werbevideo einfügen könnte. Håfström weiß, wie er den im weiteren Verlauf zunehmend konventionellen Plot verpacken muss, damit man dessen Ideenlosigkeit möglichst erst hinterher bemerkt. Schicke Rückblenden, Weichzeichner und elegante Totalen gehören schon länger zum Handwerkszeug des genre-erfahrenen Schweden. Eine besondere Erwähnung verdient zudem der angenehm zurückhaltende und doch einprägsame Score von Alex Heffes, aus dem sich ganze Assoziationsketten bauen lassen.

Nach einem vielversprechenden Auftakt, der uns Michaels innere Zerrissenheit näherbringt und uns zudem einen Blick in die Organisation des kirchlichen Ausbildungsapparates erlaubt, versackt die Handlung in den üblichen, hinlänglich thematisierten Widersprüchen zwischen Glauben und Vernunft. Die vom Film propagierte Dialektik ist dabei so überraschungsfrei wie viele der kurzen Schockmomente, die sich aus einem meist schrillen Soundeffekt und einem schnellen Umschnitt ergeben. Statt furchteinflößend oder zumindest beunruhigend wirkt das Finale im dunklen Kämmerlein dann fast schon campy. Während recht einfallslose Computereffekte Atmosphäre erzeugen sollen, darf ein wild grimassierender Anthony Hopkins als besessener Dämonen-Derwisch sein Overacting auf die Spitze treiben. Es ist jener Augenblick, in dem The Rite seinen Tiefpunkt erreicht.

Für BlairWitch.de.