Freitag, Januar 11, 2008

Der Nebel - Auszeit für Gutmenschen


USA 2007

++1/2

„Von den Machern von The Green Mile und Die Verurteilten“ prangt es in großen Lettern auf dem Filmplakat zur neuesten Stephen King-Adaption Der Nebel. Einer dieser Macher ist Frank Darabont. Der gebürtige Franzose, der seine Karriere in Hollywood als Autor von Horrorstreifen wie Nightmare in Elm Street III und Der Blob Mitte der 80er Jahre begann, führte bereits zum vierten Mal Regie bei einer King-Novelle. Doch anders als bei seinen letzten Arbeiten handelt es sich bei Der Nebel nicht um ein weiteres Gutmenschen-Drama. Eher bedient der Film mit seiner düsteren, apokalyptischen Stimmung Kings Stamm-Klientel. Die Vermarktung mit dem Verweis auf Die Verurteilten und The Green Mile erscheint vor diesem Hintergrund reichlich irreführend, dürfte sie doch manch einen Kinogänger zu falschen Schlüssen verleiten.

Im Grunde stellt Kings Kurzgeschichte lediglich eine leichte Abwandlung bekannter Horrorfilm-Tableaus da. Eine Gruppe unterschiedlicher Charaktere findet sich zur falschen Zeit am falschen Ort wieder, wo eine unheimliche Bedrohung über die bunt zusammengewürfelte Zwangsgemeinschaft hereinbricht. So wird in Der Nebel ein Supermarkt zum Schauplatz des Schreckens. Die Gefahr geht dabei jedoch nicht allein von der dichten Nebelwand aus. Neben einer Vielzahl scheußlicher Kreaturen wie Killer-Spinnen, hungrige Käfer-Horden und mysteriösen Tentakelwesen, denen der Sinn nach menschlichem Frischfleisch steht, sind auch die Eingeschlossenen an ihrer Lage nicht ganz unschuldig. Religiöser Fanatismus und sorgsam geschürte Paranoia sorgen dafür, dass der Blutzoll nicht nur auf das Konto der Krabbel-Invasoren geht.

Dabei beginnt alles recht harmlos. Ein Sturm fegt über das kleine Ostküsten-Städtchen hinweg. David (Thomas Jane) muss mitansehen, wie ein Baum umknickt und durch das Fenster seines Ateliers stürzt. Als er sich mit seinem Sohn Billy (Nathan Gamble) und Nachbarn Brent (Andre Braugher) auf dem Weg zum nahe gelegenen Supermarkt macht, entdecken sie über dem angrenzenden See einen mysteriösen Nebelschleier. Am Supermarkt angekommen spitzt sich die Situation weiter zu. Der Strom ist ausgefallen und der Nebel droht, die gesamte Umgebung zu „verschlucken“. David bleibt nichts anderes übrig, als zusammen mit den anderen Kunden und den Angestellten auf den Rückzug des Nebels zu warten.

Nicht wissend, welche Gefahr sich hinter den weißen Nebelschleiern verbirgt, macht sich unter den Eingeschlossenen allmählich Panik breit. In dieser Situation trägt der Angriff der Krabbel-Armee nicht unbedingt zum Erhalt der zivilen Ordnung bei. Eher bewirkt er das genaue Gegenteil. Es bilden sich Gruppen, die weniger gegen die Eindringlinge als vielmehr gegeneinander kämpfen. Allen voran die religiöse Fanatikern Mrs. Carmody (Marcia Gay Harden) scheint sich in ihrem Wahn zu verlieren und andere mit ihren kruden Überzeugungen über eine drohende Apokalypse zu infizieren.

Es ist offensichtlich, dass ihre Person vor allem als Replique auf die Weltanschauung der Evangelicals gedacht ist. Jene fundamentalen Christen verhalfen George W. Bush maßgeblich mit ihrer Stimme zum Einzug ins Weiße Haus. Seitdem King die Novelle 1980 erstmals veröffentlichte, hat sich ihr Einfluss in Politik und Gesellschaft erheblich vergrößert. Die in den letzten Jahren verbissen geführte Diskussion um die Intelligent Design-Theorie, welche Darwins Erkenntnisse über die Evolution komplett negiert, zeigt dies beispielhaft. Religiöse Überzeugungen – egal, welcher Couleur – bahnen sich zunehmend ihren Weg in staatliche Hoheitsgebiete wie das Schulwesen.

Überhaupt drängt sich eine Lesart der Ereignisse förmlich auf. Demnach ging es Darabont anscheinend darum, das von gewissen Kreisen geschürte Klima der Einschüchterung und Paranoia zu enttarnen und filmisch zu verarbeiten. Bereits die Tagline „Angst verändert alles“ stellt auf einen solchen Interpretationsansatz ab. Wenn eine Gemeinschaft nur noch von Angst geleitet wird, führt das direkt in einen Zustand des Chaos und der Anarchie, wo letztlich einzig und allein das Gesetz des Stärkeren gilt. Nur mutige Menschen wie David, der zusammen mit Gleichgesinnten wie dem schrulligen Ladenbesitzer Ollie (Toby Jones) und der resoluten Irene (Frances Sternhagen) den Radikalen Paroli bietet, können daran vielleicht noch etwas ändern.

Es sind die in Nebenrollen groß aufspielenden Sternhagen und Jones, die dem Publikum besonders ans Herz wachsen dürften. Wenn Sternhagen mit ihren 77 Jahren Feuerzeug und Spraydose herausholt, um den Spinnen den Garaus zu machen, möchte man spontan applaudieren. Jane hat es da ungleich schwerer, aus den engen Grenzen seiner im Grunde reichlich langweiligen Rolle auszubrechen. Zwischen den Sympathieträgern Jones und Sternhagen sowie der von Marcia Gay Harden mit vollem Einsatz verkörperten Mrs. Carmody wirkt er zuweilen verloren und überfordert.

Darabonts vierte King-Verfilmung ist immer dann stark, wenn sie die Bedrohung nur andeutet. Solange die Kreaturen lediglich schemenhaft zu erkennen sind, fließt das Adrenalin. Die qualitativ nicht wirklich überzeugenden CGI-Effekte zerstören in den Nahaufnahmen dafür sämtliche Illusionen. Da hilft es auch nicht, dass der Film in Sachen Gewalt und Gore ordentlich hinlangt. So gesehen folgt auf eine atmosphärisch dichte erste Dreiviertelstunde ein etwas längerer Durchhänger. Versöhnlich stimmt wie Darabont den bei King recht offenen Ausgang mit Zustimmung des Meisters abänderte. Das Finale ist für eine derart große Hollywood-Produktion geradezu radikal. Es bricht mit sämtlichen Happy End-Fantasien, die man gemeinhin im Kino vorgesetzt bekommt. Es überschreitet Grenzen und durchkreuzt unsere Hoffnungen. Kein Zweifel: Der Gutmensch Frank Darabont verabschiedet sich, der Sadist übernimmt das Ruder.

Für BlairWitch.de.