Montag, Mai 02, 2011

Mütter und Töchter - Kreuzende Parallelen


USA 2010

++1/2

Mütter und Töchter ist ein klassischer Frauenfilm - und das nicht, weil die darin verhandelten Themen Männer nicht interessieren würden. Vielmehr weist die Geschichte Männern lediglich eine Nebenrolle zu. Im Zentrum stehen stattdessen drei spannende, miteinander verwobene Frauenschicksale. Rodrigo Garcia, Sohn des Literaur-Nobelpreisträgers Gabriel Garcia Márquez, erzählt in seinem Film von der besonderen Verbindung zwischen Eltern und ihren Kindern, von einer bisweilen schmerzhaften Suche und den Bausteinen der eigenen Identität. Als ausführender Produzent fungierte Alejandro González Iñárritu (Babel).

Filmkritik:

Das Band zwischen Mutter und Tochter scheint unter allen Verwandtschaftsbeziehungen besonders eng geknüpft. So nah beisammen wie an dieser Stelle ist Familie nur selten. Ausgehend von dieser Beobachtung erzählt Rodrigo Garcia in Mütter und Töchter gleich von mehreren, recht unterschiedlichen Banden, die – obwohl abgerissen, unterentwickelt oder scheinbar überhaupt nicht existent – die Leben der mit ihnen verbundenen Eltern und Kinder auf eine sehr bestimmte Art prägen und beeinflussen. Drei Schicksale, die von Garcia zunächst isoliert betrachtet und im letzten Drittel des Films dann zueinander geführt werden, bilden das narrative Gerüst.

Für Karen (Annette Bening) liegt das Ereignis, was sie bis heute nicht losgelassen hat, inzwischen fast vier Jahrzehnte zurück. Damals, mit gerade einmal 14 Jahren, sah sie sich gezwungen, ihre Tochter zur Adoption freizugeben. Während sie unterstützt von ihrem neuen Freund Paco (Jimmy Smits) die Suche nach der mittlerweile erwachsenen Tochter wieder aufnimmt, befindet sich die erfolgreiche Anwältin Elizabeth (Naomi Watts) ihrerseits auf der Suche nach der Mutter, die sie nie hatte. Schnell ist klar, dass Karen und Elizabeth eine gemeinsame Vergangenheit teilen. Welche Rolle hingegen der jungen Lucy (Kerry Washington) zukommt, zeigt sich erst viel später. Zusammen mit ihrem Mann hat sie alles versucht, um schwanger zu werden – vergeblich. Ihre letzte Hoffnung lautet daher Adoption. Doch die Frau, die Lucys Baby auf die Welt bringen soll, plagen Zweifel, ob sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen hat.

Über weite Strecken einfühlsam und zurückhaltend erzählt, entwirft Garcia ein stimmiges Bild von Mutterschaft in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Vor allem aus der Abwesenheit von Nähe und gemeinsam verlebter Zeit, die nach Garcias Meinung mehr als die rein biologische Komponente das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern bestimmt, ergeben sich mitunter recht komplexe Fragestellungen. Lässt sich auch nach dreißig oder vierzig Jahren eine „normale“ Mutter-Tochter-Beziehung neu aufbauen? Wie beeinflusst eine solch lange Trennung unsere Identität? Und was geschieht eigentlich mit uns, wenn wir ohne Kenntnis unserer Herkunft aufwachsen? Garcia deutet immer wieder Antworten an. So portraitiert er Elizabeth als eine entwurzelte Frau, die sich im Job vermeintlich männliche Eigenschaften aneignet und gleichzeitig in ihren Beziehungen vor jeder festen Bindung zurückschreckt. Mit dieser naheliegenden Analyse wagt sich der Film allerdings auch sehr auf hobbypsychologisches Glatteis. Vermutlich sind die wahren Folgen vielschichtiger, als dass man sie problemlos in zwei Stunden Kino verpacken könnte.

Spätestens seit L.A. Crash erfreuen sich Filme mit parallel verlaufenden Handlungssträngen und finaler Übereinkunft großer Beliebtheit. Dabei scheint es letztlich egal zu sein, wie kunstvoll ein Regisseur das im Drehbuch angelegte Puzzle am Ende auch auflöst. Der Geschichte haftet stets etwas Künstliches an, da mit Blick auf das Ende Wendungen forciert und Zusammenhänge konstruiert werden. Auch in Mütter und Töchter treten bestimmte Stellschrauben des Drehbuchs überdeutlich hervor und doch mag man hier großzügiger als in anderen Fällen über sie hinwegsehen. Das liegt zum einen an Garcias Fähigkeit, sein sehr persönliches Anliegen in lebendige, glaubhafte Charaktere einfließen zu lassen, zum anderen garantieren die Schauspieler – und da ganz besonders die zuletzt für ihre Rolle in The Kids are all right Oscar-nominierte Annette Bening –, dass man dieser Geschichte über das Suchen und Finden jederzeit mit Interesse und Empathie folgt.

Für Programmkino.de.

1 Comments:

Anonymous Heike said...

Diese Besprechung gibt jetzt den letzten Ausschlag, den Film zu sehen. Danke.

Mai 04, 2011 12:28 PM  

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