Dienstag, April 26, 2011

Red Riding Hood - Das Twilight-Phänomen


USA 2011

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Das alte Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf war wie so viele Märchen ein recht brutales und gruseliges Lehrstück, in dem Kindern Misstrauen und Vorsicht eingeimpft werden sollte. Das Fremde, so die nicht ganz unproblematische Moral, sei schließlich meist unheimlich, verschlagen und böse, weshalb es gilt, sich vor ihm in Acht zu nehmen. Gerne wurde statt einem gefährlichen Raubtier auch „der schwarze Mann“ als das personifizierte Böse genommen, bei dem die Kleinen laut schreien sollten, wenn sie ihn sehen. Rassismus im Kinderzimmer – aber irgendwie niedlich verpackt. Die dunklen Wurzeln der Rotkäppchen-Geschichte interessierten auch Twilight-Regisseurin Catherine Hardwicke. Da traf es sich gut, dass Fantasyerzählungen mit sanftem Gruseltouch derzeit ziemlich angesagt sind – Stephenie Meyers Vampir-Love-Story sei Dank.

In der Tat klingt die Idee auf dem Papier durchaus reizvoll. Aus dem nicht gerade friedfertigen Kindermärchen sollte ein spannender Fantasy-Thriller für Erwachsene entstehen. Setzt man hierzu den fertigen Film jedoch ins Verhältnis, so kommt man aus dem Staunen kaum mehr heraus. Denn was Hardwicke, die immerhin einmal so aufregende Jugendportraits wie Dreizehn oder Dogtown Boys inszenierte, hier abliefert, lässt sich allenfalls noch unter dem Trash-Aspekt halbwegs unfallfrei konsumieren. Nimmt man die Reaktionen der Besucher der Pressevorführung zum Maßstab, so kann leicht der Eindruck entstehen, Hardwicke habe keinen düsteren Thriller sondern eine Parodie im Stil der Scary Movie-Reihe gedreht.

Die Katastrophe beginnt bereits mit den ersten Bildern, deren brutale Künstlichkeit jedes ästhetische Empfinden mit Füßen tritt. Das kleine, beschauliche Dorf Daggenhorn, das zum Schauplatz einer mysteriösen Werwolf-Attacke werden soll, hüllte Kamerafrau Mandy Walker in ein derart verkitschtes Licht, dass jede Illusion einer echten Bedrohung noch vor ihrem Entstehen zerstört wird. Der das Dorf umgebende Wald sah selbst bei Ottos 7 Zwerge-Blackout nicht so offensichtlich nach Kulisse und Studio aus. Es hätte später schon fast alles richtig laufen müssen, um diesen ersten, nicht nur für eine Hollywood-Produktion blamablen Eindruck vergessen zu machen. Doch anstatt sich zu steigern, rutscht Red Riding Hood mit jeder Szene nur noch weiter in die Niederungen unfreiwilliger Komik ab.

Man kann – wenn man denn dazu gewillt und in der Stimmung ist – dem Ganzen durchaus einen gewissen Unterhaltungswert abgewinnen, gerade weil das Resultat so überhaupt nicht zu der eingangs erwähnten Intention eines erwachsenen Genrebeitrags passen will. Trash ist bekanntlich immer dann nur wirklich gut, wenn er sich als das unbeabsichtigte Nebenprodukt gänzlich anderer Ambitionen ergibt. So wie im vorliegenden Fall. Es ist eigentlich egal, welchen Aspekt man sich herauspickt, es findet sich kaum etwas, das nicht komplett misslungen ist. Sei es das uninspirierte Set-Design, das aus Daggenhorn eine keimfreie Disneyland-Kulisse macht, seien es die strunzdummen Dialoge, von denen manche selbst in einer Daily Soap nur mit hochrotem Kopf aufgesagt würden, oder die plumpen Anbiederungsversuche an die Twilight-Zielgruppe. Bereits die Besetzung schielt kalkuliert auf die Rollenverteilung der weltweit erfolgreichen Vampir-Saga. Wie schon Kristen Stewart bekommt es auch Amanda Seyfried als blondes Love Interest gleich mit zwei Verehrern zu tun, von denen der eine (Shiloh Fernandez) ganz offenbar als Robert-Pattinson-Double gecastet wurde.

Richtig amüsant wird es, wenn Gary Oldman die Bühne betritt und in der Rolle des eigentlichen Bösewichts eine besonders forcierte Abwandlung seiner früheren Bad-Guy-Interpretationen zum Besten gibt. Als bigotter Werwolfjäger darf er sein über die Jahre perfektioniertes Overacting auf die Spitze treiben, was ihm und uns mehr Freude als alles andere in diesem durchweg verunglückten Fantasy-Mischmasch bereitet. Wenn schließlich der irgendwie knuffige, eher an Karl der Kojote als eine wilde Kreatur erinnernde böse Wolf auftaucht, legt Red Riding Hood sein gesamtes Trash-Potenzial offen – ein CGI-Unfall in Perfektion, der sogar eine Gurke wie Van Helsing auf einmal ziemlich cool aussehen lässt.

Es fällt schwer, Hardwickes missglückten Versuch, einer erwachsenen Rotkäppchen-Variation, in Bausch und Bogen zu verdammen. Ihr Film ist letztlich ein viel zu leichtes Angriffsziel, das seine verkorksten Ideen und deren „cheesige“ Ausführung ohne ein schlechtes Gewissen ausstellt. Das mag man dann sogar auf eine gewisse Art fast schon wieder sympathisch finden.

Für BlairWitch.de.