Samstag, Dezember 02, 2006

Jackass: Nummer Zwei - Friends kill Friends

USA 2006

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Johnny Knoxville und Konsorten holen im Kino zu einem zweiten ernstzunehmenden Anschlag auf den guten Geschmack aus: eine Kampfansage an alle Schöngeister.

Was da seit 2000 bei MTV über den Bildschirm flimmert, halten Kulturskeptiker für den Untergang der Zivilisation. Oder zumindest für den Anfang vom Ende. Junge, zumindest körperlich gesunde Männer haben nichts Besseres zu tun, als ihre mehr oder weniger widerstandsfähigen Körper allen möglichen bis unmöglichen Torturen auszusetzen. Wo bei den Machern ein angeborener Masochismus vermutet werden muß, darf der Zuschauer die abstrusen Einfälle der "Jackass"-Combo mit ungläubigem Staunen, Lachen und der Befriedigung der eigenen voyeuristischen Triebe begleiten - jedenfalls dann, wenn er nicht bereits nach wenigen Minuten voller Ekel und Abscheu das Programm gewechselt hat.

Für Zartbesaitete ist "Jackass" (zu Deutsch sinngemäß: "Schwachkopf" - paßt irgendwie) wahrlich eine nachhaltigere und verstörendere Erfahrung als jeder noch so kranke Gewaltexzeß irgendwelcher durchgeknallter asiatischer Regisseure. Da bricht man sich in regelmäßigen Abständen bei waghalsigen Stunts die Knochen oder kotzt sich bei nicht wirklich goutierbaren Prüfungen Marke "Dschungel-Camp" die Seele aus dem Leib. Weil der erste Kinoausflug der "Jackass"-Crew anno 2003 weltweit über 80 Millionen Dollar einspielte, wundert es nicht, daß Johnny Knoxville, Bam Magera, Steve-O, Chris Pontius, Ryan Dunn, Preston Lacy, Ehren McGhehey und Jason "Wee Man" Acuña nun ein weiteres Mal in Spielfilmlänge ihre pubertären Späße ausleben dürfen. Daß sie dabei gefilmt werden, ist eher Nebensache. Wahrscheinlich hätte die Killer-WG auch ohne Kamera ihre helle (Schaden-)Freude am gegenseitigen Malträtieren.

Zu den "Highlights" des neuen "Jackass"-Abenteuers zählen ein Stierkampf mit verbundenen Augen, das Verzehren diverser Pferdeausscheidungen, ein Rodeo-Versuch auf einem Feuerwehrschlauch und eine Zahnentfernung per Pkw - eben eine Überdosis Bad Taste. Weil der Zuschauer unmittelbar die Schmerzen, Qualen und Schadenfreude der Jungs untereinander miterlebt, wie sie sich gegenseitig von einer DummDumm-Aktion zur nächsten aufpushen und dabei so wunderbar natürlich und ungestellt über sich und den ganzen - objektiv betrachtet - Scheiß lachen können, fällt das Resultat derart entwaffnend unterhaltsam aus. In dem Bewußtsein, mit "Jackass" eine subversive Replik auf einen rational-logischen Zeitgeist vorgesetzt zu bekommen, wo sich niemand für sein Tun erklären muß, läßt sich dieser Kinobesuch in einen von der ersten bis zur letzen Minute anarchistischen, dadaistischen Kindergeburtstag umfunktionieren. Sogar der Antichrist würde für soviel nicht-domestizierten und kalkulierten Spaß das eigene überheizte Zuhause verlassen.

Wer das Phänomen "Jackass" erklären will, braucht eigentlich nur den Ablaufplan der schmerzhaften Perversitäten nochmals im Geiste Revue passieren zu lassen. Knoxville und Anhang sind so etwas wie die modernen wiedergeborenen Helden des Stummfilmkinos. Wie Buster Keaton und Dick & Doof seinerzeit von einem Fettnäpfchen ins andere traten und sich zur Belustigung des Publikums bei Aktionen, für die heute professionelle Stuntmen eingesetzt werden, unzählige blaue Flecken holten, kennen auch sie kein Pardon. Die Herrscher über alle Körperflüssigkeiten tun genau das, was der zivilisatorische Anstand ansonsten verbietet.

Daß am Ende sogar Trash-Provocateur, Kultregisseur und Schwulenidol John Waters einen Gastauftritt hat, dürfte kaum Zufall sein. Auch Waters weiß, was es heißt, wenn Underground-Kunst auf den Geschmack und die Attitüde des Mainstreams trifft. Obwohl er heute längst als schriller Zaungast auf jedem Society-Event gern gesehen ist, dienten seine Filme in den 70er und 80er Jahren als Schocker für das konservative Bürgertum. Das unterschwellige homoerotische Motiv, das bei der Zurschaustellung nackter Männerkörper mitschwingt, und die analfixierten Obsessionen der Chaostruppe machen aus "Jackass: Nummer Zwei" den ersten "Pink Flamingo" des 21. Jahrhunderts.

Für evolver.