Sonntag, April 20, 2008

Fleisch ist mein Gemüse - Landjugend mit Musik


D 2008

++1/2

Hamburg-Harburg in den 80ern. Für den jungen Musiker Heinz Strunk (Maxim Mehmet) ist es die Hölle auf Erden. Nicht nur, dass er sich um seine schwerkranke Mutter (Susanne Lothar) und deren labile Nachbarin kümmern muss, zugleich leidet er unter einem kraterähnlichen Hautausschlag, der seine Chancen beim weiblichen Geschlecht quasi auf Null reduziert. In dieser scheinbar ausweglosen Lage beschließt Heinz, sich einer Tanzkapelle anzuschließen. Die „Tiffanys“ unter ihrem Bandleader Gurki (Andreas Schmidt) treten bei Schützenfesten, Tanztees im Seniorenheim und Dorf-Hochzeiten auf. Zwischen Songs von Nicki und Gottlieb Wendehals, zwischen geschmacklosen Glitzerjacketts und exzessiven Besäufnissen leidet Heinz still und leise vor sich hin.

Basierend auf dem gleichnamigen, stark autobiographischen Bestseller von Heinz Strunk, der eigentlich Mathias Halfpape heißt und in einer kleinen Gastrolle sich selbst spielen darf, erzählt Christian Görlitz die Geschichte einer tragikomischen „Landjugend mit Musik“. Der Film bewegt sich im Kosmos eines unglaublich piefigen Kleinbürgertums, dessen Rituale und Ansichten satirisch auf die Spitze getrieben werden. Gerade Bandleader Gurki erweist sich dabei als Quell unerschöpflicher Dadaismen („Swingtime is Good Time, Good Time is Better Time!“), die selbst als profane Poesiealbumsprüche ihren Zweck verfehlen würden. Aber egal, solange Heinz auf der Bühne nur ordentlich „abliefert“, wie Gurki es nennt, solange er auf trostlosen Ü30-Partys in muffigen Kneipen und Tanzlokalen eingedeutschte Stimmungs-Hits zum Besten gibt, wird die Welt schon nicht untergehen.

Die liebevolle Schilderung eines tragikomischen Panoptikums aus 80er Jahre-Stilblüten und scheußlich-spießigen Geschmacklosigkeiten gehört zu den Stärken dieses etwas anderen deutschen Heimatfilms. Leider bremsen die dramatischen Einschübe rund um Heinz’ kranke Mutter den Erzählfluss jedes Mal merklich aus. Man mag so recht keine emotionale Beziehung zu Figuren aufbauen, die einem zuvor lediglich als sympathische Freaks oder holzschnittartige Karikaturen vorgestellt wurden. Da kann sich Theaterstar Susanne Lothar auch noch so ins Zeug legen, letztlich ist ihre Anstrengung nichts weiter als vergebene Liebesmüh.

Dass Fleisch ist mein Gemüse dennoch zu den besseren Komödien der letzten Monate gezählt werden darf, hat Christian Görlitz’ Adaption vor allem den immer wieder aufblitzenden Momenten am Rande des Wahnsinns zu verdanken. So sorgen ein Limbo tanzender Sylvester Groth in der Rolle des leicht abgehalfterten Schlagerbarden Oliver Bendt, einst Sänger der legendären „Goombay Dance Band“, oder der Aufmarsch des Schützenkönigs für ein stilechtes Revival von Tristesse und Spießigkeit. Früher, als viele Frauen sich einbildeten, Leggins wären ein unter ästhetischen Gesichtspunkten zu favorisierendes Kleidungsstück, war anscheinend doch nicht alles besser.

Für Smart Investor.