Montag, April 14, 2008

Chiko - Turkish Gangsta


D 2008

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Produziert und protegiert von Fatih Akin, zeichnet Chiko, das Spielfilmdebüt des Hamburger Deutschtürken Özgür Yildirim, den Aufstieg und Fall eines jungen, übermütigen Gangsters nach. Wenngleich der mitunter postulierte Authentizitätsanspruch bezweifelt werden darf, gelingt Yildirim eine über weite Strecken packende Milieu-Studie, die vorrangig als harter Genrebeitrag in der Tradition amerikanischer Gangster-Dramen funktioniert. Bei seiner Premiere in der Panorama-Sektion der diesjährigen Berlinale rief der Film ein geteiltes Echo hervor. Besonders die Gewaltdarstellung sorgte bei manch einem für Unbehagen. Dabei ist Chiko gerade in diesem Punkt unmissverständlich.

Filmkritik:

Ein weißer Mercedes CLK mit goldenen Felgen. So sieht für Chiko (überzeugend: Denis Moschitto) der Inbegriff von Erfolg aus. Und genau so einen Schlitten will er eines Tages selber besitzen und fahren. Jeder soll schließlich sehen, dass er es geschafft hat. Doch die Realität ist noch eine andere. Bislang versucht sich Chiko zusammen mit seinem besten Freund Tibet (Volkan Özcan) als Dealer in seinem Viertel. Dass er dabei anderen Tickern fast zwangsläufig auf die Füße tritt, scheint ihn nicht zu interessieren. Sein Mut und seine Schlagfertigkeit helfen ihm letztlich sogar bei seinem Aufstieg im Drogen-Milieu. Brownie (Moritz Bleibtreu), einer der Bosse, wird auf Chiko aufmerksam. Er engagiert den Jungen und baut allmählich zu ihm ein enges Vertrauensverhältnis auf.

Allerdings wird Chiko schon bald vor eine schwerwiegende Entscheidung gestellt. Als Brownie erfährt, dass Tibet ihn hintergeht, verlangt er, dass Chiko den Kontakt zu seinem besten Freund abbricht. Chiko fühlt sich hin- und hergerissen. Einerseits will er zu Tibet und dessen kranker Mutter (Lilay Huser) halten, andererseits erhofft er sich von Brownie Anerkennung und Macht.

Gangster-Drama, Milieu-Studie, Ghetto-Tragödie. Viele Etiketten lassen sich auf Özgür Yildirims Regiedebüt Chiko anwenden. Die meisten von ihnen beschreiben jedoch nur dessen Oberfläche, das, was ohnehin nach wenigen Minuten für jeden Zuschauer offensichtlich ist. In Wirklichkeit ist Chiko vor allem eines. Ein straighter, handwerklich mehr als solider Genrefilm. Yildirim beobachtet Gangster und Kleinkriminelle bei ihrem Versuch, im Milieu aufzusteigen und abseits aller legalen Möglichkeiten Karriere zu machen. Von nichts anderem handelt beispielsweise auch Martin Scorseses Frühwerk Mean Streets, nur mit dem Unterschied, dass die Protagonisten seinerzeit Italo-Amerikaner und keine Türken waren.

Chikos Welt funktioniert nach dem „Friss oder Stirb“-Prinzip. Wer auf der Straße Schwäche zeigt, wird es nicht weit bringen. Das weiß Chiko. Aus diesem Grund riskiert er eine dicke Lippe und inszeniert sich bei jeder Gelegenheit als harter Kerl. Wer „nicht gefickt werden will“, muss eben die anderen „ficken“. Was Deutsch-Rapper wie Bushido und Sido in ihren Musikvideos als Männlichkeitsfassade aufbauen, nutzt Yildirim zur Charakterisierung seiner Hauptfiguren. Doch dabei bleibt es nicht. Yildirim nimmt vielmehr ein Bild – in diesem Fall ist es der gewaltbereite Halbstarke – und zeigt, in welche Sackgasse das von manchen Jugendlichen fälschlicherweise idealisierte Gangstersein führt. Am Ende hat Chiko für seinen Traum mit dem eigenen Blut bezahlt.

Ob das Gezeigte stets authentisch ist, darf stark bezweifelt werden. Letztlich spielt es auch keine so große Rolle, inwieweit Chiko sich zu einem Abgleich mit der Realität eignet. Der Film trägt in vielerlei Hinsicht einfach zu dick auf, um aus ihm ernsthaft einen dokumentarischen Anspruch ableiten zu wollen. Weitaus wichtiger ist, dass Chiko pubertären Gewaltfantasien eine unmissverständliche Absage erteilt. So wie Yildirim Gewalt filmt, tut sie weh – was gut ist. Wenn Chiko blind vor Hass in Brownies Haus stürmt und seinen Boss vor den Augen seiner Frau und Tochter eiskalt hinrichtet, ist das ein Schlag ins Gesicht. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Auf diese drei Worte lässt sich Yildirims couragierter Erstling im Kern zurückführen.

Für Programmkino.de.