Texas Chainsaw Massacre: The Beginning - Das Massaker der FSK
USA 2006
+ (deutsche FSK18-Version)
83 Minuten. Die auch für einen Horrorfilm kurze Laufzeit lässt bereits Schlimmes erahnen. Zwei Gedanken schießen einem durch den Kopf: Schere, FSK. Und ja, diese Befürchtungen sollten sich bewahrheiten. Die im Gegensatz zur US-Version fehlenden acht Minuten machen aus Texas Chainsaw Massacre: The Beginning ein filmisches Fragment, einen Rumpf, der sich ungeachtet seiner eigenen Defizite jeglicher Existenzberechtigung beraubt. Wie von Warner zu hören war, hätte das Gutachtergremium der Freiwilligen Selbstkontrolle sogar eine Freigabe ab 18 Jahren verweigert, wäre es nicht zu den nun vorliegenden drastischen Schnitten gekommen.
Vermutlich wäre es besser gewesen, ganz auf eine deutsche Kinoauswertung zu verzichten. Denn die echten Fans der Serie dürften wohl kaum bereit sein, für eine solche Frechheit sogar noch Eintritt zu bezahlen. Zumindest wenn sie keine masochistischen Gelüste verspüren. Das nun vorliegende zusammengekürzte Ergebnis ist umso bedauerlicher, als dass die Idee, ein Prequel über die wohl berühmteste Familie des modernen Horrorkinos zu drehen, durchaus reizvoll erschien. Fortsetzungen haben im Horrorgenre eine lange Tradition, doch die Vorgeschichte eines Mythos wie Leatherface ergründen zu wollen, besitzt immer noch Seltenheitswert.
Sheldon Turner – Autor des gelungenen Amityville-Remakes – fiel die Aufgabe zu, eine schlüssige Vorgeschichte zu Tobe Hoopers Terrorsensation Blutgericht in Texas (1972) zu entwickeln. Als Ausgangspunkt nimmt er dabei den frühst möglichen Zeitpunkt im Leben des Thomas Hewitt: Seine Geburt. Er erlebt ein Schicksal wie es auch Jean-Baptiste Grenouille in Tom Tykwers letztjähriger Adaption von Patrick Süskinds Roman Das Parfüm zu tragen hatte. Neu auf diese Welt gekommen und schon nicht gewollt zu sein, abgelegt in Müll und Dreck. Während seine leibliche Mutter bei der Geburt stirbt, wächst der kleine Thomas in der sonderlichen Pflegefamilie der Hewitts auf. Das entstellte Gesicht bringt ihm nur Hohn und Spott ein. Mitschüler grenzen ihn aus. Er ist der Prototyp des Freaks, des Außenseiters, der aus seiner Einsamkeit zum Monster mutiert.
Auch wenn die Schlussfolgerung, wonach ein äußerlicher Makel zu einer seelischen Degeneration führt, ein verkürzter psychologischer Taschenspielertrick sein mag, erklärt es doch, wie aus Thomas Hewitt Leatherface wurde. Die Frage, warum die übrigen Mitglieder des Hewitt-Clans an einem – salopp formuliert – überdimensionierten Sockenschuss leiden, versucht Turner mit der Isolation und Tristesse eines Lebens abseits aller Sozialisation zu beantworten. Nachdem der angrenzende Schlachthof geschlossen wurde, bleibt die Familie im Nichts zurück. Dass sich Wahnsinn eigentlich schon per Definition einer rationalen Analyse entzieht, macht Turners Mission nicht einfacher. So glaubt er, auch andere Bestandteile und Charakteristika der Serie erklären zu müssen. Wie kam es zu der doppelten Beinamputation bei Onkel Monty? Weshalb hat Hoyt keine Zähne? Und wie konnte so jemand wie er überhaupt Sheriff werden? Ernüchterung macht sich breit, nachdem die letzten nur leidlich originellen Antworten auf dem Tisch liegen.
Marcus Nispel – Regisseur des 2003er Remakes – steckte den Leatherface-Kult in ein neues, durchgestyltes Terrorgewand. Düster, apokalyptisch, ausweglos und ohne jeden Anflug von relativierendem Humor kam die Neuinterpretation daher. Sie war zeitgemäß ohne dabei das Schockpotential des Originals zu verkaufen. The Beginning steht optisch ganz in dieser Tradition. Liebesman scheint Nispels Stil eins zu eins kopieren zu wollen. Eine eigene Handschrift sucht man vergebens. Weil sich der Plot besonders im Mittelteil dahinschleppt, fällt die inszenatorische Ideenlosigkeit umso stärker auf.
