Little Miss Sunshine - Schönheit im Anderssein
USA 2006
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Die eigene Sippe als Keimzelle des ganz alltäglichen Irrsinns. Der Überraschungserfolg Little Miss Sunshine der beiden ehemaligen Videoclip-Regisseure Jonathan Dayton und Valerie Faris spürt im Schoß der Familie allerlei skurrile, heitere bis tragikomische Momente auf.
Anspruch und Realität klaffen auch bei Familienvater Richard Hoover (Greg Kinnear) weit auseinander. Während er davon überzeugt ist, ein neunstufiges Patentrezept zu persönlichen wie beruflichen Erfolg gefunden zu haben, können sich nur wenige seiner Zuhörer für Richards Motivationsinjurien begeistern. Und zu Hause hört sowieso schon lange niemand auf ihn. Sein Vater (Alan Arkin) fliegt nach mehrmaligem Drogenkonsum aus dem Seniorenheim und sein Sohn (Paul Dano) flüchtet in ein selbst auferlegtes Schweigegelübde. Wäre da noch Richards Ehefrau Sheryl (Toni Collette), die jedoch nach dem Selbstmordversuch ihres Bruders Frank (Steve Carell) andere Sorgen hat, als sich um die ins Stocken geratene Karriereplanung ihres Mannes zu kümmern. Einzig Olive (Abigail Breslin), seine siebenjährige Tochter, scheint Daddys unerschütterlichen Optimismus geerbt zu haben. Als sie die Nachricht erreicht, sie könne an der Wahl zur „Little Miss Sunshine“ teilnehmen, kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr – zumindest bei Olive.
Nach längeren Diskussionen entscheidet die Familie schließlich, gemeinsam im alten VW-Bus nach Kalifornien zur Miss-Wahl zu reisen. Von da an begibt sich Jonathan Daytons und Valerie Faris erste Regiearbeit zielstrebig auf Road Movie-Kurs. Die sechsköpfige Truppe, deren illustre Zusammensetzung akribisch durchgeplant wurde, stolpert von einem Malheur zum nächsten. Weil die durchweg erstklassige Besetzung die nur leidlich originelle Ausgangslage Vergessen macht und sogar manch platte Gags mit einem verschmitzten Charme verkaufen kann – Opas Kauf der Sexheftchen passt eher in einen Zotenreißer mit Ben Stiller und Owen Wilson – stellt sich zwischen der Chaostruppe und uns schnell eine wohlige Vertrautheit ein. Dass sich Autor Michael Arndt dabei auch im filmhistorischen Fundus bedient und Klassiker wie Hitchcocks Immer Ärger mit Harry zitiert, verstärkt dieses Gefühl nochmals.
Obwohl jeder Einzelne des Sechserpacks stets eine Überzeichnung bekannter und gängiger Stereotypen in sich trägt – der depressive Intellektuelle trifft auf Dad, den geborenen Verlierer – ist der Spaß beim Zusehen nie in Gefahr. Dafür spielt das Drehbuch zu pointiert mit den nicht nur bei den Hoovers weit verbreiteten Ritualen des Alltags. Allein die Diskussion über die Art der Reisegestaltung, wer mitkommt oder zuhause bleibt, besitzt einen unschlagbaren Wiedererkennungswert.
Je näher Olive ihrem Ziel kommt, desto mehr wünscht man sich, der Trip möge den einen oder anderen Schlenker mehr einlegen. Ist es ein Klischee der Filmkritik, das sie nur zu gerne mit Begrifflichkeiten wie Anteilnahme operiert? Anteilnahme entscheidet letztlich darüber, ob wir zufrieden oder enttäuscht das Kino verlassen. Bei Little Miss Sunshine ist sie im Überfluss vorhanden. Ganz besonders für die kleine Schönheitskönigin, die so gar nicht zu dem eingeschnürten und dressierten Lächeln ihrer zu auffrisierten Püppchen erstarrten Konkurrentinnen passen will. Unser Herz hängt am Underdog, speziell dann, wenn dieser die Niederlage nicht als solche versteht, sondern sich abseits von Leistungskategorien über seine eigene Persönlichkeit definiert.
Das Finale in dem vom Elternehrgeiz infiltrierten Miss-Contest funktionieren Dayton und Faris kurzerhand in ein leidenschaftliches Plädoyer gegen herrschenden Schönheitswahn und Konformitätsdruck um. Die Story scheint sich in der Absurdität der Hoover’schen Bühneneinlage aufzulösen, während die Familienmitglieder dem eigenen Bewegungsdrang freien Lauf lassen. Nachdem der Film über weite Strecken eher brav den Konventionen seines Genres folgte, bricht er auf der Zielgeraden aus. Das dürfte nicht nur auf Olives Gesicht ein breites Grinsen herbeizaubern. Die Hoovers haben sich soeben als die legitimen, verschrobenen Nachfolger der Griswolds empfohlen.
