Ein mutiger Weg - Chronik einer Geisterfahrt
USA 2007
+++1/2
Immer wieder müssen Journalisten während eines Einsatzes an den Krisenherden dieser Welt ihr Leben lassen. Daniel Pearl, Asien-Korrespondent des Wall Street Journal, sollte seine Recherchen im Umfeld des Terrornetzwerkes Al-Qaida mit dem Leben bezahlen. Basierend auf den Erinnerungen seiner Frau Mariane schildert der neue Film des Briten Michael Winterbottom in kühlen, nüchternen Bildern die Chronik eines menschenverachtenden Verbrechens, die Verzweiflung der Angehörigen und die Ohnmacht der Ermittler. Hollywood-Superstar Angelina Jolie – zusammen mit Lebensgefährte Brad Pitt erklärtes Lieblingsmotiv aller Paparazzi – übernahm die Rolle von Pearls Ehefrau Mariane.
Filmkritk:
Die Nachricht seines Todes schockierte und machte unmissverständlich klar, dass in diesem Krieg keine Regeln mehr gelten. Der Journalist Richard Pearl wurde im Januar 2002 von Extremisten der bis dato unbekannten „Nationalen Bewegung zur Wiederherstellung der pakistanischen Souveränität“ in der Metropole Karatschi entführt und – wie erst im Nachhinein bekannt wurde – bereits wenige Tage später ermodert. Die ideologisch mit der Terrororganisation Al-Qaida und den fundamentalistischen Taliban verbundenen Terroristen, deren Hass sich vor allem gegen das mit dem Westen kooperierende Regime von Präsident Musharraf richtete, besaßen die Grausamkeit, Pearls Hinrichtung auf Video festzuhalten – eine letzte perfide Grausamkeit. Pearl, der über den als „Shoe Bomber“ bekannt gewordenen Terroristen Richard Reid vor Ort in Pakistan Nachforschungen anstellte, sollte von einem Treffen mit einem Informanten nicht mehr zurückkehren. Während zu Hause seine im fünften Monat schwangere Frau auf ihn wartete, begann für den Sohn jüdischer Immigranten ein unbeschreibliches Martyrium.
Für den britischen Regisseur Michael Winterbottom sind politisch brisante Stoffe nichts Neues. Erst sein letzter Film The Road to Guantanamo über drei in jenem Gefangenenlager inhaftierte Muslime sorgte für hitzige Debatten. Die Tragödie des Daniel Pearl, der stellvertretend für so viele Opfer religiös motivierten Terrors steht, inszenierte er als nüchternes, ungemein faktenorientiertes Nachrichtendrama. Unablässig prasseln neue Informationen auf den Zuschauer ein, die es zu sortieren und zu bewerten gilt. Unablässig wird geredet, diskutiert, gemutmaßt, werden Strategien zur Identifikation der Entführer aufgestellt und wieder verworfen. Auf kleine Fortschritte folgen größere Rückschläge. Im Haus einer Freundin von Daniels Frau Mariane schlagen die pakistanischen und amerikanischen Ermittler ihr Hauptquartier auf. Geheimdienstmitarbeiter, FBI-Agenten, Anti-Terror-Fahnder, sie alle kämpfen um das Leben des Entführten, letztlich vergebens.
Auch wenn Ein mutiger Weg im Gegensatz zu dem gleichsam sachlichen und im Tonfall ähnlich ausweglosen Polit-Thriller Syriana lediglich eine und nicht gleich vier Geschichten zu erzählen hat, kommt Winterbottoms Film nicht weniger komplex daher. Das von den Ermittlern in Form einer überdimensionalen Wandzeichnung festgehaltene Geflecht aus ständig neuen Spuren, Namen und Hinweisen wuchert wie ein außer Kontrolle geratener Tumor, bei dem jede Übersicht fast selbstverständlich früher oder später verloren gehen muss. Passend dazu präsentiert Winterbottom Karatschi als einen undurchsichtigen, von hektischer Betriebsamkeit infizierten Moloch, der unter den Menschenmassen jeden Moment zu kollabieren scheint. Die stakkatoartige Szenenabfolge lässt dabei eine Dynamik entstehen, der man sich kaum entziehen kann.
Vor allem das Wissen um den Ausgang und damit das Unausweichliche von Daniel Pearls Schicksal bereitet Bauchschmerzen. Denn trotz aller Faktentreue und Detailverliebtheit ist Winterbottom sichtlich daran gelegen, die menschliche Dimension der Geschichte nicht aus den Augen zu verlieren. In Person von Daniels Frau Mariane, die ebenfalls als Journalistin arbeitete und noch bis heute arbeitet, schlägt – wie es der englische Originaltitel so treffend ausdrückt – „A Mighty Heart“ unter dieser unfassbaren Tragödie. Angelina Jolie, in der sicherlich anspruchsvollsten Rolle ihrer Karriere, porträtiert sie als eine bemerkenswert sanfte und zugleich starke Persönlichkeit. Mariane Pearl geht es nicht um lapidare Schuldzuweisungen sondern um ein ehrliches Verständnis für den Anderen und dessen Kultur.
Ein mutiger Weg hätte leicht mit dem Druck auf die Tränendrüse enden können. Doch statt den Mord als dramatischen Höhepunkt zu missbrauchen, schenkt uns der Film noch einen wahren und deshalb authentischen Hoffnungsschimmer. Ein neues Leben wird in diese Welt hineingeboren. Frei von Wut oder Rache. Es scheint, dass wir noch viel von dieser Mariane Pearl lernen können.
Für Programmkino.de.
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home