Doch alle berechtigte Kritik, die man an die Macher adressieren könnte, verblasst gegenüber dem, was die FSK zu verantworten hat. Da ohnehin nur eine Freigabe ab 18 Jahren zur Diskussion stand, lassen sich die drastischen Kürzerungen praktisch sämtlicher Gewaltdarstellungen noch nicht einmal mit dem Jugendschutz rechtfertigen. Das Ganze läuft eher auf eine Entmündigung des erwachsenen Zuschauers hinaus. Jedes Mal, wenn Leatherface die Kettensäge anwirft, springt der Schnitt im Holzhammermodus zur nächsten Szene. Gäbe es nicht eine längere Sequenz gegen Ende, die ihn rennend mit der titelgebenden Kettensäge zeigt, es käme die berechtigte Frage auf, warum das Ganze überhaupt Texas Chainsaw Massacre heißt. Ein Kettensägenfilm ohne Kettensäge. Wenn das Leatherface wüsste…
Erschienen bei BlairWitch.
+ (deutsche FSK18-Version)
83 Minuten. Die auch für einen Horrorfilm kurze Laufzeit lässt bereits Schlimmes erahnen. Zwei Gedanken schießen einem durch den Kopf: Schere, FSK. Und ja, diese Befürchtungen sollten sich bewahrheiten. Die im Gegensatz zur US-Version fehlenden acht Minuten machen aus Texas Chainsaw Massacre: The Beginning ein filmisches Fragment, einen Rumpf, der sich ungeachtet seiner eigenen Defizite jeglicher Existenzberechtigung beraubt. Wie von Warner zu hören war, hätte das Gutachtergremium der Freiwilligen Selbstkontrolle sogar eine Freigabe ab 18 Jahren verweigert, wäre es nicht zu den nun vorliegenden drastischen Schnitten gekommen.
Vermutlich wäre es besser gewesen, ganz auf eine deutsche Kinoauswertung zu verzichten. Denn die echten Fans der Serie dürften wohl kaum bereit sein, für eine solche Frechheit sogar noch Eintritt zu bezahlen. Zumindest wenn sie keine masochistischen Gelüste verspüren. Das nun vorliegende zusammengekürzte Ergebnis ist umso bedauerlicher, als dass die Idee, ein Prequel über die wohl berühmteste Familie des modernen Horrorkinos zu drehen, durchaus reizvoll erschien. Fortsetzungen haben im Horrorgenre eine lange Tradition, doch die Vorgeschichte eines Mythos wie Leatherface ergründen zu wollen, besitzt immer noch Seltenheitswert.
Sheldon Turner – Autor des gelungenen Amityville-Remakes – fiel die Aufgabe zu, eine schlüssige Vorgeschichte zu Tobe Hoopers Terrorsensation Blutgericht in Texas (1972) zu entwickeln. Als Ausgangspunkt nimmt er dabei den frühst möglichen Zeitpunkt im Leben des Thomas Hewitt: Seine Geburt. Er erlebt ein Schicksal wie es auch Jean-Baptiste Grenouille in Tom Tykwers letztjähriger Adaption von Patrick Süskinds Roman Das Parfüm zu tragen hatte. Neu auf diese Welt gekommen und schon nicht gewollt zu sein, abgelegt in Müll und Dreck. Während seine leibliche Mutter bei der Geburt stirbt, wächst der kleine Thomas in der sonderlichen Pflegefamilie der Hewitts auf. Das entstellte Gesicht bringt ihm nur Hohn und Spott ein. Mitschüler grenzen ihn aus. Er ist der Prototyp des Freaks, des Außenseiters, der aus seiner Einsamkeit zum Monster mutiert.