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Die eigene Sippe als Keimzelle des ganz alltäglichen Irrsinns. Der Überraschungserfolg Little Miss Sunshine der beiden ehemaligen Videoclip-Regisseure Jonathan Dayton und Valerie Faris spürt im Schoß der Familie allerlei skurrile, heitere bis tragikomische Momente auf.
Anspruch und Realität klaffen auch bei Familienvater Richard Hoover (Greg Kinnear) weit auseinander. Während er davon überzeugt ist, ein neunstufiges Patentrezept zu persönlichen wie beruflichen Erfolg gefunden zu haben, können sich nur wenige seiner Zuhörer für Richards Motivationsinjurien begeistern. Und zu Hause hört sowieso schon lange niemand auf ihn. Sein Vater (Alan Arkin) fliegt nach mehrmaligem Drogenkonsum aus dem Seniorenheim und sein Sohn (Paul Dano) flüchtet in ein selbst auferlegtes Schweigegelübde. Wäre da noch Richards Ehefrau Sheryl (Toni Collette), die jedoch nach dem Selbstmordversuch ihres Bruders Frank (Steve Carell) andere Sorgen hat, als sich um die ins Stocken geratene Karriereplanung ihres Mannes zu kümmern. Einzig Olive (Abigail Breslin), seine siebenjährige Tochter, scheint Daddys unerschütterlichen Optimismus geerbt zu haben. Als sie die Nachricht erreicht, sie könne an der Wahl zur „Little Miss Sunshine“ teilnehmen, kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr – zumindest bei Olive.
Nach längeren Diskussionen entscheidet die Familie schließlich, gemeinsam im alten VW-Bus nach Kalifornien zur Miss-Wahl zu reisen. Von da an begibt sich Jonathan Daytons und Valerie Faris erste Regiearbeit zielstrebig auf Road Movie-Kurs. Die sechsköpfige Truppe, deren illustre Zusammensetzung akribisch durchgeplant wurde, stolpert von einem Malheur zum nächsten. Weil die durchweg erstklassige Besetzung die nur leidlich originelle Ausgangslage Vergessen macht und sogar manch platte Gags mit einem verschmitzten Charme verkaufen kann – Opas Kauf der Sexheftchen passt eher in einen Zotenreißer mit Ben Stiller und Owen Wilson – stellt sich zwischen der Chaostruppe und uns schnell eine wohlige Vertrautheit ein. Dass sich Autor Michael Arndt dabei auch im filmhistorischen Fundus bedient und Klassiker wie Hitchcocks Immer Ärger mit Harry zitiert, verstärkt dieses Gefühl nochmals.
Obwohl jeder Einzelne des Sechserpacks stets eine Überzeichnung bekannter und gängiger Stereotypen in sich trägt – der depressive Intellektuelle trifft auf Dad, den geborenen Verlierer – ist der Spaß beim Zusehen nie in Gefahr. Dafür spielt das Drehbuch zu pointiert mit den nicht nur bei den Hoovers weit verbreiteten Ritualen des Alltags. Allein die Diskussion über die Art der Reisegestaltung, wer mitkommt oder zuhause bleibt, besitzt einen unschlagbaren Wiedererkennungswert.
Je näher Olive ihrem Ziel kommt, desto mehr wünscht man sich, der Trip möge den einen oder anderen Schlenker mehr einlegen. Ist es ein Klischee der Filmkritik, das sie nur zu gerne mit Begrifflichkeiten wie Anteilnahme operiert? Anteilnahme entscheidet letztlich darüber, ob wir zufrieden oder enttäuscht das Kino verlassen. Bei Little Miss Sunshine ist sie im Überfluss vorhanden. Ganz besonders für die kleine Schönheitskönigin, die so gar nicht zu dem eingeschnürten und dressierten Lächeln ihrer zu auffrisierten Püppchen erstarrten Konkurrentinnen passen will. Unser Herz hängt am Underdog, speziell dann, wenn dieser die Niederlage nicht als solche versteht, sondern sich abseits von Leistungskategorien über seine eigene Persönlichkeit definiert.
Das Finale in dem vom Elternehrgeiz infiltrierten Miss-Contest funktionieren Dayton und Faris kurzerhand in ein leidenschaftliches Plädoyer gegen herrschenden Schönheitswahn und Konformitätsdruck um. Die Story scheint sich in der Absurdität der Hoover’schen Bühneneinlage aufzulösen, während die Familienmitglieder dem eigenen Bewegungsdrang freien Lauf lassen. Nachdem der Film über weite Strecken eher brav den Konventionen seines Genres folgte, bricht er auf der Zielgeraden aus. Das dürfte nicht nur auf Olives Gesicht ein breites Grinsen herbeizaubern. Die Hoovers haben sich soeben als die legitimen, verschrobenen Nachfolger der Griswolds empfohlen.
1 Comments:
Zur Ergänzung dieser interssanten Kritik empfehle ich auch die Kritik von David Segler: http://www.rosehr.info/rosehr_film_buch/filmbesprechung.html
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