Montag, Mai 12, 2008

Paranoid Park - He was a Sk8er Boy...


USA 2007

+++1/2

Gus van Sant bleibt seinen bevorzugten Themen treu. Auch in Paranoid Park lenkt er den Blick auf einen ganz bestimmten Ausschnitt amerikanischer Jugendkultur und den von Ängsten und Selbstzweifeln gekennzeichneten Prozess des Erwachsenswerdens.

Kaum ein amerikanischer Independent-Filmer stößt auf soviel Bewunderung und Ablehnung wie Gus Van Sant. Gerade seine letzten Werke, der experimentelle Gerry (2002) und Elephant (2003), die in Cannes gleich zweifach ausgezeichnete, an das Highschool-Massaker von Columbine angelehnte Chronik einer rational nicht fassbaren Tragödie, spalteten das Publikum. Zu artifiziell, zu selbstverliebt, zu distanziert, Van Sants Filme boten stets reichlich Angriffsfläche für Kritik. Auch an Paranoid Park schieden sich bei seinen Aufführungen in Cannes, Toronto und Wien die Geister. Kein Wunder, findet sich doch hier Manches, für das man Van Sant wahlweise lieben oder hassen kann.

Erneut taucht Gus Van Sant in das Milieu einer typischen amerikanischen High School ein. Dabei gilt sein Interesse einer ganz bestimmten Subkultur. Im Burnside Skate Park, von den Jugendlichen auch Paranoid Park genannt, treffen sich Portlands Skater, um in selbstgebauten Parcours ihrer Leidenschaft nachzugehen und sich an neuen, oftmals halsbrecherischen Tricks zu versuchen. Alex (Gabe Nevins) würde nur zu gerne einer von ihnen sein, doch sein Talent, was das Skateboard fahren angeht, hält sich in Grenzen. So bleibt ihm nicht anderes übrig, als zusammen mit seinem Kumpel Jared (Jake Miller) abzuhängen und den anderen Kids in der Halfpipe zuzusehen. Oder er trifft sich mit seiner hübschen Freundin Jennifer (Taylor Momsen). Zuhause ist Alex dagegen nur selten, wohl auch, weil seine Eltern gerade ihre Scheidung durchleben.

Soweit eine ganz normale Jugend könnte man meinen. Erst ein nächtlicher Zwischenfall, bei dem Alex einen Unfall provoziert und der einen Parkwächter das Leben kostet, stürzt den Jungen in ein moralisches Dilemma. Der Druck auf ihn wächst, nachdem ein Detective (Dan Liu) in Alex’ Schule auftaucht, um ihn und die anderen Skater über die Ereignisse jener Nacht zu befragen.

Wie schon in Elephant entschied sich Van Sant für eine non-lineare Erzählstruktur. Der Film kreist dabei um den Tod des Wachmanns, der Alex Leben in ein Davor und Danach einteilt und der Auslöser für all die Gedanken und inneren Konflikte ist, die Paranoid Park als Leitmotiv bis in die letzte Einstellung begleiten. So kommt es, dass Szenen sich wiederholen und Einstellungen erst einen Sinn ergeben, nachdem Van Sant die Lücken zwischen ihnen geschlossen hat. Der Film nimmt sich bewusst Zeit, um uns Alex’ Alltag näher zu bringen. In einem stark verdichteten Mix aus Super 8-, Digital- und 35mm-Aufnahmen fängt die Kamera von Christopher Doyle und Rain Kathy Li die Ästhetik und Faszination des Skatebord-Sports ein.