Auch wenn die Schlussfolgerung, wonach ein äußerlicher Makel zu einer seelischen Degeneration führt, ein verkürzter psychologischer Taschenspielertrick sein mag, erklärt es doch, wie aus Thomas Hewitt Leatherface wurde. Die Frage, warum die übrigen Mitglieder des Hewitt-Clans an einem – salopp formuliert – überdimensionierten Sockenschuss leiden, versucht Turner mit der Isolation und Tristesse eines Lebens abseits aller Sozialisation zu beantworten. Nachdem der angrenzende Schlachthof geschlossen wurde, bleibt die Familie im Nichts zurück. Dass sich Wahnsinn eigentlich schon per Definition einer rationalen Analyse entzieht, macht Turners Mission nicht einfacher. So glaubt er, auch andere Bestandteile und Charakteristika der Serie erklären zu müssen. Wie kam es zu der doppelten Beinamputation bei Onkel Monty? Weshalb hat Hoyt keine Zähne? Und wie konnte so jemand wie er überhaupt Sheriff werden? Ernüchterung macht sich breit, nachdem die letzten nur leidlich originellen Antworten auf dem Tisch liegen.
Marcus Nispel – Regisseur des 2003er Remakes – steckte den Leatherface-Kult in ein neues, durchgestyltes Terrorgewand. Düster, apokalyptisch, ausweglos und ohne jeden Anflug von relativierendem Humor kam die Neuinterpretation daher. Sie war zeitgemäß ohne dabei das Schockpotential des Originals zu verkaufen. The Beginning steht optisch ganz in dieser Tradition. Liebesman scheint Nispels Stil eins zu eins kopieren zu wollen. Eine eigene Handschrift sucht man vergebens. Weil sich der Plot besonders im Mittelteil dahinschleppt, fällt die inszenatorische Ideenlosigkeit umso stärker auf.
Doch alle berechtigte Kritik, die man an die Macher adressieren könnte, verblasst gegenüber dem, was die FSK zu verantworten hat. Da ohnehin nur eine Freigabe ab 18 Jahren zur Diskussion stand, lassen sich die drastischen Kürzerungen praktisch sämtlicher Gewaltdarstellungen noch nicht einmal mit dem Jugendschutz rechtfertigen. Das Ganze läuft eher auf eine Entmündigung des erwachsenen Zuschauers hinaus. Jedes Mal, wenn Leatherface die Kettensäge anwirft, springt der Schnitt im Holzhammermodus zur nächsten Szene. Gäbe es nicht eine längere Sequenz gegen Ende, die ihn rennend mit der titelgebenden Kettensäge zeigt, es käme die berechtigte Frage auf, warum das Ganze überhaupt Texas Chainsaw Massacre heißt. Ein Kettensägenfilm ohne Kettensäge. Wenn das Leatherface wüsste…
Erschienen bei BlairWitch.
6 Comments:
Zustimmung.
Nur der Penibilität halber: Die FSK:18-Freigabe gibt es nicht mehr, sondern seit einigen Jahren dafür K(eine) J(guendfreigabe).
PS: Wusstest du nicht, dass die gekürzte Fassung gezeigt wird? Ich hatte ja extra noch bei Warner angefragt, die mir dann sagten, sie würden die deutsche FSK-Version zeigen, womit das für mich gegessen war und ich mir gleich die Unrated-DVD besorgte.
klugscheißerman ;-)
ich wusste, dass die deutsche fassung gezeigt wird, weshalb ich schon mit kürzungen rechnete. aber nicht in dieser drastischen art und weise.
Ja sorry, ich weiß. *g*
Tja, die Fassung muss nach deiner Beschreibung ja wirklich heftig gewesen sein, wohl so wie in den guten alten VHS-Zeiten. SAW III wiederum bekommt uncut das KJ-Siegel, schon seltsam. Na ja, Warner hat ja schon oft genug "Glück" gehabt (Freddy Vs. Jason, House of Wax...), jetzt hat es sie eben auch mal erwischt. Gerade die TCM-Filme waren der FSK (ebenso wie der BPjS) ja schon immer ein Dorn im Auge.
Schöne Rezension, Marcus!
Wie du schon schreibst: Es lässt einen ins Grübeln kommen, warum Warner diese zerschnittene Version überhaupt noch ins Kino bringt. Welche Masochisten werden für diese Fassung freiwillig Kinoeintritt zahlen? Dann doch lieber gleich ab ins hinterste Videothekenregal...
hallo, jetzt bin ich ernsthaft am überlegen, ob ich mir den Film noch antue !!
gruss bodymen
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