Je länger man den anfangs etwas willkürlich erscheinenden Impressionen folgt, desto klarer wird das Big Picture und desto stärker zieht einen Paranoid Park in seinen Bann. Van Sant verknüpft geschickt die Ästhetik der Bilder mit einem markanten Soundtrack, der von Hip Hop über Country, Folk, Songwriter-Pop bis hin zu hartem Rock unzählige Stilrichtungen vereint, und der zunächst als Kommentar auf Alex’ jeweiligen Gemütszustand funktioniert. Die Musik und die großartigen Soundcollagen von Leslie Shatz leisten aber noch weitaus mehr. Sie formen so etwas wie ein hörbares Unterbewusstsein. Als Alex nach dem tragischen Unfall unter der Dusche zusammenbricht, scheint sich die Szene in einem ohrenbetäubenden Fanal aus exotischem Vogelgezwitscher und dröhnenden Wasserrauschen aufzulösen. Intuitiver und direkter lässt sich kaum die Angst und Verunsicherung abbilden, die Alex in diesem Moment fühlt und unter deren Last er beinahe kollabiert.

Das Casting für Paranoid Park nahm Van Sant über das Internet-Portal MySpace vor. Dort entdeckte er auch den jungen Gabe Nevins, der hier sein Schauspieldebüt gibt. Nevins gelingt es, Alex über weite Strecken als ein Mysterium darzustellen, bei dem man rätselt, was tatsächlich in ihm vorgehen mag. Warum reagiert er derart gelangweilt auf die sexuellen Avancen seiner Freundin? Warum lässt ihn die Scheidung seiner Eltern von außen zu urteilen nur so kalt? Mehr und mehr durchdringt der Film im Lauf seiner rund 80 Minuten diesen schwierigen Charakter, der sich einem Ereignis stellen muss, das ihn sein gesamtes Leben nicht mehr loslassen wird.

Paranoid Park ist wie schon Elephant nicht frei von Van Sants typischen Manierismen, nur mit dem Unterschied, dass dieses Mal Form und Inhalt ein sinnvolles Ganzes ergeben. Die fragmentarische Narration, das Vor- und Zurückspringen in der Zeit ist Ausdruck von Alex’ Unsicherheit, dem Kampf zwischen seinem Gewissen und dem Bedürfnis, das Ereignis möglichst rasch zu verdrängen. Auf diese Weise wird Paranoid Park zum überzeugenden und aufwühlenden Dokument eines adoleszenten Traumas.

6 Comments:

Blogger Flo Lieb said...

Cooler Titel *g*

Mai 12, 2008 10:29 AM  
Blogger Rajko Burchardt said...

Kann man natürlich so sehen, aber wie schon erwähnt, hat sich mir der formale und inhaltliche Unterschied zu seiner Todes-Trilogie oder wie der die nennt nicht offenbart.

Van Sant ist für mich eigentlich die größte Regieenttäschung. So toll angefangen, und dann kontinuierlich abgebaut.

Mai 12, 2008 3:47 PM  
Anonymous Anonym said...

Aber wie kann man nur lobende Worte für den Hauptdarsteller finden, für mich unbegreiflich, denn schlechter geht es wohl kaum.

Mai 12, 2008 8:47 PM  
Blogger Lost in Imagination said...

kann da dem lieben ebert nur zustimmen. ganz toller film, der von rajko zu unrecht oder aus hass auf van Sant gebasht wird. ich mag die letzten werke von herrn van sant alle nicht wirklich oder fand sie sogar absolut bodenlos (ELEPHANT und LAST DAYS)... aber hier in PARANOID PARK ist das anders. da gibt es eine Idee, eine erzählung, eine Vision, und das passt alles super. meine meinung:-)

Mai 15, 2008 8:54 PM  
Blogger Marcus kleine Filmseite said...

@ spidy

nevin spasst doch perfekt in diese rolle, finde ich.

@ timo

ja vielleicht ist das ein film für van sant-hasser ;-)

Mai 16, 2008 3:44 PM  
Anonymous Anonym said...

Wenn das ein Film für van Sant-Hasser(Basher ist, dann müsste Mr.Vega diesen Film doch quasi lieben und das tut er nicht, somit zählt euer Argument nicht, ihr müsst einfach dazu stehen, dass ihr bei diesen Film halt kein Geschmack habt! *lol* ;-)))

Mai 17, 2008 5:11 PM  

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